kamen in Menge, und ich diente ihnen in Schwachheit, so viel und so gut ich konnte.
Den 23. reisten wir von Kleinwelke nach Herrenhut, wo wir im Gemeinlogis einkehrten, und auch alsbald von ver- schiedenen lieben Freunden besucht wurden. In Herrenhut genossen wir die Früchte der Bruderliebe in ihrer ganzen Fülle, und der Herr gab mir auch Gelegenheit, viel zu wirken und vie- len Leidenden zu dienen.
Ich trug auch der Unitätsältesten-Konferenz in Ber- tholsdorf den Wunsch des Kurfürsten von Baden, einen Brüdergemeindeort in seinen Staaten zu haben, vor; allein da man eben im Begriff war, die Gemeinde Königsfeld auf dem Schwarzwalde, im Würtembergischen, nahe an der Badischen Gränze, zu gründen, so konnte aus einem dop- pelten Grunde obiger Wunsch nicht gewährt werden; erstlich, weil die Anlage eines solchen Gemeindeorts sehr viel kostet, und zweitens, weil Königsfeld an der Badischen Gränze liegt, eine zweite Gemeinde in der Nähe also überflüßig seyn würde. Artig ist es indessen, daß einige Jahre später, durch einen Län- dertausch, Königsfeld unter Badische Hoheit kam, und also Karl Friedrichs frommer Wunsch doch noch erfüllt wurde.
Wir blieben bis den 9. Mai zu Herrenhut, und fuhren dann um 11 Uhr fünf Stunden weiter nach Görlitz, wohin ich auch von Augenkranken berufen wurde.
Görlitz ist eine äußerst angenehme, sehr nahrhafte und blü- hende Stadt; sie liegt auf einer schönen fruchtbaren Ebene, die sich gegen Morgen durch einen felsigen Absturz an das Flüßchen, die Neiße, anschließt. Auf diesem Felsen steht die prächtige Peter-Paulskirche, die durch ihre große und wunderbare Orgel, durch ihre große Glocke und unterirdische Kirche berühmt ist; der Sonnenaufgang über das Riesengebirge ist in dieser Stadt ein herrlicher Anblick. Gegen Südwesten in einer klei- nen Entfernung, steht der Berg, die Landeskrone, ganz einsam; hier scheint er gar nicht hoch zu seyu, und doch sieht man ihn in der ganzen Lausitz, sobald man nur ein wenig in die Höhe kommt. Die Ursache ist, weil in dieser Gegend das ganze Land am höchsten ist.
kamen in Menge, und ich diente ihnen in Schwachheit, ſo viel und ſo gut ich konnte.
Den 23. reisten wir von Kleinwelke nach Herrenhut, wo wir im Gemeinlogis einkehrten, und auch alsbald von ver- ſchiedenen lieben Freunden beſucht wurden. In Herrenhut genoſſen wir die Fruͤchte der Bruderliebe in ihrer ganzen Fuͤlle, und der Herr gab mir auch Gelegenheit, viel zu wirken und vie- len Leidenden zu dienen.
Ich trug auch der Unitaͤtsaͤlteſten-Konferenz in Ber- tholsdorf den Wunſch des Kurfuͤrſten von Baden, einen Bruͤdergemeindeort in ſeinen Staaten zu haben, vor; allein da man eben im Begriff war, die Gemeinde Koͤnigsfeld auf dem Schwarzwalde, im Wuͤrtembergiſchen, nahe an der Badiſchen Graͤnze, zu gruͤnden, ſo konnte aus einem dop- pelten Grunde obiger Wunſch nicht gewaͤhrt werden; erſtlich, weil die Anlage eines ſolchen Gemeindeorts ſehr viel koſtet, und zweitens, weil Koͤnigsfeld an der Badiſchen Graͤnze liegt, eine zweite Gemeinde in der Naͤhe alſo uͤberfluͤßig ſeyn wuͤrde. Artig iſt es indeſſen, daß einige Jahre ſpaͤter, durch einen Laͤn- dertauſch, Koͤnigsfeld unter Badiſche Hoheit kam, und alſo Karl Friedrichs frommer Wunſch doch noch erfuͤllt wurde.
