Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

wissen, es zu gebrauchen, und wozu es dienen
solle
. -- Durch diese hundert und achtzig Gulden wurde nun
das, was von der Schweizerreise noch übrig war, vermehrt,
also der Zug von Marburg und die Einrichtung einer neuen
Haushaltung an einem fremden Ort dadurch erleichtert; ich ver-
muthe aber, daß Stillingen noch Etwas bevorsteht, das die
Ursache enthält, warum ihm dies Geld zugewendet worden ist.

Guter Gott! welch eine Führung, wenn man sie mit unge-
trübtem Auge und unpartheiisch betrachtet! -- hätte Einer von
allen bisherigen Zügen der Vorsehung gefehlt, so wäre es nicht
möglich gewesen, diese Vokation anzunehmen; hätte Stilling
in der Schweiz nur sein Schuldenkapital und die Reisekosten
bekommen, so wäre das eine herrliche und sichtbare Gnade Got-
tes gewesen, aber dann hätte er doch in Marburg bleiben
müssen, weil es ihm an den Mitteln zum Fortziehen und zum
Einrichten an einem fremden Ort gefehlt hätte: denn in Mar-
burg
behielt er von allem seinem Einkommen nichts übrig.

Gelobt sey der Herr! Er ist noch der alte Bibelgott -- Ja!
Es heißt mit Recht: Ich bin, der ich war, und seyn
werde, immer der Nämliche. Jesus Christus ge-
stern, heute, und derselbe in Ewigkeit
!

Sonntag den 25. Junius zogen Jakob und Amalie unter
vielen Thränen aller Freunde, und unter den herzlichsten Seg-
nungen der Eltern nach Mannheim; und nun rüstete sich auch
Stilling und Elise zu ihrem Zug nach Heidelberg, wel-
chen Ort ihnen der Kurfürst zum künftigen Wohnplatz ange-
rathen
: denn sie können in den Baden'schen Ländern woh-
nen wo sie wollen, weil Stilling kein Amt hat, sondern nun
blos und allein dem großen Grundtrieb, der von Jugend auf in
ihm zur Entwicklung gearbeitet hat, und jetzt erst reif geworden
ist, nämlich als ein Zeuge der Wahrheit, für Jesum Chri-
stum
, seine Religion und sein Reich zu wirken, und dann durch
seine wohlthätigen Augenkuren dem leidenden Nächsten zu dienen,
gewidmet ist; bei allem dem war es aber doch die größte Schul-
digkeit, den Rath des Kurfürsten als einen Befehl anzusehen,
welches auch darum leicht war, weil Stilling keinen beque-

Stillings sämmtl. Schriften. I. Band. 38

wiſſen, es zu gebrauchen, und wozu es dienen
ſolle
. — Durch dieſe hundert und achtzig Gulden wurde nun
das, was von der Schweizerreiſe noch uͤbrig war, vermehrt,
alſo der Zug von Marburg und die Einrichtung einer neuen
Haushaltung an einem fremden Ort dadurch erleichtert; ich ver-
muthe aber, daß Stillingen noch Etwas bevorſteht, das die
Urſache enthaͤlt, warum ihm dies Geld zugewendet worden iſt.

Guter Gott! welch eine Fuͤhrung, wenn man ſie mit unge-
truͤbtem Auge und unpartheiiſch betrachtet! — haͤtte Einer von
allen bisherigen Zuͤgen der Vorſehung gefehlt, ſo waͤre es nicht
moͤglich geweſen, dieſe Vokation anzunehmen; haͤtte Stilling
in der Schweiz nur ſein Schuldenkapital und die Reiſekoſten
bekommen, ſo waͤre das eine herrliche und ſichtbare Gnade Got-
tes geweſen, aber dann haͤtte er doch in Marburg bleiben
muͤſſen, weil es ihm an den Mitteln zum Fortziehen und zum
Einrichten an einem fremden Ort gefehlt haͤtte: denn in Mar-
burg
behielt er von allem ſeinem Einkommen nichts uͤbrig.

Gelobt ſey der Herr! Er iſt noch der alte Bibelgott — Ja!
Es heißt mit Recht: Ich bin, der ich war, und ſeyn
werde, immer der Naͤmliche. Jeſus Chriſtus ge-
ſtern, heute, und derſelbe in Ewigkeit
!

