diese Ansicht wurde mein religiöser Grundtrieb nicht ausgelöscht, sondern ich gedachte ihn mit diesem Beruf zu verbinden; in die- ser Ueberzeugung blieb ich fünf und zwanzig Jahr ganz ruhig, und arbeitete mit aller Treue in meinem Beruf; dieses bewei- sen meine eilf Lehrbücher, und die große Menge von Abhandlun- gen, die ich während dieser Zeit geschrieben habe; mein Herz dachte -- besonders auch in meinem Alter, an keine Verände- rungen mehr, bis endlich das Heimweh zum mächtigen Mittel wurde, mich auf meinen eigentlichen Standpunkt zu stellen.
Wie unabsichtlich ich das Heimweh geschrieben habe, das wissen meine Leser aus diesem letzten Bande; die Vorbereitun- gen dazu, nämlich das Sammeln vieler Sentenzen, das Lesen humoristischer Schriften u. dergl. waren nicht im Geringsten planmäßig bei mir, aber planmäßig bei Gott -- der Entschluß, das Heimweh herauszugeben, war so wenig vorbedacht, daß ich mich erst dazu entschloß, als mich Krieger bat, ich möchte ihm doch etwas Aesthetisches ausarbeiten, und als ich anfing, war es noch gar nicht mein Zweck, ein Werk von einer solchen Bedeutung zu schreiben, als es mir unter den Händen ward, und als es sich hernach in seiner Wirkung zeigte -- dieser war und ist noch ungemein groß; es wirkt wie ein Ferment in allen vier Welttheilen -- dieß kann ich beweisen -- Jetzt kam von allen Seiten die Forderung an mich, mich ganz der religiö- sen Schrifstellerei zu widmen, ich sey von Gott dazu bestimmt, u. s. w. Der graue Mann, die Scenen aus dem Geisterreich, und die Siegsgeschichte, vermehrten und verstärkten diese Aufforderung meines aus vielen tausend guten Menschen bestehenden Publikums -- allein wie konnte ich diesen Stimmen Gehör geben? -- eine Menge häuslicher Hindernisse standen im Wege, -- meine Schulden waren noch nicht bezahlt -- und wo war der Fürst, der mich zu einem solchen ganz un- gewöhnlichen Zweck besoldete? -- Antwort: der Herr ränmte auf eine herrliche und göttliche Weise die Hindernisse aus dem Wege -- auf eine herrliche und göttliche Weise bezahlte er meine Schulden, und das Heimweh hatte den großen, guten und from- men Kurfürsten von Baden so vorbereitet, daß Er sich sogleich
dieſe Anſicht wurde mein religioͤſer Grundtrieb nicht ausgeloͤſcht, ſondern ich gedachte ihn mit dieſem Beruf zu verbinden; in die- ſer Ueberzeugung blieb ich fuͤnf und zwanzig Jahr ganz ruhig, und arbeitete mit aller Treue in meinem Beruf; dieſes bewei- ſen meine eilf Lehrbuͤcher, und die große Menge von Abhandlun- gen, die ich waͤhrend dieſer Zeit geſchrieben habe; mein Herz dachte — beſonders auch in meinem Alter, an keine Veraͤnde- rungen mehr, bis endlich das Heimweh zum maͤchtigen Mittel wurde, mich auf meinen eigentlichen Standpunkt zu ſtellen.