Wir blieben bis den 9. Mai zu Herrenhut, und fuhren dann um 11 Uhr fuͤnf Stunden weiter nach Goͤrlitz, wohin ich auch von Augenkranken berufen wurde.
Goͤrlitz iſt eine aͤußerſt angenehme, ſehr nahrhafte und bluͤ- hende Stadt; ſie liegt auf einer ſchoͤnen fruchtbaren Ebene, die ſich gegen Morgen durch einen felſigen Abſturz an das Fluͤßchen, die Neiße, anſchließt. Auf dieſem Felſen ſteht die praͤchtige Peter-Paulskirche, die durch ihre große und wunderbare Orgel, durch ihre große Glocke und unterirdiſche Kirche beruͤhmt iſt; der Sonnenaufgang uͤber das Rieſengebirge iſt in dieſer Stadt ein herrlicher Anblick. Gegen Suͤdweſten in einer klei- nen Entfernung, ſteht der Berg, die Landeskrone, ganz einſam; hier ſcheint er gar nicht hoch zu ſeyu, und doch ſieht man ihn in der ganzen Lauſitz, ſobald man nur ein wenig in die Hoͤhe kommt. Die Urſache iſt, weil in dieſer Gegend das ganze Land am hoͤchſten iſt.
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kamen in Menge, und ich diente ihnen in Schwachheit, ſo viel
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Den 23. reisten wir von Kleinwelke nach Herrenhut,
wo wir im Gemeinlogis einkehrten, und auch alsbald von ver-
ſchiedenen lieben Freunden beſucht wurden. In Herrenhut
genoſſen wir die Fruͤchte der Bruderliebe in ihrer ganzen Fuͤlle,
und der Herr gab mir auch Gelegenheit, viel zu wirken und vie-
len Leidenden zu dienen.
Ich trug auch der Unitaͤtsaͤlteſten-Konferenz in Ber-
tholsdorf den Wunſch des Kurfuͤrſten von Baden, einen
Bruͤdergemeindeort in ſeinen Staaten zu haben, vor; allein da
man eben im Begriff war, die Gemeinde Koͤnigsfeld auf
dem Schwarzwalde, im Wuͤrtembergiſchen, nahe an
der Badiſchen Graͤnze, zu gruͤnden, ſo konnte aus einem dop-
pelten Grunde obiger Wunſch nicht gewaͤhrt werden; erſtlich,
weil die Anlage eines ſolchen Gemeindeorts ſehr viel koſtet, und
zweitens, weil Koͤnigsfeld an der Badiſchen Graͤnze liegt,
eine zweite Gemeinde in der Naͤhe alſo uͤberfluͤßig ſeyn wuͤrde.
Artig iſt es indeſſen, daß einige Jahre ſpaͤter, durch einen Laͤn-
dertauſch, Koͤnigsfeld unter Badiſche Hoheit kam, und
alſo Karl Friedrichs frommer Wunſch doch noch erfuͤllt wurde.
Wir blieben bis den 9. Mai zu Herrenhut, und fuhren
dann um 11 Uhr fuͤnf Stunden weiter nach Goͤrlitz, wohin
ich auch von Augenkranken berufen wurde.
Goͤrlitz iſt eine aͤußerſt angenehme, ſehr nahrhafte und bluͤ-
hende Stadt; ſie liegt auf einer ſchoͤnen fruchtbaren Ebene, die
ſich gegen Morgen durch einen felſigen Abſturz an das Fluͤßchen,
die Neiße, anſchließt. Auf dieſem Felſen ſteht die praͤchtige
Peter-Paulskirche, die durch ihre große und wunderbare
Orgel, durch ihre große Glocke und unterirdiſche Kirche beruͤhmt
iſt; der Sonnenaufgang uͤber das Rieſengebirge iſt in dieſer
Stadt ein herrlicher Anblick. Gegen Suͤdweſten in einer klei-
nen Entfernung, ſteht der Berg, die Landeskrone, ganz einſam;
hier ſcheint er gar nicht hoch zu ſeyu, und doch ſieht man ihn
in der ganzen Lauſitz, ſobald man nur ein wenig in die Hoͤhe
kommt. Die Urſache iſt, weil in dieſer Gegend das ganze Land
am hoͤchſten iſt.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 620. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/628>, abgerufen am 24.11.2024.
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