ehrer unter diese Hauptgruppe ist betont durch ihre Abwendung von der Lichtquelle -- den Schatten auf ihren Gesichtern.
Die Madonna ist schöner beabsichtigt als in jenem ersten Ver- such. Eine blutjunge, hübsche, beschränkte Bauersfrau, doch eine unverfälschte Spanierin, mit edelgebogener Nase. An den Schläfen schmale schwarze Haarflechten. Ihre dunkeln Wimpern sind ge- senkt, aber von dem Zauber, den noch Roelas solchen demüthig sanften Augen gab, ist keine Spur da: auch hat ihr Blick nichts von Mutterfreude. Man glaubt diese Figur in einem Landstädt- chen Morgens am Gemüsemarkt so sitzen gesehen zu haben. Das faltenreiche dicke Kleid ist ein Winterrock, es war ja De- cember. Ihre Hände sind derbknochig, stark genug den Pflug zu führen und nöthigenfalls den Stier bei den Hörnern zu fassen. Mit beiden umschliesst sie fest das kerzengrad hingehaltene Wickelkind. Denn es ist ein ordentliches Wickelkind, nach der Vorschrift Pacheco's, der ganz empört war, wenn er das neuge- borene Kind nackt der Winternacht ausgesetzt sah. Der heil. Joseph, der rechts neugierig heraufschaut, ist ebenfalls ein häss- liches, hartes Bauernprofil.
Wenn Jemand dem Maler diese Niedrigkeit seiner heiligen Familie vorgehalten hätte, so würde er wahrscheinlich mit Michel- angelo entgegnet haben: Diese heiligen Personen waren arm und niedrig. Wer aber gemeint hätte, dass ihm vornehme Typen versagt gewesen, den konnte er auf die beiden knieenden Kö- nige verweisen. Hier, das sieht man, ist er auf einmal in seinem Fahrwasser. Es sind eigentlich seine ältesten nachweislichen Bildnisse. Sie stimmen in der Behandlung ganz mit dem Portrait des finstern Mannes in der Halskrause (Prado 1103), wenn dieser nicht gar zu dem einen gesessen hat. Solche Bildnisse waren seit Campanna in Sevilla nicht gesehen worden. Der vorderste, jüngere, von etwas vollen Formen, könnte einen Domherrn aus altem Geschlecht vorstellen; der Greis dahinter einen Ordens- komthur. Auch der Mohr ist ein Fürst in seinem Stamm. Wie ihre Lineamente die echter hidalgos sind, so hat auch ihre Devo- tion die Würde, das unbewegliche, fast finstere Phlegma des Spaniers von Stand.
Die Composition ist ganz in den Vordergrund gedrängt, wahrscheinlich um Raum für recht grosse Figuren zu gewinnen. Diese werden an beiden Seiten vom Rahmen durchschnitten, der zu eng erscheint. Und da die Madonna durch das ungedämpfte grelle Licht sehr hervorkommt, so scheint der vordere Magier
Die Epiphanie.
ehrer unter diese Hauptgruppe ist betont durch ihre Abwendung von der Lichtquelle — den Schatten auf ihren Gesichtern.
Die Madonna ist schöner beabsichtigt als in jenem ersten Ver- such. Eine blutjunge, hübsche, beschränkte Bauersfrau, doch eine unverfälschte Spanierin, mit edelgebogener Nase. An den Schläfen schmale schwarze Haarflechten. Ihre dunkeln Wimpern sind ge- senkt, aber von dem Zauber, den noch Roelas solchen demüthig sanften Augen gab, ist keine Spur da: auch hat ihr Blick nichts von Mutterfreude. Man glaubt diese Figur in einem Landstädt- chen Morgens am Gemüsemarkt so sitzen gesehen zu haben. Das faltenreiche dicke Kleid ist ein Winterrock, es war ja De- cember. Ihre Hände sind derbknochig, stark genug den Pflug zu führen und nöthigenfalls den Stier bei den Hörnern zu fassen. Mit beiden umschliesst sie fest das kerzengrad hingehaltene Wickelkind. Denn es ist ein ordentliches Wickelkind, nach der Vorschrift Pacheco’s, der ganz empört war, wenn er das neuge- borene Kind nackt der Winternacht ausgesetzt sah. Der heil. Joseph, der rechts neugierig heraufschaut, ist ebenfalls ein häss- liches, hartes Bauernprofil.
