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Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835.

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Elisens Gesundheit, auch sie wurde krank, doch eben nicht
gefährlich, indessen mußte sie denn doch das Bett hüten, wel-
ches ihr um deßwillen besonders wehe that, weil sie nun ihre
gute Mutter nicht besuchen konnte. Beide Kranken, Mutter
und Tochter, schickten sich täglich wechselseitig Boten, und Jede
tröstete die andere, daß es nicht gefährlich sey.

An einem Morgen früh gegen das Ende des Märzes kam
eine Trauerbotschaft: Mutter Coing sey im Herrn entschla-
fen; Stilling mußte Elisen diese Nachricht beibringen --
das war ein schweres Stück Arbeit, allein er führte es aus
und lief dann ins elterliche Haus. So wie er in die Stube
hinein trat, fiel ihm die Leiche ins Auge; sie lag auf einem
Feldbett, der Thür gegenüber; -- sie war eine sehr schöne
Frau gewesen und die vieljährige stille Uebung im Christen-
thum hatte ihre Züge ungemein veredelt; auf ihrem erblaßten
Antlitz glänzte -- nicht Hoffnung, sondern Genuß des ewigen
Lebens. Vater Coing stand vor der Leiche, er blickte Stil-
ling
durch Thränen lächelnd an und sagte: Gott Lob, sie
ist bei Gott
! -- er trauerte, aber christlich.

Es gibt keinen frohern, keinen herzerhebendern Gedanken,
als seine lieben Entschlafenen selig zu wissen; -- Vater Coing,
der um diese Zeit seinen Geburtstag feierte, hatte sich seine
liebe Gattin von Gott zum Geburtstagsgeschenk ausgebeten,
aber er bekam's nicht; Stilling hatte ein halbes Jahr um
das Leben seiner Selma gefleht, aber er wurde nicht erhört.

Liebe, christliche Seelen! laßt euch durch solche Beispiele ja
nicht vom Beten abschrecken -- der Vater will, daß wir,
seine Kinder, ihn um alles bitten sollen, weil uns dieß bestän-
dig in der Anhänglichkeit und Abhängigkeit von ihm erhält;
kann er uns nun das, warum wir beten, nicht gewähren, so
gibt Er uns etwas bessers dafür. Wir können gewiß versi-
chert seyn, daß der Herr jedes gläubige Gebet erhört, wir er-
langen immer Etwas dadurch, das wir ohne unser Gebet
nicht erlangt haben würden, und zwar das, was für uns das
Beste ist.

Wenn der Christ so weit gekommen ist, daß er im Wandel
in der Gegenwart Gottes beharren kann, und seinen eigenen

Eliſens Geſundheit, auch ſie wurde krank, doch eben nicht
gefaͤhrlich, indeſſen mußte ſie denn doch das Bett huͤten, wel-
ches ihr um deßwillen beſonders wehe that, weil ſie nun ihre
gute Mutter nicht beſuchen konnte. Beide Kranken, Mutter
und Tochter, ſchickten ſich taͤglich wechſelſeitig Boten, und Jede
troͤſtete die andere, daß es nicht gefaͤhrlich ſey.

An einem Morgen fruͤh gegen das Ende des Maͤrzes kam
eine Trauerbotſchaft: Mutter Coing ſey im Herrn entſchla-
fen; Stilling mußte Eliſen dieſe Nachricht beibringen —
das war ein ſchweres Stuͤck Arbeit, allein er fuͤhrte es aus
und lief dann ins elterliche Haus. So wie er in die Stube
hinein trat, fiel ihm die Leiche ins Auge; ſie lag auf einem
Feldbett, der Thuͤr gegenuͤber; — ſie war eine ſehr ſchoͤne
Frau geweſen und die vieljaͤhrige ſtille Uebung im Chriſten-
thum hatte ihre Zuͤge ungemein veredelt; auf ihrem erblaßten
Antlitz glaͤnzte — nicht Hoffnung, ſondern Genuß des ewigen
Lebens. Vater Coing ſtand vor der Leiche, er blickte Stil-
ling
durch Thraͤnen laͤchelnd an und ſagte: Gott Lob, ſie
iſt bei Gott
! — er trauerte, aber chriſtlich.

