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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Die Lehrjahre.
hat durch das Beispiel seiner Sittenbilder; da zeigte er ihm eine
Nebengattung, wo er seinem natürlichen Hang nachgehen konnte.

Wäre nun der grössere Künstler immer auch der bessere
Lehrer, so könnte man hier den figürlichen Ausdruck "vom
Pferd auf den Esel" anwenden. Der feurige andalusische Rappe
hatte ihn abgeworfen, auf dem vorsichtigen Grauschimmel hat
er den langen Weg bis zur Meisterschaft ohne Störung zurück-
gelegt. Auch Lope in seinem "Lorbeer des Apollo", wo mit
lauter Licht gemalt ist, macht letzteren doch zu einem kleinen Licht:
y adonde Herrera es sol, Pacheco estrella.

Verschiedener geartete Männer hat es wol nie nebeneinander
gegeben, als diese beiden Francisco's. Jener war ein geborner
Maler, ein Maler von Temperament, dieser ein vielseitig gebil-
deter und begabter Mann, aber so wenig Maler, dass er sich viel
mehr einbildete auf die Orthodoxie seiner Werke, als auf das
was ihn als Künstler allein hätte bekümmern dürfen. Bei Herrera
war damals bereits alles Improvisation, bei Pacheco wurde kein
Schritt gethan ohne einen Blick auf die §§ und die Commissions-
berathung. Auf den unverträglichen einsiedlerischen Recken
folgte eines jener kleinen Männchen, die den Mund nicht aufthun
können, ohne eine grosse oder kleine Berühmtheit namhaft zu
machen, deren Freund sich nennen zu dürfen sie immer so glück-
lich sind. Wer, die Augen noch voll von des Schülers lebenath-
menden lienzos im Museo des Prado, vor des Schwiegervaters höl-
zerne Heiligen tritt, wird wol mit Richard Ford ausrufen: Gar
keinen Einfluss irgendwelcher Art kann Pacheco auf den Stil seines
Schülers ausgeübt haben! 1).

Er war damals noch in gehobener Stimmung nach der
Vollendung und den vernommenen Lobeserhebungen seines
Jüngsten Gerichts (1614). Dann wurde der heil. Sebastian unter-
nommen. Was mag der siebzehnjährige im stillen gedacht haben,
als er ihm dabei zusah? Warum war der gute Mann nicht bei
jenen kleinen Bildnissen berühmter Zeitgenossen geblieben, statt
sich mit seiner schwachen Barke auf diess hohe Meer zu wagen?
Später soll er einmal gesagt haben, als man ihm vorwarf, dass
er nicht ernstere Gegenstände mit mehr Reiz und Schönheit
male, in welchen er Raphael nacheifern könne: er wolle lieber
der erste sein in jenem groben Fach als der zweite im feinen 2).


1) Penny Cyclopaedia, Art. Velazquez.
2) Que mas queria ser primero en aquella groseria, que segundo en la deli-
cadeza. Palomino III, 323.
8

Die Lehrjahre.
hat durch das Beispiel seiner Sittenbilder; da zeigte er ihm eine
Nebengattung, wo er seinem natürlichen Hang nachgehen konnte.

Wäre nun der grössere Künstler immer auch der bessere
Lehrer, so könnte man hier den figürlichen Ausdruck „vom
Pferd auf den Esel“ anwenden. Der feurige andalusische Rappe
hatte ihn abgeworfen, auf dem vorsichtigen Grauschimmel hat
er den langen Weg bis zur Meisterschaft ohne Störung zurück-
gelegt. Auch Lope in seinem „Lorbeer des Apollo“, wo mit
lauter Licht gemalt ist, macht letzteren doch zu einem kleinen Licht:
y adonde Herrera es sol, Pacheco estrella.

Verschiedener geartete Männer hat es wol nie nebeneinander
gegeben, als diese beiden Francisco’s. Jener war ein geborner
Maler, ein Maler von Temperament, dieser ein vielseitig gebil-
deter und begabter Mann, aber so wenig Maler, dass er sich viel
mehr einbildete auf die Orthodoxie seiner Werke, als auf das
was ihn als Künstler allein hätte bekümmern dürfen. Bei Herrera
war damals bereits alles Improvisation, bei Pacheco wurde kein
Schritt gethan ohne einen Blick auf die §§ und die Commissions-
berathung. Auf den unverträglichen einsiedlerischen Recken
folgte eines jener kleinen Männchen, die den Mund nicht aufthun
können, ohne eine grosse oder kleine Berühmtheit namhaft zu
machen, deren Freund sich nennen zu dürfen sie immer so glück-
lich sind. Wer, die Augen noch voll von des Schülers lebenath-
menden lienzos im Museo des Prado, vor des Schwiegervaters höl-
zerne Heiligen tritt, wird wol mit Richard Ford ausrufen: Gar
keinen Einfluss irgendwelcher Art kann Pacheco auf den Stil seines
Schülers ausgeübt haben! 1).

