Natur auf blaues Papier mit Kohle, Rothstift oder Kreide zu zeichnen und die Lichter weiss aufzuhöhen. Was die Gewandung betrifft ....
Tr. Dieser Weg, wenn ich mir erlauben darf Euch zu unter- brechen, Meister, scheint mir denn doch ein wenig umständlich, jeden- falls passt er nicht zu Jedermanns Temperament. Mich dünkt, das Feuer der Eingebung, der Brio, ohne den das Werk, wie Leonardo zu sagen pflegte, zwiefach todt ist, müsste auf dem langen Wege erkalten. Die helle Flamme dieses göttlichen Feuers wird an den Studien und Versuchen sich verzehren, und für die Hauptsache, die Malerei, werden kaum ein paar glimmende Kohlen übrig bleiben. Ich würde bei meiner Jugend Euch nicht so ins Angesicht zu widersprechen wagen, wenn ich nicht jetzt viele unserer Maler ein ganz anderes Verfahren befolgen sähe, und mit dem grössten Erfolg bei den Aficionados. Sie meinen, wenn man sich hinreichende Richtigkeit des Auges und Sicherheit der Hand in der Nachahmung der Natur erworben habe, dann möge man mit dem ausgedachten Bilde im Kopf nur getrost und ohne weitere Präliminarien die Leinwand mit Farben bedecken. So hat es Zorzon gemacht, wie ich in den Malergeschichten des Mannes von Arezzo gelesen habe.
E. Wer Dir das gesagt hat, hat Dir einen recht liederlichen Rath gegeben, mein Junge. Leider hat die Sucht nach dem leidigen Mammon, die stärker wirkt als die Ehre der Wissenschaft, gar Viele heute auf diesen beklagenswerthen Weg der Leichtigkeit verlockt. Er schmeichelt der Bequemlichkeit, und oft ist die letzte Triebfeder erbärmliche Nach- lässigkeit [miserable negligencia. a. a. O. I, 409].
Tr. Ihr ereifert euch, Meister, und richtet strenge. Ihr wisst selbst am besten, wie wenig dies Euer Richten vielen gegenüber gerecht ist. Was ich sagte, habe ich von einem Manne, den Ihr und die Meisten nicht liebt, von dem aber Unbefangene aller Farben sagen, dass die sei- nige die Malerei der Zukunft ist, und einer grossen Zukunft.
E. Lassen wir die Personen und die Beweggründe! A fructibus eorum cognoscetis eos. Sehen die Schulen heutiges Tages nicht aus wie die Sekten der Ketzer? Statt der Einheit der alten Zeit, die der Ein- heit des Glaubens glich, schlägt jeglicher seinen eigenen Weg ein, wie die Füchse des Simson, von denen unser göttlicher Dichter Prudentius sagt: sic callida vulpis nunc haeresis flammas vitiorum spargit in agros (Diptychon 18). Da sind Lehrer, welche die einfältigen Schüler belehren, nein, verkehren (instruyendo, no, destruyendo), mit geborgten Umrissen, ohne Uebung im Zeichnen, frisch drauf los Gemälde zu komponiren. Ja ich kannte einen, und er bildete sich ein kein kleines Ingenium zu sein, der seinen Jüngern verbot, nach Vorbildern zu zeichnen, sie antrieb, ohne Grundsätze, ohne
Dialog über die Malerei.
Natur auf blaues Papier mit Kohle, Rothstift oder Kreide zu zeichnen und die Lichter weiss aufzuhöhen. Was die Gewandung betrifft ....
Tr. Dieser Weg, wenn ich mir erlauben darf Euch zu unter- brechen, Meister, scheint mir denn doch ein wenig umständlich, jeden- falls passt er nicht zu Jedermanns Temperament. Mich dünkt, das Feuer der Eingebung, der Brio, ohne den das Werk, wie Leonardo zu sagen pflegte, zwiefach todt ist, müsste auf dem langen Wege erkalten. Die helle Flamme dieses göttlichen Feuers wird an den Studien und Versuchen sich verzehren, und für die Hauptsache, die Malerei, werden kaum ein paar glimmende Kohlen übrig bleiben. Ich würde bei meiner Jugend Euch nicht so ins Angesicht zu widersprechen wagen, wenn ich nicht jetzt viele unserer Maler ein ganz anderes Verfahren befolgen sähe, und mit dem grössten Erfolg bei den Aficionados. Sie meinen, wenn man sich hinreichende Richtigkeit des Auges und Sicherheit der Hand in der Nachahmung der Natur erworben habe, dann möge man mit dem ausgedachten Bilde im Kopf nur getrost und ohne weitere Präliminarien die Leinwand mit Farben bedecken. So hat es Zorzon gemacht, wie ich in den Malergeschichten des Mannes von Arezzo gelesen habe.
