ne Staats- oder philosophische Frage. Frei- lich haben die schrecklichsten Beispiele von je her wenig gefruchtet; aber es ist die Frage, ob man der göttlichen Gerechtigkeit nicht sol- che Opfer schuldig sei? Vernunft und Offen- bahrung scheinen darauf Ja zu sagen, und dann hat man noch keine hinlängliche Erfah- rung, ob doch durch Hinwegnehmung eines solchen furchtbaren Zaunes, nicht das Uebel noch ärger würde.
§. 503. Noch schädlicher und gottloser, als gewaltsame öffentliche Diebstähle, ist der Betrug, die Vervortheilung, Verfolgung und Unterdrückung der Unterthanen unter einan- der, weil sie mehrentheils ungestraft begangen werden, und nach und nach zum Verderben und gänzlichen Ruine der armen Leidenden wirken. Hierher gehört auch besonders die gottlose Proceßsucht vieler Leute.
§. 504. Gänzlich kann freilich die Obrig- keit solche Blutigel nicht hindern, aber ein wachsames Aug derselben kann doch unaus- sprechlich vielen Nuzen schaffen. Das gröste Unglück ist, wenn Unterobrigkeiten und Be-
am-
Staatshaushaltung
ne Staats- oder philoſophiſche Frage. Frei- lich haben die ſchrecklichſten Beiſpiele von je her wenig gefruchtet; aber es iſt die Frage, ob man der goͤttlichen Gerechtigkeit nicht ſol- che Opfer ſchuldig ſei? Vernunft und Offen- bahrung ſcheinen darauf Ja zu ſagen, und dann hat man noch keine hinlaͤngliche Erfah- rung, ob doch durch Hinwegnehmung eines ſolchen furchtbaren Zaunes, nicht das Uebel noch aͤrger wuͤrde.
§. 503. Noch ſchaͤdlicher und gottloſer, als gewaltſame oͤffentliche Diebſtaͤhle, iſt der Betrug, die Vervortheilung, Verfolgung und Unterdruͤckung der Unterthanen unter einan- der, weil ſie mehrentheils ungeſtraft begangen werden, und nach und nach zum Verderben und gaͤnzlichen Ruine der armen Leidenden wirken. Hierher gehoͤrt auch beſonders die gottloſe Proceßſucht vieler Leute.
§. 504. Gaͤnzlich kann freilich die Obrig- keit ſolche Blutigel nicht hindern, aber ein wachſames Aug derſelben kann doch unaus- ſprechlich vielen Nuzen ſchaffen. Das groͤſte Ungluͤck iſt, wenn Unterobrigkeiten und Be-
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Staatshaushaltung
ne Staats- oder philoſophiſche Frage. Frei-
lich haben die ſchrecklichſten Beiſpiele von je
her wenig gefruchtet; aber es iſt die Frage,
ob man der goͤttlichen Gerechtigkeit nicht ſol-
che Opfer ſchuldig ſei? Vernunft und Offen-
bahrung ſcheinen darauf Ja zu ſagen, und
dann hat man noch keine hinlaͤngliche Erfah-
rung, ob doch durch Hinwegnehmung eines
ſolchen furchtbaren Zaunes, nicht das Uebel
noch aͤrger wuͤrde.
§. 503. Noch ſchaͤdlicher und gottloſer,
als gewaltſame oͤffentliche Diebſtaͤhle, iſt der
Betrug, die Vervortheilung, Verfolgung und
Unterdruͤckung der Unterthanen unter einan-
der, weil ſie mehrentheils ungeſtraft begangen
werden, und nach und nach zum Verderben und
gaͤnzlichen Ruine der armen Leidenden wirken.
Hierher gehoͤrt auch beſonders die gottloſe
Proceßſucht vieler Leute.
§. 504. Gaͤnzlich kann freilich die Obrig-
keit ſolche Blutigel nicht hindern, aber ein
wachſames Aug derſelben kann doch unaus-
ſprechlich vielen Nuzen ſchaffen. Das groͤſte
Ungluͤck iſt, wenn Unterobrigkeiten und Be-
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Jung-Stilling, Johann Heinrich: Versuch einer Grundlehre sämmtlicher Kameralwissenschaften. Lautern, 1779, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jungstilling_versuch_1779/268>, abgerufen am 16.07.2024.
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