Sir Dudley zeigte sich jedoch für die Reize dieser schönen, aber nicht ganz echten Griechinnen unempfindlich. Hier nun wird er den von dem Engländer verschmähten Ladenhüter denn doch noch an den König von Spanien los.
Anlass zum Nachdenken giebt ferner der Umstand, dass ein Theil dieser Gemälde schon zu Lebzeiten Philipps wieder aus dem Spiegelsaal entfernt wurde: das Inventar von 1686 weist an ihrer Stelle später gelieferte Sachen auf: den Raub der Sabinerinnen und die darauffolgende Schlacht, Perseus und An- dromeda, die Madonna in einem Blumenkranz. Der Verdacht liegt nahe, dass jene Gemälde wenig befriedigten, und dass Rubens sich wol auch hier, vielleicht nach seinen Erinnerungen vom Jahre 1603, eine zu geringe Vorstellung von dem Urtheil der Spanier gemacht hatte; nach seinem Briefe scheint er erst dort das leb- hafte Interesse des Königs für die Malerei bemerkt zu haben. Ja er bekam eine solche Achtung vor dem Kunstverständniss des Hofs, dass er sich ausbat, seine grosse Epiphanie, die in der rohen Art seiner Frühzeit war, übermalen zu dürfen; er erwei- terte sie auch und machte daraus fast ein neues Bild.
Die erste Arbeit, die Rubens in Madrid unternahm, nach- dem er in dem Malerquartier des Palastes, im cuarto bajo del principe sein Atelier eingerichtet, war das Reiterbildniss Seiner Majestät. Auch dieses kam in den Spiegelsaal, also in die Nähe von Tizians Carl V. Der König war dargestellt "in Rüstung, auf einem Kastanienbraunen, mit der rothen Schärpe, Kommando- stab, schwarzem Hut mit weissen Federn; in der Höhe die Erd- kugel, gehalten von zwei Engeln und der Fides, die das Kreuz darauf setzt und dem König einen Lorbeerkranz beut; auf der einen Seite ist die göttliche Gerechtigkeit, welche den Blitz auf die Feinde schleudert, auf der andern unten ein Indianer, welcher den Helm trägt". Die Uebereinstimmung dieser Beschreibung des wahrscheinlich im Brand des Schlosses von 1734 unterge- gangenen Bildes mit dem grossen "Velazquez" in den Uffizien hat schon Villaamil bemerkt; nur ist das letztere nicht, wie er meint, eine übermalte Kopie, noch weniger ist es ein Gaspar de Crayer, sondern, wie ich anderwärts gezeigt, ein gutes Bild der Madrider Schule, wahrscheinlich von Carrenno im Anschluss an jenen Rubens gemalt, aber nach einer neuen Aufnahme des wohl zwanzig Jahre älteren Monarchen.
Rubens wurde ferner die seltene Gunst zu Theil, die "Köpfe" der gesammten königlichen Familie nach dem Leben aufnehmen
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Rubens in Madrid.
Sir Dudley zeigte sich jedoch für die Reize dieser schönen, aber nicht ganz echten Griechinnen unempfindlich. Hier nun wird er den von dem Engländer verschmähten Ladenhüter denn doch noch an den König von Spanien los.
Anlass zum Nachdenken giebt ferner der Umstand, dass ein Theil dieser Gemälde schon zu Lebzeiten Philipps wieder aus dem Spiegelsaal entfernt wurde: das Inventar von 1686 weist an ihrer Stelle später gelieferte Sachen auf: den Raub der Sabinerinnen und die darauffolgende Schlacht, Perseus und An- dromeda, die Madonna in einem Blumenkranz. Der Verdacht liegt nahe, dass jene Gemälde wenig befriedigten, und dass Rubens sich wol auch hier, vielleicht nach seinen Erinnerungen vom Jahre 1603, eine zu geringe Vorstellung von dem Urtheil der Spanier gemacht hatte; nach seinem Briefe scheint er erst dort das leb- hafte Interesse des Königs für die Malerei bemerkt zu haben. Ja er bekam eine solche Achtung vor dem Kunstverständniss des Hofs, dass er sich ausbat, seine grosse Epiphanie, die in der rohen Art seiner Frühzeit war, übermalen zu dürfen; er erwei- terte sie auch und machte daraus fast ein neues Bild.
