in Begleitung der Tante nach Rittersburg; auf dem hal- ben Wege wurden sie von den dort studierenden Jünglingen abgeholt, welche durch Ueberreichung eines Gedichts, durch Mu- sik und Ball ihre Freude und Theilnahme bezeugten.
So begann nun eine neue Periode seines häuslichen Lebens: Selma ließ alsofort die beiden Kinder aus Zweibrücken holen, und nahm sich ihrer sehr versäumten Erziehung mit äußerster Sorgfalt an. Zugleich stellte sie Stilling die Nothwendigkeit vor, daß sie die Kasse übernähme; denn sie sagte: lieber Mann! deine ganze Seele arbeitet in ihrem wichtigen Beruf, in ihrer hohen Bestimmung; häusliche An- ordnungen und häusliche Sorgen und Ausgaben, sie mögen groß oder klein seyn, sind für dich zu gering, gehe du deinen Gang ungehindert fort, warte du nur deines Berufs, und über- lasse mir hernach Einnahme und Ausgabe, übertrage mir Schul- den und Haushaltung, und laß mich dann sorgen, du wirst wohl dabei fahren. Stilling that das mit tausend Freu- den, und er sahe bald den glückseligen Erfolg; seine Kinder, seine Mobilien, sein Tisch, Alles wurde anständig und ange- nehm eingerichtet, so daß Jeder Freude daran hatte. An sei- nem Tisch war jeder Freund willkommen, aber nie wurde traktirt, sein Haus wurde der Zufluchtsort der edelsten Jüng linge; Mancher blieb vom Verderben bewahrt, und Mancher wurde von Abwegen zurückgerufen; das Alles aber geschah mit einem solchen Anstand und Würde, daß auch die giftigste Lästerzunge nichts Ungeziemendes aufzubringen wagte.
Bei dem Allem wurde die Kasse nie leer, immer war Vor- rath, und nach Verhältniß, auch Ueberfluß da, und nun machte Selma auch einen Plan zur Schuldentilgung: die Interes- sen sollten richtig abgeführt, und dann zuerst die Ritters- burger Schulden getilgt werden. Dieß letzte geschah auch in weniger als drei Jahren, und nun wurde Geld nach Schö- nenthal geschickt, dadurch wurden nun die Gläubiger ruhi- ger, mit einem Wort: Stillings langwierige und schwere Leiden hatten ein Ende.
Und wenn zuweilen noch quälende Briefe kamen, so ant- wortete Selma selbst, und das auf eine Art, die jedem nur
in Begleitung der Tante nach Rittersburg; auf dem hal- ben Wege wurden ſie von den dort ſtudierenden Juͤnglingen abgeholt, welche durch Ueberreichung eines Gedichts, durch Mu- ſik und Ball ihre Freude und Theilnahme bezeugten.
So begann nun eine neue Periode ſeines haͤuslichen Lebens: Selma ließ alſofort die beiden Kinder aus Zweibruͤcken holen, und nahm ſich ihrer ſehr verſaͤumten Erziehung mit aͤußerſter Sorgfalt an. Zugleich ſtellte ſie Stilling die Nothwendigkeit vor, daß ſie die Kaſſe uͤbernaͤhme; denn ſie ſagte: lieber Mann! deine ganze Seele arbeitet in ihrem wichtigen Beruf, in ihrer hohen Beſtimmung; haͤusliche An- ordnungen und haͤusliche Sorgen und Ausgaben, ſie moͤgen groß oder klein ſeyn, ſind fuͤr dich zu gering, gehe du deinen Gang ungehindert fort, warte du nur deines Berufs, und uͤber- laſſe mir hernach Einnahme und Ausgabe, uͤbertrage mir Schul- den und Haushaltung, und laß mich dann ſorgen, du wirſt wohl dabei fahren. Stilling that das mit tauſend Freu- den, und er ſahe bald den gluͤckſeligen Erfolg; ſeine Kinder, ſeine Mobilien, ſein Tiſch, Alles wurde anſtaͤndig und ange- nehm eingerichtet, ſo daß Jeder Freude daran hatte. An ſei- nem Tiſch war jeder Freund willkommen, aber nie wurde traktirt, ſein Haus wurde der Zufluchtsort der edelſten Juͤng linge; Mancher blieb vom Verderben bewahrt, und Mancher wurde von Abwegen zuruͤckgerufen; das Alles aber geſchah mit einem ſolchen Anſtand und Wuͤrde, daß auch die giftigſte Laͤſterzunge nichts Ungeziemendes aufzubringen wagte.
