einen Einfluss und sucht nun dessen Wirkungen um jeden Preis herauszuklauben.
Versuchen wir uns das Verhältniss beider Männer nach der Wahrscheinlichkeit zu vergegenwärtigen!
Gewiss das Auftreten dieses ungewöhnlichen Mannes in Ma- drid konnte nicht verfehlen den Hofmaler aufzuregen. Bisher war er der Erste dort gewesen. Vor vier Jahren hatte der Minister erklärt, nur er dürfe fortan Seine Majestät malen. Jetzt sah er sich zeitweise diess sein Privileg entzogen; er war gleichsam suspendirt. Der Fremde hatte sein Zelt im Palast aufgeschlagen. Die Majestäten und Hoheiten kamen ihm zu sitzen, die aller- höchsten Atelierbesuche waren auf ihn übergangen. Der Ugier de Camara war nur der Cicerone des Malerdiplomaten, des Ver- trauten im Rathe der Staatsmänner.
Auch für einen nichts weniger als neidisch und niedrig denkenden Character war das eine Prüfung. Auf Männer die nicht mehr jung und elastisch waren, haben ähnliche Erlebnisse eine vernichtende Wirkung geübt. Claudio Coello wurde durch die Ankunft des Luca Giordano so erschüttert, dass er die Verdunkelung seines Sterns nicht überlebte. Antonio del Castillo, als er in Sevilla die Werke seines früheren Kameraden Murillo sah, rief: Ya murio Castillo! (Ihr könnt mich begraben!); und er war Prophet. Als Velazquez drei Jahre später aus Italien zurückkehrend, dem König seine Aufwartung machte, hat er ihm sehr gedankt, dass er sich inzwischen von keinem andern Maler habe aufnehmen lassen 1).
Göthe sagt, gegen grosse Vorzüge giebt es kein andres Ret- tungsmittel als Liebe. Ein Jüngling, der noch nichts ist, könnte sich wol glücklich geschätzt haben, Rubens vorläufig als Farbenreiber zu dienen. Ein Künstler, bisher durch untergeordnete Umgebung im Wachsthum gehemmt, entschliesst sich noch einmal von vorn anzufangen, wie Murillo, als er von van Dyck hörte. Velazquez war wenig älter als Murillo, da dieser Pedro de Moya traf und sich vornahm umzulernen, und Rubens stand auf der Mittags- höhe seines Ruhms.
Allein Velazquez gehörte zu den glücklichen, einfach und bestimmt angelegten Naturen, die von Anfang ihrer selbst und zielbewusst ihren Lebensweg gehn; er hatte die Malerei, die für ihn passte, bald erkannt, sich Mittel und Wege selbst erdacht,
1) Pacheco, Arte de la pintura I, 139 agradeciendole mucho etc.
Zweites Buch.
einen Einfluss und sucht nun dessen Wirkungen um jeden Preis herauszuklauben.
Versuchen wir uns das Verhältniss beider Männer nach der Wahrscheinlichkeit zu vergegenwärtigen!
Gewiss das Auftreten dieses ungewöhnlichen Mannes in Ma- drid konnte nicht verfehlen den Hofmaler aufzuregen. Bisher war er der Erste dort gewesen. Vor vier Jahren hatte der Minister erklärt, nur er dürfe fortan Seine Majestät malen. Jetzt sah er sich zeitweise diess sein Privileg entzogen; er war gleichsam suspendirt. Der Fremde hatte sein Zelt im Palast aufgeschlagen. Die Majestäten und Hoheiten kamen ihm zu sitzen, die aller- höchsten Atelierbesuche waren auf ihn übergangen. Der Ugier de Cámara war nur der Cicerone des Malerdiplomaten, des Ver- trauten im Rathe der Staatsmänner.