Es gibt keinen frohern, keinen herzerhebendern Gedanken,
als ſeine lieben Entſchlafenen ſelig zu wiſſen; — Vater Coing,
der um dieſe Zeit ſeinen Geburtstag feierte, hatte ſich ſeine
liebe Gattin von Gott zum Geburtstagsgeſchenk ausgebeten,
aber er bekam’s nicht; Stilling hatte ein halbes Jahr um
das Leben ſeiner Selma gefleht, aber er wurde nicht erhoͤrt.

Liebe, chriſtliche Seelen! laßt euch durch ſolche Beiſpiele ja
nicht vom Beten abſchrecken — der Vater will, daß wir,
ſeine Kinder, ihn um alles bitten ſollen, weil uns dieß beſtaͤn-
dig in der Anhaͤnglichkeit und Abhaͤngigkeit von ihm erhaͤlt;
kann er uns nun das, warum wir beten, nicht gewaͤhren, ſo
gibt Er uns etwas beſſers dafuͤr. Wir koͤnnen gewiß verſi-
chert ſeyn, daß der Herr jedes glaͤubige Gebet erhoͤrt, wir er-
langen immer Etwas dadurch, das wir ohne unſer Gebet
nicht erlangt haben wuͤrden, und zwar das, was fuͤr uns das
Beſte iſt.

Wenn der Chriſt ſo weit gekommen iſt, daß er im Wandel
in der Gegenwart Gottes beharren kann, und ſeinen eigenen

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[468/0476] Eliſens Geſundheit, auch ſie wurde krank, doch eben nicht gefaͤhrlich, indeſſen mußte ſie denn doch das Bett huͤten, wel- ches ihr um deßwillen beſonders wehe that, weil ſie nun ihre gute Mutter nicht beſuchen konnte. Beide Kranken, Mutter und Tochter, ſchickten ſich taͤglich wechſelſeitig Boten, und Jede troͤſtete die andere, daß es nicht gefaͤhrlich ſey. An einem Morgen fruͤh gegen das Ende des Maͤrzes kam eine Trauerbotſchaft: Mutter Coing ſey im Herrn entſchla- fen; Stilling mußte Eliſen dieſe Nachricht beibringen — das war ein ſchweres Stuͤck Arbeit, allein er fuͤhrte es aus und lief dann ins elterliche Haus. So wie er in die Stube hinein trat, fiel ihm die Leiche ins Auge; ſie lag auf einem Feldbett, der Thuͤr gegenuͤber; — ſie war eine ſehr ſchoͤne Frau geweſen und die vieljaͤhrige ſtille Uebung im Chriſten- thum hatte ihre Zuͤge ungemein veredelt; auf ihrem erblaßten Antlitz glaͤnzte — nicht Hoffnung, ſondern Genuß des ewigen Lebens. Vater Coing ſtand vor der Leiche, er blickte Stil- ling durch Thraͤnen laͤchelnd an und ſagte: Gott Lob, ſie iſt bei Gott! — er trauerte, aber chriſtlich. Es gibt keinen frohern, keinen herzerhebendern Gedanken, als ſeine lieben Entſchlafenen ſelig zu wiſſen; — Vater Coing, der um dieſe Zeit ſeinen Geburtstag feierte, hatte ſich ſeine liebe Gattin von Gott zum Geburtstagsgeſchenk ausgebeten, aber er bekam’s nicht; Stilling hatte ein halbes Jahr um das Leben ſeiner Selma gefleht, aber er wurde nicht erhoͤrt. Liebe, chriſtliche Seelen! laßt euch durch ſolche Beiſpiele ja nicht vom Beten abſchrecken — der Vater will, daß wir, ſeine Kinder, ihn um alles bitten ſollen, weil uns dieß beſtaͤn- dig in der Anhaͤnglichkeit und Abhaͤngigkeit von ihm erhaͤlt; kann er uns nun das, warum wir beten, nicht gewaͤhren, ſo gibt Er uns etwas beſſers dafuͤr. Wir koͤnnen gewiß verſi- chert ſeyn, daß der Herr jedes glaͤubige Gebet erhoͤrt, wir er- langen immer Etwas dadurch, das wir ohne unſer Gebet nicht erlangt haben wuͤrden, und zwar das, was fuͤr uns das Beſte iſt. Wenn der Chriſt ſo weit gekommen iſt, daß er im Wandel in der Gegenwart Gottes beharren kann, und ſeinen eigenen

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Zitationshilfe: Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/476>, abgerufen am 22.11.2024.