September kamen sie des Abends spät, aber glücklich in Bre- men an, und kehrten bei dem Sekretarius Meyer ein. Die- ser edle Mann und seine treffliche Gattin paßten so recht zum Stillings-Paar, sie wurden bald ein Herz und eine Seele, und schlossen den Bund der Bruder- und Schwester- schaft miteinander; der Bürgermeister an seiner Seite aber, der die personifizirte Freundschaft selbst war, that sein Bestes, um den Marburger Verwandten Freude zu machen. Er ruht nun schon in seiner Kammer, der gute edle Mann; Ge- lehrsamkeit, unbeschränkte Gutmüthigkeit und treufleißige Staats- verwaltung waren die Grundlagen seines Charakters.
Stilling machte zwei und zwanzig Staar-Operationen in Bremen, und bediente ausserdem noch Viele, die an den Augen litten. Unter jenen Staar-Patienten war einer von honnettem Bürgerstand, ein alter Mann, der viele Jahre blind gewesen, und daher in seinen Vermögensumständen zurückge- kommen war. Verschiedene Damen ersuchten Stilling, er möchte ihnen doch erlauben, zuzusehen, denn sie wünschten Zeugen von der Freude zu seyn, die ein solcher Mann hätte, der so lange blind gewesen wäre. Die Operation ging glück- lich von statten, und Stilling erlaubte ihm nun, sich um- zuschen -- der Patient sah sich um, schlug die Hände zusam- men, und sagte: Ach, da sind Damen, und es sieht hier so unaufgeräumt aus! -- Die guten Frauen wuß- ten nicht, was sie sagen und denken sollten, und gingen nach einander zur Thür hinaus.
Stilling machte in Bremen auch wieder einige interes- sante Bekanntschaften, und erneuerte auch ein Paar alte Freund- schafts-Bündnisse, nämlich mit dem Doktor und Professor Meister, den er schon in Elberfeld kennen gelernt hatte, und mit Ewald, der nun schon Prediger da war. Der berühmte Doktor Olbers wurde Stillings Freund, und bei ihm lernte er auch den großen Astronomen, den Oberamt- mann Schröder, kennen. Mit Wienholt schloß er auch den Bruderbund: er und seine Gattin gehören in die Klasse der besten Menschen.
Bremen hat sehr viele fromme und christliche Einwoh-
September kamen ſie des Abends ſpaͤt, aber gluͤcklich in Bre- men an, und kehrten bei dem Sekretarius Meyer ein. Die- ſer edle Mann und ſeine treffliche Gattin paßten ſo recht zum Stillings-Paar, ſie wurden bald ein Herz und eine Seele, und ſchloſſen den Bund der Bruder- und Schweſter- ſchaft miteinander; der Buͤrgermeiſter an ſeiner Seite aber, der die perſonifizirte Freundſchaft ſelbſt war, that ſein Beſtes, um den Marburger Verwandten Freude zu machen. Er ruht nun ſchon in ſeiner Kammer, der gute edle Mann; Ge- lehrſamkeit, unbeſchraͤnkte Gutmuͤthigkeit und treufleißige Staats- verwaltung waren die Grundlagen ſeines Charakters.
Stilling machte zwei und zwanzig Staar-Operationen in Bremen, und bediente auſſerdem noch Viele, die an den Augen litten. Unter jenen Staar-Patienten war einer von honnettem Buͤrgerſtand, ein alter Mann, der viele Jahre blind geweſen, und daher in ſeinen Vermoͤgensumſtaͤnden zuruͤckge- kommen war. Verſchiedene Damen erſuchten Stilling, er moͤchte ihnen doch erlauben, zuzuſehen, denn ſie wuͤnſchten Zeugen von der Freude zu ſeyn, die ein ſolcher Mann haͤtte, der ſo lange blind geweſen waͤre. Die Operation ging gluͤck- lich von ſtatten, und Stilling erlaubte ihm nun, ſich um- zuſchen — der Patient ſah ſich um, ſchlug die Haͤnde zuſam- men, und ſagte: Ach, da ſind Damen, und es ſieht hier ſo unaufgeraͤumt aus! — Die guten Frauen wuß- ten nicht, was ſie ſagen und denken ſollten, und gingen nach einander zur Thuͤr hinaus.
