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Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Geschichte des Erd-Cörpers. Berlin, 1771.

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Einleitung.
wohl sein Auge, als übrige sinnlichen Werkzeuge, er-
kennen, daß sein Fuß auf einem festen Körper wan-
dele. Sie empfinden die zuweilen angenehmen, zu-
weilen aber unangenehmen Wirkungen der Luft, des
Regens, der Wärme und Kälte. Hieraus wird der-
selbe gar bald auf den Schluß gelenket, daß das-
jenige, wo er sich aufhält, ein besonderer Weltkörper
und ein Theil des unermeßlichen Ganzen sey, in
dessen Betrachtung sich sein unzureichendes Auge ver-
liehret.

So eingeschränkt auch der menschliche Verstand
ist, so ist er doch geschickt, immer von einer Erkennt-
niß zur andern fortzuschreiten. Wenn er sich in den
Zeiten seiner Einfalt und Kindheit sehr üble, und zu-
weilen lächerliche Begriffe von denen unzähligen Lich-
tern des Himmels machte, die ihm klare Nächte in
aller ihrer Pracht zeigten, so entdeckte er doch, nach
und nach, daß unter diesem unzähligen Heere der Ster-
ne sich einige befänden, welche ihre Stellen veränder-
ten, und einen gewissen Lauf beobachteten; dahinge-
gen die meisten unbeweglich ihren vorigen Ort des
Himmels beständig beybehielten. Der Mensch er-
kannte bald, daß einige von diesen beweglichen Ster-
nen einen richtigen, ordentlichen, und durch gewisse
Sätze bestimmten Lauf beobachteten; andre aber in ih-
rer Laufbahn nicht eben die Ordnung und das über-
einstimmende Verhältniß an sich wahrnehmen ließen.
Man nennte diese Cometen; und den erstern legte
man den Namen der Planeten bey; und man wurde
mit der Zeit gewahr, daß sie sich nach genauen Ge-
setzen um eben die Sonne bewegten, der unser eige-

ner

Einleitung.
wohl ſein Auge, als uͤbrige ſinnlichen Werkzeuge, er-
kennen, daß ſein Fuß auf einem feſten Koͤrper wan-
dele. Sie empfinden die zuweilen angenehmen, zu-
weilen aber unangenehmen Wirkungen der Luft, des
Regens, der Waͤrme und Kaͤlte. Hieraus wird der-
ſelbe gar bald auf den Schluß gelenket, daß das-
jenige, wo er ſich aufhaͤlt, ein beſonderer Weltkoͤrper
und ein Theil des unermeßlichen Ganzen ſey, in
deſſen Betrachtung ſich ſein unzureichendes Auge ver-
liehret.

So eingeſchraͤnkt auch der menſchliche Verſtand
iſt, ſo iſt er doch geſchickt, immer von einer Erkennt-
niß zur andern fortzuſchreiten. Wenn er ſich in den
Zeiten ſeiner Einfalt und Kindheit ſehr uͤble, und zu-
weilen laͤcherliche Begriffe von denen unzaͤhligen Lich-
tern des Himmels machte, die ihm klare Naͤchte in
aller ihrer Pracht zeigten, ſo entdeckte er doch, nach
und nach, daß unter dieſem unzaͤhligen Heere der Ster-
ne ſich einige befaͤnden, welche ihre Stellen veraͤnder-
ten, und einen gewiſſen Lauf beobachteten; dahinge-
gen die meiſten unbeweglich ihren vorigen Ort des
Himmels beſtaͤndig beybehielten. Der Menſch er-
kannte bald, daß einige von dieſen beweglichen Ster-
nen einen richtigen, ordentlichen, und durch gewiſſe
Saͤtze beſtimmten Lauf beobachteten; andre aber in ih-
rer Laufbahn nicht eben die Ordnung und das uͤber-
einſtimmende Verhaͤltniß an ſich wahrnehmen ließen.
Man nennte dieſe Cometen; und den erſtern legte
man den Namen der Planeten bey; und man wurde
mit der Zeit gewahr, daß ſie ſich nach genauen Ge-
ſetzen um eben die Sonne bewegten, der unſer eige-

ner
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[2/0030] Einleitung. wohl ſein Auge, als uͤbrige ſinnlichen Werkzeuge, er- kennen, daß ſein Fuß auf einem feſten Koͤrper wan- dele. Sie empfinden die zuweilen angenehmen, zu- weilen aber unangenehmen Wirkungen der Luft, des Regens, der Waͤrme und Kaͤlte. Hieraus wird der- ſelbe gar bald auf den Schluß gelenket, daß das- jenige, wo er ſich aufhaͤlt, ein beſonderer Weltkoͤrper und ein Theil des unermeßlichen Ganzen ſey, in deſſen Betrachtung ſich ſein unzureichendes Auge ver- liehret. So eingeſchraͤnkt auch der menſchliche Verſtand iſt, ſo iſt er doch geſchickt, immer von einer Erkennt- niß zur andern fortzuſchreiten. Wenn er ſich in den Zeiten ſeiner Einfalt und Kindheit ſehr uͤble, und zu- weilen laͤcherliche Begriffe von denen unzaͤhligen Lich- tern des Himmels machte, die ihm klare Naͤchte in aller ihrer Pracht zeigten, ſo entdeckte er doch, nach und nach, daß unter dieſem unzaͤhligen Heere der Ster- ne ſich einige befaͤnden, welche ihre Stellen veraͤnder- ten, und einen gewiſſen Lauf beobachteten; dahinge- gen die meiſten unbeweglich ihren vorigen Ort des Himmels beſtaͤndig beybehielten. Der Menſch er- kannte bald, daß einige von dieſen beweglichen Ster- nen einen richtigen, ordentlichen, und durch gewiſſe Saͤtze beſtimmten Lauf beobachteten; andre aber in ih- rer Laufbahn nicht eben die Ordnung und das uͤber- einſtimmende Verhaͤltniß an ſich wahrnehmen ließen. Man nennte dieſe Cometen; und den erſtern legte man den Namen der Planeten bey; und man wurde mit der Zeit gewahr, daß ſie ſich nach genauen Ge- ſetzen um eben die Sonne bewegten, der unſer eige- ner

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Zitationshilfe: Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Geschichte des Erd-Cörpers. Berlin, 1771, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_geschichte_1771/30>, abgerufen am 23.11.2024.