E. Wer Dir das gesagt hat, hat Dir einen recht liederlichen Rath gegeben, mein Junge. Leider hat die Sucht nach dem leidigen Mammon, die stärker wirkt als die Ehre der Wissenschaft, gar Viele heute auf diesen beklagenswerthen Weg der Leichtigkeit verlockt. Er schmeichelt der Bequemlichkeit, und oft ist die letzte Triebfeder erbärmliche Nach- lässigkeit [miserable negligencia. a. a. O. I, 409].
Tr. Ihr ereifert euch, Meister, und richtet strenge. Ihr wisst selbst am besten, wie wenig dies Euer Richten vielen gegenüber gerecht ist. Was ich sagte, habe ich von einem Manne, den Ihr und die Meisten nicht liebt, von dem aber Unbefangene aller Farben sagen, dass die sei- nige die Malerei der Zukunft ist, und einer grossen Zukunft.
E. Lassen wir die Personen und die Beweggründe! A fructibus eorum cognoscetis eos. Sehen die Schulen heutiges Tages nicht aus wie die Sekten der Ketzer? Statt der Einheit der alten Zeit, die der Ein- heit des Glaubens glich, schlägt jeglicher seinen eigenen Weg ein, wie die Füchse des Simson, von denen unser göttlicher Dichter Prudentius sagt: sic callida vulpis nunc haeresis flammas vitiorum spargit in agros (Diptychon 18). Da sind Lehrer, welche die einfältigen Schüler belehren, nein, verkehren (instruyendo, no, destruyendo), mit geborgten Umrissen, ohne Uebung im Zeichnen, frisch drauf los Gemälde zu komponiren. Ja ich kannte einen, und er bildete sich ein kein kleines Ingenium zu sein, der seinen Jüngern verbot, nach Vorbildern zu zeichnen, sie antrieb, ohne Grundsätze, ohne
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[95/0115]
Dialog über die Malerei.
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und die Lichter weiss aufzuhöhen. Was die Gewandung betrifft ....
Tr. Dieser Weg, wenn ich mir erlauben darf Euch zu unter-
brechen, Meister, scheint mir denn doch ein wenig umständlich, jeden-
falls passt er nicht zu Jedermanns Temperament. Mich dünkt, das
Feuer der Eingebung, der Brio, ohne den das Werk, wie Leonardo zu
sagen pflegte, zwiefach todt ist, müsste auf dem langen Wege erkalten.
Die helle Flamme dieses göttlichen Feuers wird an den Studien und
Versuchen sich verzehren, und für die Hauptsache, die Malerei, werden
kaum ein paar glimmende Kohlen übrig bleiben. Ich würde bei meiner
Jugend Euch nicht so ins Angesicht zu widersprechen wagen, wenn ich
nicht jetzt viele unserer Maler ein ganz anderes Verfahren befolgen sähe,
und mit dem grössten Erfolg bei den Aficionados. Sie meinen, wenn
man sich hinreichende Richtigkeit des Auges und Sicherheit der Hand
in der Nachahmung der Natur erworben habe, dann möge man mit dem
ausgedachten Bilde im Kopf nur getrost und ohne weitere Präliminarien
die Leinwand mit Farben bedecken. So hat es Zorzon gemacht, wie
ich in den Malergeschichten des Mannes von Arezzo gelesen habe.
E. Wer Dir das gesagt hat, hat Dir einen recht liederlichen Rath
gegeben, mein Junge. Leider hat die Sucht nach dem leidigen Mammon,
die stärker wirkt als die Ehre der Wissenschaft, gar Viele heute auf
diesen beklagenswerthen Weg der Leichtigkeit verlockt. Er schmeichelt
der Bequemlichkeit, und oft ist die letzte Triebfeder erbärmliche Nach-
lässigkeit [miserable negligencia. a. a. O. I, 409].
Tr. Ihr ereifert euch, Meister, und richtet strenge. Ihr wisst
selbst am besten, wie wenig dies Euer Richten vielen gegenüber gerecht
ist. Was ich sagte, habe ich von einem Manne, den Ihr und die Meisten
nicht liebt, von dem aber Unbefangene aller Farben sagen, dass die sei-
nige die Malerei der Zukunft ist, und einer grossen Zukunft.
E. Lassen wir die Personen und die Beweggründe! A fructibus
eorum cognoscetis eos. Sehen die Schulen heutiges Tages nicht aus wie
die Sekten der Ketzer? Statt der Einheit der alten Zeit, die der Ein-
heit des Glaubens glich, schlägt jeglicher seinen eigenen Weg ein, wie die
Füchse des Simson, von denen unser göttlicher Dichter Prudentius sagt:
sic callida vulpis
nunc haeresis flammas vitiorum spargit in agros (Diptychon 18).
Da sind Lehrer, welche die einfältigen Schüler belehren, nein, verkehren
(instruyendo, no, destruyendo), mit geborgten Umrissen, ohne Uebung im
Zeichnen, frisch drauf los Gemälde zu komponiren. Ja ich kannte einen,
und er bildete sich ein kein kleines Ingenium zu sein, der seinen Jüngern
verbot, nach Vorbildern zu zeichnen, sie antrieb, ohne Grundsätze, ohne
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/115>, abgerufen am 25.11.2024.
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