Wie unabſichtlich ich das Heimweh geſchrieben habe, das wiſſen meine Leſer aus dieſem letzten Bande; die Vorbereitun- gen dazu, naͤmlich das Sammeln vieler Sentenzen, das Leſen humoriſtiſcher Schriften u. dergl. waren nicht im Geringſten planmaͤßig bei mir, aber planmaͤßig bei Gott — der Entſchluß, das Heimweh herauszugeben, war ſo wenig vorbedacht, daß ich mich erſt dazu entſchloß, als mich Krieger bat, ich moͤchte ihm doch etwas Aeſthetiſches ausarbeiten, und als ich anfing, war es noch gar nicht mein Zweck, ein Werk von einer ſolchen Bedeutung zu ſchreiben, als es mir unter den Haͤnden ward, und als es ſich hernach in ſeiner Wirkung zeigte — dieſer war und iſt noch ungemein groß; es wirkt wie ein Ferment in allen vier Welttheilen — dieß kann ich beweiſen — Jetzt kam von allen Seiten die Forderung an mich, mich ganz der religioͤ- ſen Schrifſtellerei zu widmen, ich ſey von Gott dazu beſtimmt, u. ſ. w. Der graue Mann, die Scenen aus dem Geiſterreich, und die Siegsgeſchichte, vermehrten und verſtaͤrkten dieſe Aufforderung meines aus vielen tauſend guten Menſchen beſtehenden Publikums — allein wie konnte ich dieſen Stimmen Gehoͤr geben? — eine Menge haͤuslicher Hinderniſſe ſtanden im Wege, — meine Schulden waren noch nicht bezahlt — und wo war der Fuͤrſt, der mich zu einem ſolchen ganz un- gewoͤhnlichen Zweck beſoldete? — Antwort: der Herr raͤnmte auf eine herrliche und goͤttliche Weiſe die Hinderniſſe aus dem Wege — auf eine herrliche und goͤttliche Weiſe bezahlte er meine Schulden, und das Heimweh hatte den großen, guten und from- men Kurfuͤrſten von Baden ſo vorbereitet, daß Er ſich ſogleich
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dieſe Anſicht wurde mein religioͤſer Grundtrieb nicht ausgeloͤſcht,
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ſer Ueberzeugung blieb ich fuͤnf und zwanzig Jahr ganz ruhig,
und arbeitete mit aller Treue in meinem Beruf; dieſes bewei-
ſen meine eilf Lehrbuͤcher, und die große Menge von Abhandlun-
gen, die ich waͤhrend dieſer Zeit geſchrieben habe; mein Herz
dachte — beſonders auch in meinem Alter, an keine Veraͤnde-
rungen mehr, bis endlich das Heimweh zum maͤchtigen
Mittel wurde, mich auf meinen eigentlichen Standpunkt zu
ſtellen.
Wie unabſichtlich ich das Heimweh geſchrieben habe, das
wiſſen meine Leſer aus dieſem letzten Bande; die Vorbereitun-
gen dazu, naͤmlich das Sammeln vieler Sentenzen, das Leſen
humoriſtiſcher Schriften u. dergl. waren nicht im Geringſten
planmaͤßig bei mir, aber planmaͤßig bei Gott — der Entſchluß,
das Heimweh herauszugeben, war ſo wenig vorbedacht, daß
ich mich erſt dazu entſchloß, als mich Krieger bat, ich moͤchte
ihm doch etwas Aeſthetiſches ausarbeiten, und als ich anfing,
war es noch gar nicht mein Zweck, ein Werk von einer ſolchen
Bedeutung zu ſchreiben, als es mir unter den Haͤnden ward,
und als es ſich hernach in ſeiner Wirkung zeigte — dieſer war
und iſt noch ungemein groß; es wirkt wie ein Ferment in allen
vier Welttheilen — dieß kann ich beweiſen — Jetzt kam
von allen Seiten die Forderung an mich, mich ganz der religioͤ-
ſen Schrifſtellerei zu widmen, ich ſey von Gott dazu beſtimmt,
u. ſ. w. Der graue Mann, die Scenen aus dem
Geiſterreich, und die Siegsgeſchichte, vermehrten und
verſtaͤrkten dieſe Aufforderung meines aus vielen tauſend guten
Menſchen beſtehenden Publikums — allein wie konnte ich dieſen
Stimmen Gehoͤr geben? — eine Menge haͤuslicher Hinderniſſe
ſtanden im Wege, — meine Schulden waren noch nicht bezahlt
— und wo war der Fuͤrſt, der mich zu einem ſolchen ganz un-
gewoͤhnlichen Zweck beſoldete? — Antwort: der Herr raͤnmte
auf eine herrliche und goͤttliche Weiſe die Hinderniſſe aus dem
Wege — auf eine herrliche und goͤttliche Weiſe bezahlte er meine
Schulden, und das Heimweh hatte den großen, guten und from-
men Kurfuͤrſten von Baden ſo vorbereitet, daß Er ſich ſogleich
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 598. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/606>, abgerufen am 23.11.2024.
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