Die erste Arbeit, die Rubens in Madrid unternahm, nach- dem er in dem Malerquartier des Palastes, im cuarto bajo del principe sein Atelier eingerichtet, war das Reiterbildniss Seiner Majestät. Auch dieses kam in den Spiegelsaal, also in die Nähe von Tizians Carl V. Der König war dargestellt „in Rüstung, auf einem Kastanienbraunen, mit der rothen Schärpe, Kommando- stab, schwarzem Hut mit weissen Federn; in der Höhe die Erd- kugel, gehalten von zwei Engeln und der Fides, die das Kreuz darauf setzt und dem König einen Lorbeerkranz beut; auf der einen Seite ist die göttliche Gerechtigkeit, welche den Blitz auf die Feinde schleudert, auf der andern unten ein Indianer, welcher den Helm trägt“. Die Uebereinstimmung dieser Beschreibung des wahrscheinlich im Brand des Schlosses von 1734 unterge- gangenen Bildes mit dem grossen „Velazquez“ in den Uffizien hat schon Villaamil bemerkt; nur ist das letztere nicht, wie er meint, eine übermalte Kopie, noch weniger ist es ein Gaspar de Crayer, sondern, wie ich anderwärts gezeigt, ein gutes Bild der Madrider Schule, wahrscheinlich von Carreño im Anschluss an jenen Rubens gemalt, aber nach einer neuen Aufnahme des wohl zwanzig Jahre älteren Monarchen.
Rubens wurde ferner die seltene Gunst zu Theil, die „Köpfe“ der gesammten königlichen Familie nach dem Leben aufnehmen
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Rubens in Madrid.
Sir Dudley zeigte sich jedoch für die Reize dieser schönen, aber
nicht ganz echten Griechinnen unempfindlich. Hier nun wird
er den von dem Engländer verschmähten Ladenhüter denn
doch noch an den König von Spanien los.
Anlass zum Nachdenken giebt ferner der Umstand, dass
ein Theil dieser Gemälde schon zu Lebzeiten Philipps wieder
aus dem Spiegelsaal entfernt wurde: das Inventar von 1686
weist an ihrer Stelle später gelieferte Sachen auf: den Raub der
Sabinerinnen und die darauffolgende Schlacht, Perseus und An-
dromeda, die Madonna in einem Blumenkranz. Der Verdacht
liegt nahe, dass jene Gemälde wenig befriedigten, und dass Rubens
sich wol auch hier, vielleicht nach seinen Erinnerungen vom Jahre
1603, eine zu geringe Vorstellung von dem Urtheil der Spanier
gemacht hatte; nach seinem Briefe scheint er erst dort das leb-
hafte Interesse des Königs für die Malerei bemerkt zu haben.
Ja er bekam eine solche Achtung vor dem Kunstverständniss
des Hofs, dass er sich ausbat, seine grosse Epiphanie, die in
der rohen Art seiner Frühzeit war, übermalen zu dürfen; er erwei-
terte sie auch und machte daraus fast ein neues Bild.
Die erste Arbeit, die Rubens in Madrid unternahm, nach-
dem er in dem Malerquartier des Palastes, im cuarto bajo del
principe sein Atelier eingerichtet, war das Reiterbildniss Seiner
Majestät. Auch dieses kam in den Spiegelsaal, also in die Nähe
von Tizians Carl V. Der König war dargestellt „in Rüstung,
auf einem Kastanienbraunen, mit der rothen Schärpe, Kommando-
stab, schwarzem Hut mit weissen Federn; in der Höhe die Erd-
kugel, gehalten von zwei Engeln und der Fides, die das Kreuz
darauf setzt und dem König einen Lorbeerkranz beut; auf der
einen Seite ist die göttliche Gerechtigkeit, welche den Blitz auf
die Feinde schleudert, auf der andern unten ein Indianer, welcher
den Helm trägt“. Die Uebereinstimmung dieser Beschreibung
des wahrscheinlich im Brand des Schlosses von 1734 unterge-
gangenen Bildes mit dem grossen „Velazquez“ in den Uffizien
hat schon Villaamil bemerkt; nur ist das letztere nicht, wie er
meint, eine übermalte Kopie, noch weniger ist es ein Gaspar de
Crayer, sondern, wie ich anderwärts gezeigt, ein gutes Bild der
Madrider Schule, wahrscheinlich von Carreño im Anschluss an
jenen Rubens gemalt, aber nach einer neuen Aufnahme des wohl
zwanzig Jahre älteren Monarchen.
Rubens wurde ferner die seltene Gunst zu Theil, die „Köpfe“
der gesammten königlichen Familie nach dem Leben aufnehmen
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/265>, abgerufen am 23.11.2024.
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