Sonntag den 25. Junius zogen Jakob und Amalie unter
vielen Thraͤnen aller Freunde, und unter den herzlichſten Seg-
nungen der Eltern nach Mannheim; und nun ruͤſtete ſich auch
Stilling und Eliſe zu ihrem Zug nach Heidelberg, wel-
chen Ort ihnen der Kurfuͤrſt zum kuͤnftigen Wohnplatz ange-
rathen
: denn ſie koͤnnen in den Baden’ſchen Laͤndern woh-
nen wo ſie wollen, weil Stilling kein Amt hat, ſondern nun
blos und allein dem großen Grundtrieb, der von Jugend auf in
ihm zur Entwicklung gearbeitet hat, und jetzt erſt reif geworden
iſt, naͤmlich als ein Zeuge der Wahrheit, fuͤr Jeſum Chri-
ſtum
, ſeine Religion und ſein Reich zu wirken, und dann durch
ſeine wohlthaͤtigen Augenkuren dem leidenden Naͤchſten zu dienen,
gewidmet iſt; bei allem dem war es aber doch die groͤßte Schul-
digkeit, den Rath des Kurfuͤrſten als einen Befehl anzuſehen,
welches auch darum leicht war, weil Stilling keinen beque-

Stillings ſämmtl. Schriften. I. Band. 38
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0589" n="581"/>
wi&#x017F;&#x017F;en, es zu gebrauchen, und wozu es dienen<lb/>
&#x017F;olle</hi>. &#x2014; Durch die&#x017F;e hundert und achtzig Gulden wurde nun<lb/>
das, was von der Schweizerrei&#x017F;e noch u&#x0364;brig war, vermehrt,<lb/>
al&#x017F;o der Zug von <hi rendition="#g">Marburg</hi> und die Einrichtung einer neuen<lb/>
Haushaltung an einem fremden Ort dadurch erleichtert; ich ver-<lb/>
muthe aber, daß <hi rendition="#g">Stillingen</hi> noch Etwas bevor&#x017F;teht, das die<lb/>
Ur&#x017F;ache entha&#x0364;lt, warum ihm dies Geld zugewendet worden i&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>Guter Gott! welch eine Fu&#x0364;hrung, wenn man &#x017F;ie mit unge-<lb/>
tru&#x0364;btem Auge und unpartheii&#x017F;ch betrachtet! &#x2014; ha&#x0364;tte Einer von<lb/>
allen bisherigen Zu&#x0364;gen der Vor&#x017F;ehung gefehlt, &#x017F;o wa&#x0364;re es nicht<lb/>
mo&#x0364;glich gewe&#x017F;en, die&#x017F;e Vokation anzunehmen; ha&#x0364;tte <hi rendition="#g">Stilling</hi><lb/>
in der <hi rendition="#g">Schweiz</hi> nur &#x017F;ein Schuldenkapital und die Rei&#x017F;eko&#x017F;ten<lb/>
bekommen, &#x017F;o wa&#x0364;re das eine herrliche und &#x017F;ichtbare Gnade Got-<lb/>
tes gewe&#x017F;en, aber dann ha&#x0364;tte er doch in <hi rendition="#g">Marburg</hi> bleiben<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, weil es ihm an den Mitteln zum Fortziehen und zum<lb/>
Einrichten an einem fremden Ort gefehlt ha&#x0364;tte: denn in <hi rendition="#g">Mar-<lb/>
burg</hi> behielt er von allem &#x017F;einem Einkommen nichts u&#x0364;brig.</p><lb/>
            <p>Gelobt &#x017F;ey der Herr! Er i&#x017F;t noch der alte Bibelgott &#x2014; Ja!<lb/>
Es heißt mit Recht: <hi rendition="#g">Ich bin, der ich war, und &#x017F;eyn<lb/>
werde, immer der Na&#x0364;mliche. Je&#x017F;us Chri&#x017F;tus ge-<lb/>
&#x017F;tern, heute, und der&#x017F;elbe in Ewigkeit</hi>!</p><lb/>
            <p>Sonntag den 25. Junius zogen <hi rendition="#g">Jakob</hi> und <hi rendition="#g">Amalie</hi> unter<lb/>
vielen Thra&#x0364;nen aller Freunde, und unter den herzlich&#x017F;ten Seg-<lb/>
nungen der Eltern nach <hi rendition="#g">Mannheim</hi>; und nun ru&#x0364;&#x017F;tete &#x017F;ich auch<lb/><hi rendition="#g">Stilling</hi> und <hi rendition="#g">Eli&#x017F;e</hi> zu ihrem Zug nach <hi rendition="#g">Heidelberg</hi>, wel-<lb/>
chen Ort ihnen der Kurfu&#x0364;r&#x017F;t zum ku&#x0364;nftigen Wohnplatz <hi rendition="#g">ange-<lb/>
