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Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835.

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Empfindungen machen. Jonathan hat ihn aufgerichtet,
den Bund der heiligen Freundschaft mit dem unschuldsvollen
Knaben Isai, und nun ist ihm der Jüngling mehr als ein
Bruder, denn er liebte ihn, wie die heilige Geschichte sagt,
als seine eigene Seele. Glücklicher Jonathan! könntest du
deinem König und Vater nur einen geringern Theil der zärt-
lichen Werthhaltung für den Liebling deines Herzens mitthei-
len: Vergebens! der Zorn Sauls verfolgte den schuldlosen
David, und das sanfte und das tugendhafte Herz des Soh-
nes und Freundes bemühet sich umsonst, die heiligen Pflichten
der kindlichen Liebe mit den Pflichten der treuesten und
zärtlichen Freundschaft zu vereinigen. Wer kann die Geschichte
der beiden Edlen lesen, sie bei dem Stein Asel, in jener
bittern Abschiedsstunde, sich einander herzen und weinen sehen,
ohne nicht Thränen mit ihnen zu vergießen? Und wie oft ist
dieß das Loos der erhabendsten und großmüthigsten Seelen!
Mag ihr Freundschaftsbund sich immer auf die reinste und
tugendhafteste Zueignung gründen, sie können solchen harten
Zwang der Verhältnisse nicht aufheben, die einer guten Men-
schenseele heilig sind. Der Befehl eines Vaters, gegen einan-
der streitenden Familienabsichten, je zuweilen einerlei Wünsche,
die, ob sie gleich von Seiten eines Jeden gerecht sind, doch
nur für Einen können erfüllt werden, trennen manchmal in
dieser Welt der Unvollkommenheit die allerzärtlichsten Freund-
schaftsverbindungen, oder zerreißen das Herz, um einer be-
sorglichen Trennung auszuweichen.

"Nicht so mit der Freundschaft, die zwischen edlen Seelen
durch das heilige und unverletzliche Band der Ehe gestiftet
wird: ihre huldvollen Freuden sind dieser Erschütterung nicht
unterworfen. Nur der Tod kann ihn aufheben, den Bund,
welchen die Flamme der zärtlichsten Liebe aufgerichtet und feier-
liche Gelübde an dem heiligen Altar der Religion versiegelt
haben. Die Verhältnisse und Absichten, die Wünsche und Be-
mühungen des Liebenden und der Geliebten sind eben dieselben;
die Verwandtschaft des Mannes ist Verwandtschaft des Wei-
bes, seine Ehre ihre Ehre, sein Vermögen ihr Vermögen.

"Das unschuldige und mit sanften edlen Trieben erfüllte

Empfindungen machen. Jonathan hat ihn aufgerichtet,
den Bund der heiligen Freundſchaft mit dem unſchuldsvollen
Knaben Iſai, und nun iſt ihm der Juͤngling mehr als ein
Bruder, denn er liebte ihn, wie die heilige Geſchichte ſagt,
als ſeine eigene Seele. Gluͤcklicher Jonathan! koͤnnteſt du
deinem Koͤnig und Vater nur einen geringern Theil der zaͤrt-
lichen Werthhaltung fuͤr den Liebling deines Herzens mitthei-
len: Vergebens! der Zorn Sauls verfolgte den ſchuldloſen
David, und das ſanfte und das tugendhafte Herz des Soh-
nes und Freundes bemuͤhet ſich umſonſt, die heiligen Pflichten
der kindlichen Liebe mit den Pflichten der treueſten und
zaͤrtlichen Freundſchaft zu vereinigen. Wer kann die Geſchichte
der beiden Edlen leſen, ſie bei dem Stein Aſel, in jener
bittern Abſchiedsſtunde, ſich einander herzen und weinen ſehen,
ohne nicht Thraͤnen mit ihnen zu vergießen? Und wie oft iſt
dieß das Loos der erhabendſten und großmuͤthigſten Seelen!
Mag ihr Freundſchaftsbund ſich immer auf die reinſte und
tugendhafteſte Zueignung gruͤnden, ſie koͤnnen ſolchen harten
Zwang der Verhaͤltniſſe nicht aufheben, die einer guten Men-
ſchenſeele heilig ſind. Der Befehl eines Vaters, gegen einan-
der ſtreitenden Familienabſichten, je zuweilen einerlei Wuͤnſche,
die, ob ſie gleich von Seiten eines Jeden gerecht ſind, doch
nur fuͤr Einen koͤnnen erfuͤllt werden, trennen manchmal in
dieſer Welt der Unvollkommenheit die allerzaͤrtlichſten Freund-
ſchaftsverbindungen, oder zerreißen das Herz, um einer be-
ſorglichen Trennung auszuweichen.