Er war damals noch in gehobener Stimmung nach der
Vollendung und den vernommenen Lobeserhebungen seines
Jüngsten Gerichts (1614). Dann wurde der heil. Sebastian unter-
nommen. Was mag der siebzehnjährige im stillen gedacht haben,
als er ihm dabei zusah? Warum war der gute Mann nicht bei
jenen kleinen Bildnissen berühmter Zeitgenossen geblieben, statt
sich mit seiner schwachen Barke auf diess hohe Meer zu wagen?
Später soll er einmal gesagt haben, als man ihm vorwarf, dass
er nicht ernstere Gegenstände mit mehr Reiz und Schönheit
male, in welchen er Raphael nacheifern könne: er wolle lieber
der erste sein in jenem groben Fach als der zweite im feinen 2).


1) Penny Cyclopaedia, Art. Velazquez.
2) Que mas queria ser primero en aquella groseria, que segundo en la deli-
cadeza. Palomino III, 323.
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[113/0133] Die Lehrjahre. hat durch das Beispiel seiner Sittenbilder; da zeigte er ihm eine Nebengattung, wo er seinem natürlichen Hang nachgehen konnte. Wäre nun der grössere Künstler immer auch der bessere Lehrer, so könnte man hier den figürlichen Ausdruck „vom Pferd auf den Esel“ anwenden. Der feurige andalusische Rappe hatte ihn abgeworfen, auf dem vorsichtigen Grauschimmel hat er den langen Weg bis zur Meisterschaft ohne Störung zurück- gelegt. Auch Lope in seinem „Lorbeer des Apollo“, wo mit lauter Licht gemalt ist, macht letzteren doch zu einem kleinen Licht: y adonde Herrera es sol, Pacheco estrella. Verschiedener geartete Männer hat es wol nie nebeneinander gegeben, als diese beiden Francisco’s. Jener war ein geborner Maler, ein Maler von Temperament, dieser ein vielseitig gebil- deter und begabter Mann, aber so wenig Maler, dass er sich viel mehr einbildete auf die Orthodoxie seiner Werke, als auf das was ihn als Künstler allein hätte bekümmern dürfen. Bei Herrera war damals bereits alles Improvisation, bei Pacheco wurde kein Schritt gethan ohne einen Blick auf die §§ und die Commissions- berathung. Auf den unverträglichen einsiedlerischen Recken folgte eines jener kleinen Männchen, die den Mund nicht aufthun können, ohne eine grosse oder kleine Berühmtheit namhaft zu machen, deren Freund sich nennen zu dürfen sie immer so glück- lich sind. Wer, die Augen noch voll von des Schülers lebenath- menden lienzos im Museo des Prado, vor des Schwiegervaters höl- zerne Heiligen tritt, wird wol mit Richard Ford ausrufen: Gar keinen Einfluss irgendwelcher Art kann Pacheco auf den Stil seines Schülers ausgeübt haben! 1). Er war damals noch in gehobener Stimmung nach der Vollendung und den vernommenen Lobeserhebungen seines Jüngsten Gerichts (1614). Dann wurde der heil. Sebastian unter- nommen. Was mag der siebzehnjährige im stillen gedacht haben, als er ihm dabei zusah? Warum war der gute Mann nicht bei jenen kleinen Bildnissen berühmter Zeitgenossen geblieben, statt sich mit seiner schwachen Barke auf diess hohe Meer zu wagen? Später soll er einmal gesagt haben, als man ihm vorwarf, dass er nicht ernstere Gegenstände mit mehr Reiz und Schönheit male, in welchen er Raphael nacheifern könne: er wolle lieber der erste sein in jenem groben Fach als der zweite im feinen 2). 1) Penny Cyclopaedia, Art. Velazquez. 2) Que mas queria ser primero en aquella groseria, que segundo en la deli- cadeza. Palomino III, 323. 8

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/133>, abgerufen am 25.11.2024.