Wenn Jemand dem Maler diese Niedrigkeit seiner heiligen Familie vorgehalten hätte, so würde er wahrscheinlich mit Michel- angelo entgegnet haben: Diese heiligen Personen waren arm und niedrig. Wer aber gemeint hätte, dass ihm vornehme Typen versagt gewesen, den konnte er auf die beiden knieenden Kö- nige verweisen. Hier, das sieht man, ist er auf einmal in seinem Fahrwasser. Es sind eigentlich seine ältesten nachweislichen Bildnisse. Sie stimmen in der Behandlung ganz mit dem Portrait des finstern Mannes in der Halskrause (Prado 1103), wenn dieser nicht gar zu dem einen gesessen hat. Solche Bildnisse waren seit Campaña in Sevilla nicht gesehen worden. Der vorderste, jüngere, von etwas vollen Formen, könnte einen Domherrn aus altem Geschlecht vorstellen; der Greis dahinter einen Ordens- komthur. Auch der Mohr ist ein Fürst in seinem Stamm. Wie ihre Lineamente die echter hidalgos sind, so hat auch ihre Devo- tion die Würde, das unbewegliche, fast finstere Phlegma des Spaniers von Stand.
Die Composition ist ganz in den Vordergrund gedrängt, wahrscheinlich um Raum für recht grosse Figuren zu gewinnen. Diese werden an beiden Seiten vom Rahmen durchschnitten, der zu eng erscheint. Und da die Madonna durch das ungedämpfte grelle Licht sehr hervorkommt, so scheint der vordere Magier
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0167"n="147"/><fwplace="top"type="header">Die Epiphanie.</fw><lb/>
ehrer unter diese Hauptgruppe ist betont durch ihre Abwendung<lb/>
von der Lichtquelle — den Schatten auf ihren Gesichtern.</p><lb/><p>Die Madonna ist schöner beabsichtigt als in jenem ersten Ver-<lb/>
such. Eine blutjunge, hübsche, beschränkte Bauersfrau, doch eine<lb/>
unverfälschte Spanierin, mit edelgebogener Nase. An den Schläfen<lb/>
schmale schwarze Haarflechten. Ihre dunkeln Wimpern sind ge-<lb/>
senkt, aber von dem Zauber, den noch Roelas solchen demüthig<lb/>
sanften Augen gab, ist keine Spur da: auch hat ihr Blick nichts<lb/>
von Mutterfreude. Man glaubt diese Figur in einem Landstädt-<lb/>
chen Morgens am Gemüsemarkt so sitzen gesehen zu haben.<lb/>
Das faltenreiche dicke Kleid ist ein Winterrock, es war ja De-<lb/>
cember. Ihre Hände sind derbknochig, stark genug den Pflug<lb/>
zu führen und nöthigenfalls den Stier bei den Hörnern zu fassen.<lb/>
Mit beiden umschliesst sie fest das kerzengrad hingehaltene<lb/>
Wickelkind. Denn es ist ein ordentliches Wickelkind, nach der<lb/>
Vorschrift Pacheco’s, der ganz empört war, wenn er das neuge-<lb/>
borene Kind nackt der Winternacht ausgesetzt sah. Der heil.<lb/>
Joseph, der rechts neugierig heraufschaut, ist ebenfalls ein häss-<lb/>
liches, hartes Bauernprofil.</p><lb/><p>Wenn Jemand dem Maler diese Niedrigkeit seiner heiligen<lb/>
Familie vorgehalten hätte, so würde er wahrscheinlich mit Michel-<lb/>
angelo entgegnet haben: Diese heiligen Personen <hirendition="#i">waren</hi> arm<lb/>
und niedrig. Wer aber gemeint hätte, dass ihm vornehme Typen<lb/>
versagt gewesen, den konnte er auf die beiden knieenden Kö-<lb/>
nige verweisen. Hier, das sieht man, ist er auf einmal in seinem<lb/>
Fahrwasser. Es sind eigentlich seine ältesten nachweislichen<lb/>
Bildnisse. Sie stimmen in der Behandlung ganz mit dem Portrait<lb/>
des finstern Mannes in der Halskrause (Prado 1103), wenn dieser<lb/>
nicht gar zu dem einen gesessen hat. Solche Bildnisse waren<lb/>
seit Campaña in Sevilla nicht gesehen worden. Der vorderste,<lb/>
jüngere, von etwas vollen Formen, könnte einen Domherrn aus<lb/>
altem Geschlecht vorstellen; der Greis dahinter einen Ordens-<lb/>
komthur. Auch der Mohr ist ein Fürst in seinem Stamm. Wie<lb/>
ihre Lineamente die echter <hirendition="#i">hidalgos</hi> sind, so hat auch ihre Devo-<lb/>
tion die Würde, das unbewegliche, fast finstere Phlegma des<lb/>
Spaniers von Stand.</p><lb/><p>Die Composition ist ganz in den Vordergrund gedrängt,<lb/>
wahrscheinlich um Raum für recht grosse Figuren zu gewinnen.<lb/>
Diese werden an beiden Seiten vom Rahmen durchschnitten, der<lb/>
zu eng erscheint. Und da die Madonna durch das ungedämpfte<lb/>
grelle Licht sehr hervorkommt, so scheint der vordere Magier<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[147/0167]
Die Epiphanie.