Stilling machte in Bremen auch wieder einige intereſ- ſante Bekanntſchaften, und erneuerte auch ein Paar alte Freund- ſchafts-Buͤndniſſe, naͤmlich mit dem Doktor und Profeſſor Meiſter, den er ſchon in Elberfeld kennen gelernt hatte, und mit Ewald, der nun ſchon Prediger da war. Der beruͤhmte Doktor Olbers wurde Stillings Freund, und bei ihm lernte er auch den großen Aſtronomen, den Oberamt- mann Schroͤder, kennen. Mit Wienholt ſchloß er auch den Bruderbund: er und ſeine Gattin gehoͤren in die Klaſſe der beſten Menſchen.
Bremen hat ſehr viele fromme und chriſtliche Einwoh-
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September kamen ſie des Abends ſpaͤt, aber gluͤcklich in Bre-
men an, und kehrten bei dem Sekretarius Meyer ein. Die-
ſer edle Mann und ſeine treffliche Gattin paßten ſo recht
zum Stillings-Paar, ſie wurden bald ein Herz und eine
Seele, und ſchloſſen den Bund der Bruder- und Schweſter-
ſchaft miteinander; der Buͤrgermeiſter an ſeiner Seite aber,
der die perſonifizirte Freundſchaft ſelbſt war, that ſein Beſtes,
um den Marburger Verwandten Freude zu machen. Er
ruht nun ſchon in ſeiner Kammer, der gute edle Mann; Ge-
lehrſamkeit, unbeſchraͤnkte Gutmuͤthigkeit und treufleißige Staats-
verwaltung waren die Grundlagen ſeines Charakters.
Stilling machte zwei und zwanzig Staar-Operationen
in Bremen, und bediente auſſerdem noch Viele, die an den
Augen litten. Unter jenen Staar-Patienten war einer von
honnettem Buͤrgerſtand, ein alter Mann, der viele Jahre blind
geweſen, und daher in ſeinen Vermoͤgensumſtaͤnden zuruͤckge-
kommen war. Verſchiedene Damen erſuchten Stilling, er
moͤchte ihnen doch erlauben, zuzuſehen, denn ſie wuͤnſchten
Zeugen von der Freude zu ſeyn, die ein ſolcher Mann haͤtte,
der ſo lange blind geweſen waͤre. Die Operation ging gluͤck-
lich von ſtatten, und Stilling erlaubte ihm nun, ſich um-
zuſchen — der Patient ſah ſich um, ſchlug die Haͤnde zuſam-
men, und ſagte: Ach, da ſind Damen, und es ſieht
hier ſo unaufgeraͤumt aus! — Die guten Frauen wuß-
ten nicht, was ſie ſagen und denken ſollten, und gingen nach
einander zur Thuͤr hinaus.
Stilling machte in Bremen auch wieder einige intereſ-
ſante Bekanntſchaften, und erneuerte auch ein Paar alte Freund-
ſchafts-Buͤndniſſe, naͤmlich mit dem Doktor und Profeſſor
Meiſter, den er ſchon in Elberfeld kennen gelernt hatte,
und mit Ewald, der nun ſchon Prediger da war. Der
beruͤhmte Doktor Olbers wurde Stillings Freund, und
bei ihm lernte er auch den großen Aſtronomen, den Oberamt-
mann Schroͤder, kennen. Mit Wienholt ſchloß er auch
den Bruderbund: er und ſeine Gattin gehoͤren in die Klaſſe
der beſten Menſchen.
Bremen hat ſehr viele fromme und chriſtliche Einwoh-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 512. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/520>, abgerufen am 25.11.2024.
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