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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Kirchenbilder.

Diess war nun ein Gegenstand, der nur im Anschluss an
die Ueberlieferung dargestellt werden konnte; sonst hätte auch
ein vorzügliches Kunstwerk mehr Anstoss als Beifall erwarten
dürfen. Für poetische Erfindung war kein Platz, für malerische
war die Zeit noch nicht gekommen. Ein Anfänger also, der
seine Studien an Köchen und Strassenfiguren gemacht, und dem
ein Censor wie sein Schwiegervater zur Seite stand, musste
sich hier in keiner geringen Verlegenheit befinden. Der Ge-
genstand war überdies schon von den ersten Malern in ange-
sehenen Bildern behandelt worden.

Die "unbefleckte Empfängniss" wurde damals nur noch
symbolisch versinnlicht. Die historische Darstellung des Mittel-
alters, die Begegnung der Eltern an der goldenen Pforte, oder
die vorhergegangenen Engelserscheinungen entsprachen nicht
mehr der Empfindungweise des Zeitalters. Man legte jene Vision
der Apokalypse zu Grunde: eine in Wolken schwebende Gestalt,
das Bild jungfräulicher Reinheit, über dessen theologische Be-
deutung Sinnbilder Aufschluss gaben. In den spanischen Dar-
stellungen ist der Blick gesenkt und ernst, lange blonde Haare
fallen über die Schultern, die Hände gekreuzt auf der Brust oder
erhoben und mit den Fingerspitzen sichberührend, um das Haupt
Sonnenlicht, ein Kranz von zwölf Sternen. Die Symbole suchte
man, zur Vermeidung des Hieroglyphischen, malerisch zu
verschleiern, indem man sie in einer Landschaft vertheilte, die
etwa den Eindruck eines englischen Parks macht.

Einen Punkt gab es jedoch, in dem der junge Meister
wagte, sich auf eigene Füsse zu stellen. Unter den Merkmalen,
die Pacheco in seinem Kanon aufstellte (II, 189 f.) war auch eines,
das nicht symbolisch war: "Ihre Leibesschönheit, sagte er, war
ein Wunder". Das ist leicht zu malen in Versen, schwer für
die Augen, die ungläubiger sind als die Ohren. Das Mysterium
fiel hiernach in die Competenz der Idealisten, und jene Roma-
nisten hatten auch ein Ideal beabsichtigt, obwol man es ihnen
kaum ansieht.

Diesen kümmerlichen Idealismus konnte Velazquez nicht
mitmachen. Er wusste nur nach Modellen zu malen und hätte
schwerlich begriffen, wie man die Natur korrigiren könne. Er
wählte ein Mädchen aus dem Volke, ein Kind der Armuth wahr-
scheinlich, die allein sich dazu verstanden; ein ordentliches Kind,
das dieses Geschäft wol auch als frommes Werk betrachtete.

Kirchenbilder.

Diess war nun ein Gegenstand, der nur im Anschluss an
die Ueberlieferung dargestellt werden konnte; sonst hätte auch
ein vorzügliches Kunstwerk mehr Anstoss als Beifall erwarten
dürfen. Für poetische Erfindung war kein Platz, für malerische
war die Zeit noch nicht gekommen. Ein Anfänger also, der
seine Studien an Köchen und Strassenfiguren gemacht, und dem
ein Censor wie sein Schwiegervater zur Seite stand, musste
sich hier in keiner geringen Verlegenheit befinden. Der Ge-
genstand war überdies schon von den ersten Malern in ange-
sehenen Bildern behandelt worden.

Die „unbefleckte Empfängniss“ wurde damals nur noch
symbolisch versinnlicht. Die historische Darstellung des Mittel-
alters, die Begegnung der Eltern an der goldenen Pforte, oder
die vorhergegangenen Engelserscheinungen entsprachen nicht
mehr der Empfindungweise des Zeitalters. Man legte jene Vision
der Apokalypse zu Grunde: eine in Wolken schwebende Gestalt,
das Bild jungfräulicher Reinheit, über dessen theologische Be-
deutung Sinnbilder Aufschluss gaben. In den spanischen Dar-
stellungen ist der Blick gesenkt und ernst, lange blonde Haare
fallen über die Schultern, die Hände gekreuzt auf der Brust oder
erhoben und mit den Fingerspitzen sichberührend, um das Haupt
Sonnenlicht, ein Kranz von zwölf Sternen. Die Symbole suchte
man, zur Vermeidung des Hieroglyphischen, malerisch zu
verschleiern, indem man sie in einer Landschaft vertheilte, die
etwa den Eindruck eines englischen Parks macht.

