schwindigkeit beruhet, die alle Vorstellung über- steiget?
Allein, sollten so sehr gespannte Triebfedern durch den Gebrauch in vielen Jahrtausenden nicht abgenu- tzet, und nach und nach etwas stumpf und matt wer- den? Das sollte die Vernunft allerdings vermuthen, wie ich oben gezeiget habe. Jndessen geschiehet es nicht. Wir sind hiervon auf das vollkommenste über- zeuget. Wenn z. E. die Triebfeder unsers Erdcör- pers in seiner Laufbahn um die Sonne matt und schlaff würde, ohne daß sich die anziehende Kraft der Sonne verminderte; so müßte nothwendig die Folge daraus entstehen, daß er, um seine Laufbahn um die Sonne zu vollenden, eine längere Zeit zubrächte. Die Jah- re würden also von Zeit zu Zeit immer länger werden; und wenn sich seine Kräfte in der Geschwindigkeit sei- nes Laufes nur jährlich um etwas sehr Geringes ver- minderten; so müßte doch dieses schon in hundert Jah- ren sehr merklich werden. Allein, wir haben nun- mehro schon seit fast zweytausend Jahren umständliche Nachrichten von dem Calenderwesen der Römer; und es zeiget sich nicht die geringste Spuhr, daß sich die Jahre verlängert hätten. Noch mehr, wir haben nunmehro von denen Beobachtungen des Himmels, so die Chineser seit fast viertausend Jahren angestellet ha- ben, genugsame Nachrichten erhalten. Die Zeit der großen Sonnenfinsternissen, welche die Chineser fast vor viertausend Jahren bemerket haben, trifft mit un- serer heutigen Berechnung von eben der Zeit, in wel- cher sich diese Finsternissen haben ereignen müssen, voll- kommen überein. Dieses könnte unmöglich statt fin-
den,
des Sonnenſyſtems.
ſchwindigkeit beruhet, die alle Vorſtellung uͤber- ſteiget?
Allein, ſollten ſo ſehr geſpannte Triebfedern durch den Gebrauch in vielen Jahrtauſenden nicht abgenu- tzet, und nach und nach etwas ſtumpf und matt wer- den? Das ſollte die Vernunft allerdings vermuthen, wie ich oben gezeiget habe. Jndeſſen geſchiehet es nicht. Wir ſind hiervon auf das vollkommenſte uͤber- zeuget. Wenn z. E. die Triebfeder unſers Erdcoͤr- pers in ſeiner Laufbahn um die Sonne matt und ſchlaff wuͤrde, ohne daß ſich die anziehende Kraft der Sonne verminderte; ſo muͤßte nothwendig die Folge daraus entſtehen, daß er, um ſeine Laufbahn um die Sonne zu vollenden, eine laͤngere Zeit zubraͤchte. Die Jah- re wuͤrden alſo von Zeit zu Zeit immer laͤnger werden; und wenn ſich ſeine Kraͤfte in der Geſchwindigkeit ſei- nes Laufes nur jaͤhrlich um etwas ſehr Geringes ver- minderten; ſo muͤßte doch dieſes ſchon in hundert Jah- ren ſehr merklich werden. Allein, wir haben nun- mehro ſchon ſeit faſt zweytauſend Jahren umſtaͤndliche Nachrichten von dem Calenderweſen der Roͤmer; und es zeiget ſich nicht die geringſte Spuhr, daß ſich die Jahre verlaͤngert haͤtten. Noch mehr, wir haben nunmehro von denen Beobachtungen des Himmels, ſo die Chineſer ſeit faſt viertauſend Jahren angeſtellet ha- ben, genugſame Nachrichten erhalten. Die Zeit der großen Sonnenfinſterniſſen, welche die Chineſer faſt vor viertauſend Jahren bemerket haben, trifft mit un- ſerer heutigen Berechnung von eben der Zeit, in wel- cher ſich dieſe Finſterniſſen haben ereignen muͤſſen, voll- kommen uͤberein. Dieſes koͤnnte unmoͤglich ſtatt fin-
den,
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des Sonnenſyſtems.
ſchwindigkeit beruhet, die alle Vorſtellung uͤber-
ſteiget?
Allein, ſollten ſo ſehr geſpannte Triebfedern durch
den Gebrauch in vielen Jahrtauſenden nicht abgenu-
tzet, und nach und nach etwas ſtumpf und matt wer-
den? Das ſollte die Vernunft allerdings vermuthen,
wie ich oben gezeiget habe. Jndeſſen geſchiehet es
nicht. Wir ſind hiervon auf das vollkommenſte uͤber-
zeuget. Wenn z. E. die Triebfeder unſers Erdcoͤr-
pers in ſeiner Laufbahn um die Sonne matt und ſchlaff
wuͤrde, ohne daß ſich die anziehende Kraft der Sonne
verminderte; ſo muͤßte nothwendig die Folge daraus
entſtehen, daß er, um ſeine Laufbahn um die Sonne
zu vollenden, eine laͤngere Zeit zubraͤchte. Die Jah-
re wuͤrden alſo von Zeit zu Zeit immer laͤnger werden;
und wenn ſich ſeine Kraͤfte in der Geſchwindigkeit ſei-
nes Laufes nur jaͤhrlich um etwas ſehr Geringes ver-
minderten; ſo muͤßte doch dieſes ſchon in hundert Jah-
ren ſehr merklich werden. Allein, wir haben nun-
mehro ſchon ſeit faſt zweytauſend Jahren umſtaͤndliche
Nachrichten von dem Calenderweſen der Roͤmer; und
es zeiget ſich nicht die geringſte Spuhr, daß ſich die
Jahre verlaͤngert haͤtten. Noch mehr, wir haben
nunmehro von denen Beobachtungen des Himmels, ſo
die Chineſer ſeit faſt viertauſend Jahren angeſtellet ha-
ben, genugſame Nachrichten erhalten. Die Zeit der
großen Sonnenfinſterniſſen, welche die Chineſer faſt
vor viertauſend Jahren bemerket haben, trifft mit un-
ſerer heutigen Berechnung von eben der Zeit, in wel-
cher ſich dieſe Finſterniſſen haben ereignen muͤſſen, voll-
kommen uͤberein. Dieſes koͤnnte unmoͤglich ſtatt fin-
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Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Geschichte des Erd-Cörpers. Berlin, 1771, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_geschichte_1771/363>, abgerufen am 19.12.2024.
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