ehrer unter diese Hauptgruppe ist betont durch ihre Abwendung
von der Lichtquelle — den Schatten auf ihren Gesichtern.
Die Madonna ist schöner beabsichtigt als in jenem ersten Ver-
such. Eine blutjunge, hübsche, beschränkte Bauersfrau, doch eine
unverfälschte Spanierin, mit edelgebogener Nase. An den Schläfen
schmale schwarze Haarflechten. Ihre dunkeln Wimpern sind ge-
senkt, aber von dem Zauber, den noch Roelas solchen demüthig
sanften Augen gab, ist keine Spur da: auch hat ihr Blick nichts
von Mutterfreude. Man glaubt diese Figur in einem Landstädt-
chen Morgens am Gemüsemarkt so sitzen gesehen zu haben.
Das faltenreiche dicke Kleid ist ein Winterrock, es war ja De-
cember. Ihre Hände sind derbknochig, stark genug den Pflug
zu führen und nöthigenfalls den Stier bei den Hörnern zu fassen.
Mit beiden umschliesst sie fest das kerzengrad hingehaltene
Wickelkind. Denn es ist ein ordentliches Wickelkind, nach der
Vorschrift Pacheco’s, der ganz empört war, wenn er das neuge-
borene Kind nackt der Winternacht ausgesetzt sah. Der heil.
Joseph, der rechts neugierig heraufschaut, ist ebenfalls ein häss-
liches, hartes Bauernprofil.
Wenn Jemand dem Maler diese Niedrigkeit seiner heiligen
Familie vorgehalten hätte, so würde er wahrscheinlich mit Michel-
angelo entgegnet haben: Diese heiligen Personen waren arm
und niedrig. Wer aber gemeint hätte, dass ihm vornehme Typen
versagt gewesen, den konnte er auf die beiden knieenden Kö-
nige verweisen. Hier, das sieht man, ist er auf einmal in seinem
Fahrwasser. Es sind eigentlich seine ältesten nachweislichen
Bildnisse. Sie stimmen in der Behandlung ganz mit dem Portrait
des finstern Mannes in der Halskrause (Prado 1103), wenn dieser
nicht gar zu dem einen gesessen hat. Solche Bildnisse waren
seit Campaña in Sevilla nicht gesehen worden. Der vorderste,
jüngere, von etwas vollen Formen, könnte einen Domherrn aus
altem Geschlecht vorstellen; der Greis dahinter einen Ordens-
komthur. Auch der Mohr ist ein Fürst in seinem Stamm. Wie
ihre Lineamente die echter hidalgos sind, so hat auch ihre Devo-
tion die Würde, das unbewegliche, fast finstere Phlegma des
Spaniers von Stand.
Die Composition ist ganz in den Vordergrund gedrängt,
wahrscheinlich um Raum für recht grosse Figuren zu gewinnen.
Diese werden an beiden Seiten vom Rahmen durchschnitten, der
zu eng erscheint. Und da die Madonna durch das ungedämpfte
grelle Licht sehr hervorkommt, so scheint der vordere Magier
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/167>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.