Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Geschichte des Erd-Cörpers. Berlin, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Abschn. Von der Beschaffenheit
rienzell in Steyermark gethan hätte; so würde er von
der Unrichtigkeit seines Lehrgebäudes auf das sinn-
lichste überzeuget worden seyn. Wenn man von Wien
aus nach diesem berühmten Wällfarthsorthe reiset; so
findet man auf dem Wege nichts als steile von aller
Dammerde entblößte und wie Mauern in die Wolken
steigende Felsen, die allenthalben fast senkrecht abge-
schnitten sind. Die Thäler, in welchen die Landstraße
hingehet, sind so enge, daß sie an den meisten Orthen
kaum hundert bis dreyhundert Schritte breit sind; und
die erstaunlich jähen und hohen Felsen scheinen denen
Reisenden über dem Kopfe einstürzen zu wollen; wie
denn bereits heruntergestürzte Felsenstücke zuweilen von
vielen hundert Centnern in diesen engen Thälern lie-
gen. Wenn dieses der Rücken oder der Kern dieser
Gebirge ist; wo sind die Mittel- und Vorgebirge?
Diese steilen und hohen Felsen gehen in einer Weite
von sechs bis sieben Meilen allenthalben also fort, und
man hat mir sagen wollen, daß der größte Theil der
Gebirge in Steyermark, Cärnthen und Crain keine
andere Beschaffenheit habe. Nichts als steile und
sehr hohe kahle Felsen, die allenthalben mit sehr en-
gen Thälern durchschnitten sind. Wollte man sagen,
daß diese jähen und hohen Felsen in einer großen Län-
ge den Rücken oder Kern des Gebirges ausmachten,
und daß dieser Rücken oder Kern nur so große und
weite Spalten habe, wodurch die vorhingedachten en-
gen Thäler gebildet würden; so hat diese Vorstellung
gleichfalls keinen Grund. Auf beyden Seiten der
Straße nach Marienzell haben die Gebirge auf einige
Meilen weit gleichfalls keine andere Beschaffenheit.

Nichts

I. Abſchn. Von der Beſchaffenheit
rienzell in Steyermark gethan haͤtte; ſo wuͤrde er von
der Unrichtigkeit ſeines Lehrgebaͤudes auf das ſinn-
lichſte uͤberzeuget worden ſeyn. Wenn man von Wien
aus nach dieſem beruͤhmten Waͤllfarthsorthe reiſet; ſo
findet man auf dem Wege nichts als ſteile von aller
Dammerde entbloͤßte und wie Mauern in die Wolken
ſteigende Felſen, die allenthalben faſt ſenkrecht abge-
ſchnitten ſind. Die Thaͤler, in welchen die Landſtraße
hingehet, ſind ſo enge, daß ſie an den meiſten Orthen
kaum hundert bis dreyhundert Schritte breit ſind; und
die erſtaunlich jaͤhen und hohen Felſen ſcheinen denen
Reiſenden uͤber dem Kopfe einſtuͤrzen zu wollen; wie
denn bereits heruntergeſtuͤrzte Felſenſtuͤcke zuweilen von
vielen hundert Centnern in dieſen engen Thaͤlern lie-
gen. Wenn dieſes der Ruͤcken oder der Kern dieſer
Gebirge iſt; wo ſind die Mittel- und Vorgebirge?
Dieſe ſteilen und hohen Felſen gehen in einer Weite
von ſechs bis ſieben Meilen allenthalben alſo fort, und
man hat mir ſagen wollen, daß der groͤßte Theil der
Gebirge in Steyermark, Caͤrnthen und Crain keine
andere Beſchaffenheit habe. Nichts als ſteile und
ſehr hohe kahle Felſen, die allenthalben mit ſehr en-
gen Thaͤlern durchſchnitten ſind. Wollte man ſagen,
daß dieſe jaͤhen und hohen Felſen in einer großen Laͤn-
ge den Ruͤcken oder Kern des Gebirges ausmachten,
und daß dieſer Ruͤcken oder Kern nur ſo große und
weite Spalten habe, wodurch die vorhingedachten en-
gen Thaͤler gebildet wuͤrden; ſo hat dieſe Vorſtellung
gleichfalls keinen Grund. Auf beyden Seiten der
Straße nach Marienzell haben die Gebirge auf einige
Meilen weit gleichfalls keine andere Beſchaffenheit.