rathen</hi>: denn &#x017F;ie ko&#x0364;nnen in den <hi rendition="#g">Baden&#x2019;&#x017F;chen</hi> La&#x0364;ndern woh-<lb/>
nen wo &#x017F;ie wollen, weil <hi rendition="#g">Stilling</hi> kein Amt hat, &#x017F;ondern nun<lb/>
blos und allein dem großen Grundtrieb, der von Jugend auf in<lb/>
ihm zur Entwicklung gearbeitet hat, und jetzt er&#x017F;t reif geworden<lb/>
i&#x017F;t, na&#x0364;mlich als ein Zeuge der Wahrheit, fu&#x0364;r <hi rendition="#g">Je&#x017F;um Chri-<lb/>
&#x017F;tum</hi>, &#x017F;eine Religion und &#x017F;ein Reich zu wirken, und dann durch<lb/>
&#x017F;eine wohltha&#x0364;tigen Augenkuren dem leidenden Na&#x0364;ch&#x017F;ten zu dienen,<lb/>
gewidmet i&#x017F;t; bei allem dem war es aber doch die gro&#x0364;ßte Schul-<lb/>
digkeit, den Rath des Kurfu&#x0364;r&#x017F;ten als einen Befehl anzu&#x017F;ehen,<lb/>
welches auch darum leicht war, weil <hi rendition="#g">Stilling</hi> keinen beque-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Stillings &#x017F;ämmtl. Schriften. <hi rendition="#aq">I.</hi> Band. 38</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[581/0589] wiſſen, es zu gebrauchen, und wozu es dienen ſolle. — Durch dieſe hundert und achtzig Gulden wurde nun das, was von der Schweizerreiſe noch uͤbrig war, vermehrt, alſo der Zug von Marburg und die Einrichtung einer neuen Haushaltung an einem fremden Ort dadurch erleichtert; ich ver- muthe aber, daß Stillingen noch Etwas bevorſteht, das die Urſache enthaͤlt, warum ihm dies Geld zugewendet worden iſt. Guter Gott! welch eine Fuͤhrung, wenn man ſie mit unge- truͤbtem Auge und unpartheiiſch betrachtet! — haͤtte Einer von allen bisherigen Zuͤgen der Vorſehung gefehlt, ſo waͤre es nicht moͤglich geweſen, dieſe Vokation anzunehmen; haͤtte Stilling in der Schweiz nur ſein Schuldenkapital und die Reiſekoſten bekommen, ſo waͤre das eine herrliche und ſichtbare Gnade Got- tes geweſen, aber dann haͤtte er doch in Marburg bleiben muͤſſen, weil es ihm an den Mitteln zum Fortziehen und zum Einrichten an einem fremden Ort gefehlt haͤtte: denn in Mar- burg behielt er von allem ſeinem Einkommen nichts uͤbrig. Gelobt ſey der Herr! Er iſt noch der alte Bibelgott — Ja! Es heißt mit Recht: Ich bin, der ich war, und ſeyn werde, immer der Naͤmliche. Jeſus Chriſtus ge- ſtern, heute, und derſelbe in Ewigkeit! Sonntag den 25. Junius zogen Jakob und Amalie unter vielen Thraͤnen aller Freunde, und unter den herzlichſten Seg- nungen der Eltern nach Mannheim; und nun ruͤſtete ſich auch Stilling und Eliſe zu ihrem Zug nach Heidelberg, wel- chen Ort ihnen der Kurfuͤrſt zum kuͤnftigen Wohnplatz ange- rathen: denn ſie koͤnnen in den Baden’ſchen Laͤndern woh- nen wo ſie wollen, weil Stilling kein Amt hat, ſondern nun blos und allein dem großen Grundtrieb, der von Jugend auf in ihm zur Entwicklung gearbeitet hat, und jetzt erſt reif geworden iſt, naͤmlich als ein Zeuge der Wahrheit, fuͤr Jeſum Chri- ſtum, ſeine Religion und ſein Reich zu wirken, und dann durch ſeine wohlthaͤtigen Augenkuren dem leidenden Naͤchſten zu dienen, gewidmet iſt; bei allem dem war es aber doch die groͤßte Schul- digkeit, den Rath des Kurfuͤrſten als einen Befehl anzuſehen, welches auch darum leicht war, weil Stilling keinen beque- Stillings ſämmtl. Schriften. I. Band. 38

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/589
Zitationshilfe: Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 581. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/589>, abgerufen am 22.11.2024.