Auch für einen nichts weniger als neidisch und niedrig denkenden Character war das eine Prüfung. Auf Männer die nicht mehr jung und elastisch waren, haben ähnliche Erlebnisse eine vernichtende Wirkung geübt. Claudio Coello wurde durch die Ankunft des Luca Giordano so erschüttert, dass er die Verdunkelung seines Sterns nicht überlebte. Antonio del Castillo, als er in Sevilla die Werke seines früheren Kameraden Murillo sah, rief: Ya murió Castillo! (Ihr könnt mich begraben!); und er war Prophet. Als Velazquez drei Jahre später aus Italien zurückkehrend, dem König seine Aufwartung machte, hat er ihm sehr gedankt, dass er sich inzwischen von keinem andern Maler habe aufnehmen lassen 1).
Göthe sagt, gegen grosse Vorzüge giebt es kein andres Ret- tungsmittel als Liebe. Ein Jüngling, der noch nichts ist, könnte sich wol glücklich geschätzt haben, Rubens vorläufig als Farbenreiber zu dienen. Ein Künstler, bisher durch untergeordnete Umgebung im Wachsthum gehemmt, entschliesst sich noch einmal von vorn anzufangen, wie Murillo, als er von van Dyck hörte. Velazquez war wenig älter als Murillo, da dieser Pedro de Moya traf und sich vornahm umzulernen, und Rubens stand auf der Mittags- höhe seines Ruhms.
Allein Velazquez gehörte zu den glücklichen, einfach und bestimmt angelegten Naturen, die von Anfang ihrer selbst und zielbewusst ihren Lebensweg gehn; er hatte die Malerei, die für ihn passte, bald erkannt, sich Mittel und Wege selbst erdacht,
1) Pacheco, Arte de la pintura I, 139 agradeciéndole mucho etc.
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Zweites Buch.
einen Einfluss und sucht nun dessen Wirkungen um jeden Preis
herauszuklauben.
Versuchen wir uns das Verhältniss beider Männer nach der
Wahrscheinlichkeit zu vergegenwärtigen!
Gewiss das Auftreten dieses ungewöhnlichen Mannes in Ma-
drid konnte nicht verfehlen den Hofmaler aufzuregen. Bisher war
er der Erste dort gewesen. Vor vier Jahren hatte der Minister
erklärt, nur er dürfe fortan Seine Majestät malen. Jetzt sah er
sich zeitweise diess sein Privileg entzogen; er war gleichsam
suspendirt. Der Fremde hatte sein Zelt im Palast aufgeschlagen.
Die Majestäten und Hoheiten kamen ihm zu sitzen, die aller-
höchsten Atelierbesuche waren auf ihn übergangen. Der Ugier
de Cámara war nur der Cicerone des Malerdiplomaten, des Ver-
trauten im Rathe der Staatsmänner.
Auch für einen nichts weniger als neidisch und niedrig
denkenden Character war das eine Prüfung. Auf Männer die
nicht mehr jung und elastisch waren, haben ähnliche Erlebnisse
eine vernichtende Wirkung geübt. Claudio Coello wurde durch
die Ankunft des Luca Giordano so erschüttert, dass er die
Verdunkelung seines Sterns nicht überlebte. Antonio del Castillo,
als er in Sevilla die Werke seines früheren Kameraden Murillo
sah, rief: Ya murió Castillo! (Ihr könnt mich begraben!); und
er war Prophet. Als Velazquez drei Jahre später aus Italien
zurückkehrend, dem König seine Aufwartung machte, hat er
ihm sehr gedankt, dass er sich inzwischen von keinem andern
Maler habe aufnehmen lassen 1).
Göthe sagt, gegen grosse Vorzüge giebt es kein andres Ret-
tungsmittel als Liebe. Ein Jüngling, der noch nichts ist, könnte sich
wol glücklich geschätzt haben, Rubens vorläufig als Farbenreiber
zu dienen. Ein Künstler, bisher durch untergeordnete Umgebung
im Wachsthum gehemmt, entschliesst sich noch einmal von vorn
anzufangen, wie Murillo, als er von van Dyck hörte. Velazquez
war wenig älter als Murillo, da dieser Pedro de Moya traf und
sich vornahm umzulernen, und Rubens stand auf der Mittags-
höhe seines Ruhms.
Allein Velazquez gehörte zu den glücklichen, einfach und
bestimmt angelegten Naturen, die von Anfang ihrer selbst und
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/274>, abgerufen am 25.11.2024.
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