Nichts
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0082" n="54"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Ab&#x017F;chn. Von der Be&#x017F;chaffenheit</hi></fw><lb/>
rienzell in Steyermark gethan ha&#x0364;tte; &#x017F;o wu&#x0364;rde er von<lb/>
der Unrichtigkeit &#x017F;eines Lehrgeba&#x0364;udes auf das &#x017F;inn-<lb/>
lich&#x017F;te u&#x0364;berzeuget worden &#x017F;eyn. Wenn man von Wien<lb/>
aus nach die&#x017F;em beru&#x0364;hmten Wa&#x0364;llfarthsorthe rei&#x017F;et; &#x017F;o<lb/>
findet man auf dem Wege nichts als &#x017F;teile von aller<lb/>
Dammerde entblo&#x0364;ßte und wie Mauern in die Wolken<lb/>
&#x017F;teigende Fel&#x017F;en, die allenthalben fa&#x017F;t &#x017F;enkrecht abge-<lb/>
&#x017F;chnitten &#x017F;ind. Die Tha&#x0364;ler, in welchen die Land&#x017F;traße<lb/>
hingehet, &#x017F;ind &#x017F;o enge, daß &#x017F;ie an den mei&#x017F;ten Orthen<lb/>
kaum hundert bis dreyhundert Schritte breit &#x017F;ind; und<lb/>
die er&#x017F;taunlich ja&#x0364;hen und hohen Fel&#x017F;en &#x017F;cheinen denen<lb/>
Rei&#x017F;enden u&#x0364;ber dem Kopfe ein&#x017F;tu&#x0364;rzen zu wollen; wie<lb/>
denn bereits herunterge&#x017F;tu&#x0364;rzte Fel&#x017F;en&#x017F;tu&#x0364;cke zuweilen von<lb/>
vielen hundert Centnern in die&#x017F;en engen Tha&#x0364;lern lie-<lb/>
gen. Wenn die&#x017F;es der Ru&#x0364;cken oder der Kern die&#x017F;er<lb/>
Gebirge i&#x017F;t; wo &#x017F;ind die Mittel- und Vorgebirge?<lb/>
Die&#x017F;e &#x017F;teilen und hohen Fel&#x017F;en gehen in einer Weite<lb/>
von &#x017F;echs bis &#x017F;ieben Meilen allenthalben al&#x017F;o fort, und<lb/>
man hat mir &#x017F;agen wollen, daß der gro&#x0364;ßte Theil der<lb/>
Gebirge in Steyermark, Ca&#x0364;rnthen und Crain keine<lb/>
andere Be&#x017F;chaffenheit habe. Nichts als &#x017F;teile und<lb/>
&#x017F;ehr hohe kahle Fel&#x017F;en, die allenthalben mit &#x017F;ehr en-<lb/>
gen Tha&#x0364;lern durch&#x017F;chnitten &#x017F;ind. Wollte man &#x017F;agen,<lb/>
daß die&#x017F;e ja&#x0364;hen und hohen Fel&#x017F;en in einer großen La&#x0364;n-<lb/>
ge den Ru&#x0364;cken oder Kern des Gebirges ausmachten,<lb/>
und daß die&#x017F;er Ru&#x0364;cken oder Kern nur &#x017F;o große und<lb/>
weite Spalten habe, wodurch die vorhingedachten en-<lb/>
gen Tha&#x0364;ler gebildet wu&#x0364;rden; &#x017F;o hat die&#x017F;e Vor&#x017F;tellung<lb/>
gleichfalls keinen Grund. Auf beyden Seiten der<lb/>
Straße nach Marienzell haben die Gebirge auf einige<lb/>
Meilen weit gleichfalls keine andere Be&#x017F;chaffenheit.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Nichts</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0082] I. Abſchn. Von der Beſchaffenheit rienzell in Steyermark gethan haͤtte; ſo wuͤrde er von der Unrichtigkeit ſeines Lehrgebaͤudes auf das ſinn- lichſte uͤberzeuget worden ſeyn. Wenn man von Wien aus nach dieſem beruͤhmten Waͤllfarthsorthe reiſet; ſo findet man auf dem Wege nichts als ſteile von aller Dammerde entbloͤßte und wie Mauern in die Wolken ſteigende Felſen, die allenthalben faſt ſenkrecht abge- ſchnitten ſind. Die Thaͤler, in welchen die Landſtraße hingehet, ſind ſo enge, daß ſie an den meiſten Orthen kaum hundert bis dreyhundert Schritte breit ſind; und die erſtaunlich jaͤhen und hohen Felſen ſcheinen denen Reiſenden uͤber dem Kopfe einſtuͤrzen zu wollen; wie denn bereits heruntergeſtuͤrzte Felſenſtuͤcke zuweilen von vielen hundert Centnern in dieſen engen Thaͤlern lie- gen. Wenn dieſes der Ruͤcken oder der Kern dieſer Gebirge iſt; wo ſind die Mittel- und Vorgebirge? Dieſe ſteilen und hohen Felſen gehen in einer Weite von ſechs bis ſieben Meilen allenthalben alſo fort, und man hat mir ſagen wollen, daß der groͤßte Theil der Gebirge in Steyermark, Caͤrnthen und Crain keine andere Beſchaffenheit habe. Nichts als ſteile und ſehr hohe kahle Felſen, die allenthalben mit ſehr en- gen Thaͤlern durchſchnitten ſind. Wollte man ſagen, daß dieſe jaͤhen und hohen Felſen in einer großen Laͤn- ge den Ruͤcken oder Kern des Gebirges ausmachten, und daß dieſer Ruͤcken oder Kern nur ſo große und weite Spalten habe, wodurch die vorhingedachten en- gen Thaͤler gebildet wuͤrden; ſo hat dieſe Vorſtellung gleichfalls keinen Grund. Auf beyden Seiten der Straße nach Marienzell haben die Gebirge auf einige Meilen weit gleichfalls keine andere Beſchaffenheit. Nichts

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_geschichte_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_geschichte_1771/82
Zitationshilfe: Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Geschichte des Erd-Cörpers. Berlin, 1771, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_geschichte_1771/82>, abgerufen am 21.11.2024.