„Nicht ſo mit der Freundſchaft, die zwiſchen edlen Seelen
durch das heilige und unverletzliche Band der Ehe geſtiftet
wird: ihre huldvollen Freuden ſind dieſer Erſchuͤtterung nicht
unterworfen. Nur der Tod kann ihn aufheben, den Bund,
welchen die Flamme der zaͤrtlichſten Liebe aufgerichtet und feier-
liche Geluͤbde an dem heiligen Altar der Religion verſiegelt
haben. Die Verhaͤltniſſe und Abſichten, die Wuͤnſche und Be-
muͤhungen des Liebenden und der Geliebten ſind eben dieſelben;
die Verwandtſchaft des Mannes iſt Verwandtſchaft des Wei-
bes, ſeine Ehre ihre Ehre, ſein Vermoͤgen ihr Vermoͤgen.

„Das unſchuldige und mit ſanften edlen Trieben erfuͤllte

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[413/0421] Empfindungen machen. Jonathan hat ihn aufgerichtet, den Bund der heiligen Freundſchaft mit dem unſchuldsvollen Knaben Iſai, und nun iſt ihm der Juͤngling mehr als ein Bruder, denn er liebte ihn, wie die heilige Geſchichte ſagt, als ſeine eigene Seele. Gluͤcklicher Jonathan! koͤnnteſt du deinem Koͤnig und Vater nur einen geringern Theil der zaͤrt- lichen Werthhaltung fuͤr den Liebling deines Herzens mitthei- len: Vergebens! der Zorn Sauls verfolgte den ſchuldloſen David, und das ſanfte und das tugendhafte Herz des Soh- nes und Freundes bemuͤhet ſich umſonſt, die heiligen Pflichten der kindlichen Liebe mit den Pflichten der treueſten und zaͤrtlichen Freundſchaft zu vereinigen. Wer kann die Geſchichte der beiden Edlen leſen, ſie bei dem Stein Aſel, in jener bittern Abſchiedsſtunde, ſich einander herzen und weinen ſehen, ohne nicht Thraͤnen mit ihnen zu vergießen? Und wie oft iſt dieß das Loos der erhabendſten und großmuͤthigſten Seelen! Mag ihr Freundſchaftsbund ſich immer auf die reinſte und tugendhafteſte Zueignung gruͤnden, ſie koͤnnen ſolchen harten Zwang der Verhaͤltniſſe nicht aufheben, die einer guten Men- ſchenſeele heilig ſind. Der Befehl eines Vaters, gegen einan- der ſtreitenden Familienabſichten, je zuweilen einerlei Wuͤnſche, die, ob ſie gleich von Seiten eines Jeden gerecht ſind, doch nur fuͤr Einen koͤnnen erfuͤllt werden, trennen manchmal in dieſer Welt der Unvollkommenheit die allerzaͤrtlichſten Freund- ſchaftsverbindungen, oder zerreißen das Herz, um einer be- ſorglichen Trennung auszuweichen. „Nicht ſo mit der Freundſchaft, die zwiſchen edlen Seelen durch das heilige und unverletzliche Band der Ehe geſtiftet wird: ihre huldvollen Freuden ſind dieſer Erſchuͤtterung nicht unterworfen. Nur der Tod kann ihn aufheben, den Bund, welchen die Flamme der zaͤrtlichſten Liebe aufgerichtet und feier- liche Geluͤbde an dem heiligen Altar der Religion verſiegelt haben. Die Verhaͤltniſſe und Abſichten, die Wuͤnſche und Be- muͤhungen des Liebenden und der Geliebten ſind eben dieſelben; die Verwandtſchaft des Mannes iſt Verwandtſchaft des Wei- bes, ſeine Ehre ihre Ehre, ſein Vermoͤgen ihr Vermoͤgen. „Das unſchuldige und mit ſanften edlen Trieben erfuͤllte

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Zitationshilfe: Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/421>, abgerufen am 22.11.2024.