Einen Punkt gab es jedoch, in dem der junge Meister
wagte, sich auf eigene Füsse zu stellen. Unter den Merkmalen,
die Pacheco in seinem Kanon aufstellte (II, 189 f.) war auch eines,
das nicht symbolisch war: „Ihre Leibesschönheit, sagte er, war
ein Wunder“. Das ist leicht zu malen in Versen, schwer für
die Augen, die ungläubiger sind als die Ohren. Das Mysterium
fiel hiernach in die Competenz der Idealisten, und jene Roma-
nisten hatten auch ein Ideal beabsichtigt, obwol man es ihnen
kaum ansieht.

Diesen kümmerlichen Idealismus konnte Velazquez nicht
mitmachen. Er wusste nur nach Modellen zu malen und hätte
schwerlich begriffen, wie man die Natur korrigiren könne. Er
wählte ein Mädchen aus dem Volke, ein Kind der Armuth wahr-
scheinlich, die allein sich dazu verstanden; ein ordentliches Kind,
das dieses Geschäft wol auch als frommes Werk betrachtete.

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[143/0163] Kirchenbilder. Diess war nun ein Gegenstand, der nur im Anschluss an die Ueberlieferung dargestellt werden konnte; sonst hätte auch ein vorzügliches Kunstwerk mehr Anstoss als Beifall erwarten dürfen. Für poetische Erfindung war kein Platz, für malerische war die Zeit noch nicht gekommen. Ein Anfänger also, der seine Studien an Köchen und Strassenfiguren gemacht, und dem ein Censor wie sein Schwiegervater zur Seite stand, musste sich hier in keiner geringen Verlegenheit befinden. Der Ge- genstand war überdies schon von den ersten Malern in ange- sehenen Bildern behandelt worden. Die „unbefleckte Empfängniss“ wurde damals nur noch symbolisch versinnlicht. Die historische Darstellung des Mittel- alters, die Begegnung der Eltern an der goldenen Pforte, oder die vorhergegangenen Engelserscheinungen entsprachen nicht mehr der Empfindungweise des Zeitalters. Man legte jene Vision der Apokalypse zu Grunde: eine in Wolken schwebende Gestalt, das Bild jungfräulicher Reinheit, über dessen theologische Be- deutung Sinnbilder Aufschluss gaben. In den spanischen Dar- stellungen ist der Blick gesenkt und ernst, lange blonde Haare fallen über die Schultern, die Hände gekreuzt auf der Brust oder erhoben und mit den Fingerspitzen sichberührend, um das Haupt Sonnenlicht, ein Kranz von zwölf Sternen. Die Symbole suchte man, zur Vermeidung des Hieroglyphischen, malerisch zu verschleiern, indem man sie in einer Landschaft vertheilte, die etwa den Eindruck eines englischen Parks macht. Einen Punkt gab es jedoch, in dem der junge Meister wagte, sich auf eigene Füsse zu stellen. Unter den Merkmalen, die Pacheco in seinem Kanon aufstellte (II, 189 f.) war auch eines, das nicht symbolisch war: „Ihre Leibesschönheit, sagte er, war ein Wunder“. Das ist leicht zu malen in Versen, schwer für die Augen, die ungläubiger sind als die Ohren. Das Mysterium fiel hiernach in die Competenz der Idealisten, und jene Roma- nisten hatten auch ein Ideal beabsichtigt, obwol man es ihnen kaum ansieht. Diesen kümmerlichen Idealismus konnte Velazquez nicht mitmachen. Er wusste nur nach Modellen zu malen und hätte schwerlich begriffen, wie man die Natur korrigiren könne. Er wählte ein Mädchen aus dem Volke, ein Kind der Armuth wahr- scheinlich, die allein sich dazu verstanden; ein ordentliches Kind, das dieses Geschäft wol auch als frommes Werk betrachtete.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/163>, abgerufen am 25.11.2024.