Bei dem Allem wurde die Kaſſe nie leer, immer war Vor- rath, und nach Verhaͤltniß, auch Ueberfluß da, und nun machte Selma auch einen Plan zur Schuldentilgung: die Intereſ- ſen ſollten richtig abgefuͤhrt, und dann zuerſt die Ritters- burger Schulden getilgt werden. Dieß letzte geſchah auch in weniger als drei Jahren, und nun wurde Geld nach Schoͤ- nenthal geſchickt, dadurch wurden nun die Glaͤubiger ruhi- ger, mit einem Wort: Stillings langwierige und ſchwere Leiden hatten ein Ende.
Und wenn zuweilen noch quaͤlende Briefe kamen, ſo ant- wortete Selma ſelbſt, und das auf eine Art, die jedem nur
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in Begleitung der Tante nach Rittersburg; auf dem hal-
ben Wege wurden ſie von den dort ſtudierenden Juͤnglingen
abgeholt, welche durch Ueberreichung eines Gedichts, durch Mu-
ſik und Ball ihre Freude und Theilnahme bezeugten.
So begann nun eine neue Periode ſeines haͤuslichen Lebens:
Selma ließ alſofort die beiden Kinder aus Zweibruͤcken
holen, und nahm ſich ihrer ſehr verſaͤumten Erziehung mit
aͤußerſter Sorgfalt an. Zugleich ſtellte ſie Stilling die
Nothwendigkeit vor, daß ſie die Kaſſe uͤbernaͤhme; denn ſie
ſagte: lieber Mann! deine ganze Seele arbeitet in ihrem
wichtigen Beruf, in ihrer hohen Beſtimmung; haͤusliche An-
ordnungen und haͤusliche Sorgen und Ausgaben, ſie moͤgen
groß oder klein ſeyn, ſind fuͤr dich zu gering, gehe du deinen
Gang ungehindert fort, warte du nur deines Berufs, und uͤber-
laſſe mir hernach Einnahme und Ausgabe, uͤbertrage mir Schul-
den und Haushaltung, und laß mich dann ſorgen, du wirſt
wohl dabei fahren. Stilling that das mit tauſend Freu-
den, und er ſahe bald den gluͤckſeligen Erfolg; ſeine Kinder,
ſeine Mobilien, ſein Tiſch, Alles wurde anſtaͤndig und ange-
nehm eingerichtet, ſo daß Jeder Freude daran hatte. An ſei-
nem Tiſch war jeder Freund willkommen, aber nie wurde
traktirt, ſein Haus wurde der Zufluchtsort der edelſten Juͤng
linge; Mancher blieb vom Verderben bewahrt, und Mancher
wurde von Abwegen zuruͤckgerufen; das Alles aber geſchah
mit einem ſolchen Anſtand und Wuͤrde, daß auch die giftigſte
Laͤſterzunge nichts Ungeziemendes aufzubringen wagte.
Bei dem Allem wurde die Kaſſe nie leer, immer war Vor-
rath, und nach Verhaͤltniß, auch Ueberfluß da, und nun machte
Selma auch einen Plan zur Schuldentilgung: die Intereſ-
ſen ſollten richtig abgefuͤhrt, und dann zuerſt die Ritters-
burger Schulden getilgt werden. Dieß letzte geſchah auch
in weniger als drei Jahren, und nun wurde Geld nach Schoͤ-
nenthal geſchickt, dadurch wurden nun die Glaͤubiger ruhi-
ger, mit einem Wort: Stillings langwierige und ſchwere
Leiden hatten ein Ende.
Und wenn zuweilen noch quaͤlende Briefe kamen, ſo ant-
wortete Selma ſelbſt, und das auf eine Art, die jedem nur
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/428>, abgerufen am 22.11.2024.
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