des Churfürsten hauszuhalten, schlug ihm daher sein Gesuch immer rund ab. Endlich entschloß sich Tom, ohne Besol- dung und ohne Ruf hinzugehen, er hielt daher bloß um die Erlaubniß an, dort sich aufzuhalten und Kollegia lesen zu dür- fen; dieß wurde ihm gerne zugestanden. Eisenhart schrieb daher an Stilling, dem die Besorgung der Logis und der Quartiere für die Studirenden aufgetragen war, er möchte für Herrn Professor Tom eine Wohnung miethen; zugleich schil- derte er ihm diesen Mann, und bestimmte ihm, wie seine Woh- nung beschaffen seyn müßte.
Stilling miethete also ein paar schöne Zimmer bei einem Kaufmann, und erwartete nun Toms Ankunft.
Endlich an einem Nachmittag kam die Magd aus einem Wirthshause mit folgendem Zettel an Stilling: P. P.
Professor Tom ist hier.
Tom.
Hm! dachte Stilling -- eine seltsame Ankündigung!
Nun beobachtete er immer den Grundsatz, da, wo er sich und der guten Sache nichts vergeben konnte, den untersten Weg zu gehen. Er nahm also Hut und Stock, um nach dem Wirthshause zu gehen; jetzt in dem Augenblick wurde ihm aber von dem Kaufmann angekündigt, daß er den englischen Sprach- meister nicht einziehen ließe, bis er das erste Quartal voraus- bezahlt hätte. Gut! sagte Stilling, und ging zum Wirths- hause; hier fand er nun einen ansehnlichen, wohlgewachsenen Mann, mit einer hohen breiten Stirn, großen starren Augen, magerem Gesicht und spitzigem Mäulchen, aus dessen Zügen Geist und Verschlagenheit allenthalben hervorblickte; neben ihm stand seine Frau im Amazonenhabit, und grämender Kummer nagte ihr am Herzen, man merkte das an ihrem schwimmen- den Auge und herabhangenden Winkeln des Mundes.
Nach einigen gewechselten Komplimenten, wobei Tom tief und gierig die Fühlhörner in Stillings Seele einzubohren schien, sagte dieser: Herr Professor! ich habe gesehen, wo Sie abge- stiegen sind, kommen Sie mit mir, um nun auch zu sehen, wo ich wohne.
des Churfuͤrſten hauszuhalten, ſchlug ihm daher ſein Geſuch immer rund ab. Endlich entſchloß ſich Tom, ohne Beſol- dung und ohne Ruf hinzugehen, er hielt daher bloß um die Erlaubniß an, dort ſich aufzuhalten und Kollegia leſen zu duͤr- fen; dieß wurde ihm gerne zugeſtanden. Eiſenhart ſchrieb daher an Stilling, dem die Beſorgung der Logis und der Quartiere fuͤr die Studirenden aufgetragen war, er moͤchte fuͤr Herrn Profeſſor Tom eine Wohnung miethen; zugleich ſchil- derte er ihm dieſen Mann, und beſtimmte ihm, wie ſeine Woh- nung beſchaffen ſeyn muͤßte.
Stilling miethete alſo ein paar ſchoͤne Zimmer bei einem Kaufmann, und erwartete nun Toms Ankunft.
Endlich an einem Nachmittag kam die Magd aus einem Wirthshauſe mit folgendem Zettel an Stilling: P. P.
Profeſſor Tom iſt hier.
Tom.
Hm! dachte Stilling — eine ſeltſame Ankuͤndigung!
Nun beobachtete er immer den Grundſatz, da, wo er ſich und der guten Sache nichts vergeben konnte, den unterſten Weg zu gehen. Er nahm alſo Hut und Stock, um nach dem Wirthshauſe zu gehen; jetzt in dem Augenblick wurde ihm aber von dem Kaufmann angekuͤndigt, daß er den engliſchen Sprach- meiſter nicht einziehen ließe, bis er das erſte Quartal voraus- bezahlt haͤtte. Gut! ſagte Stilling, und ging zum Wirths- hauſe; hier fand er nun einen anſehnlichen, wohlgewachſenen Mann, mit einer hohen breiten Stirn, großen ſtarren Augen, magerem Geſicht und ſpitzigem Maͤulchen, aus deſſen Zuͤgen Geiſt und Verſchlagenheit allenthalben hervorblickte; neben ihm ſtand ſeine Frau im Amazonenhabit, und graͤmender Kummer nagte ihr am Herzen, man merkte das an ihrem ſchwimmen- den Auge und herabhangenden Winkeln des Mundes.
Nach einigen gewechſelten Komplimenten, wobei Tom tief und gierig die Fuͤhlhoͤrner in Stillings Seele einzubohren ſchien, ſagte dieſer: Herr Profeſſor! ich habe geſehen, wo Sie abge- ſtiegen ſind, kommen Sie mit mir, um nun auch zu ſehen, wo ich wohne.
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des Churfuͤrſten hauszuhalten, ſchlug ihm daher ſein Geſuch
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Erlaubniß an, dort ſich aufzuhalten und Kollegia leſen zu duͤr-
fen; dieß wurde ihm gerne zugeſtanden. Eiſenhart ſchrieb
daher an Stilling, dem die Beſorgung der Logis und der
Quartiere fuͤr die Studirenden aufgetragen war, er moͤchte fuͤr
Herrn Profeſſor Tom eine Wohnung miethen; zugleich ſchil-
derte er ihm dieſen Mann, und beſtimmte ihm, wie ſeine Woh-
nung beſchaffen ſeyn muͤßte.
Stilling miethete alſo ein paar ſchoͤne Zimmer bei einem
Kaufmann, und erwartete nun Toms Ankunft.
Endlich an einem Nachmittag kam die Magd aus einem
Wirthshauſe mit folgendem Zettel an Stilling:
P. P.
Profeſſor Tom iſt hier.
Tom.
Hm! dachte Stilling — eine ſeltſame Ankuͤndigung!
Nun beobachtete er immer den Grundſatz, da, wo er ſich
und der guten Sache nichts vergeben konnte, den unterſten
Weg zu gehen. Er nahm alſo Hut und Stock, um nach dem
Wirthshauſe zu gehen; jetzt in dem Augenblick wurde ihm aber
von dem Kaufmann angekuͤndigt, daß er den engliſchen Sprach-
meiſter nicht einziehen ließe, bis er das erſte Quartal voraus-
bezahlt haͤtte. Gut! ſagte Stilling, und ging zum Wirths-
hauſe; hier fand er nun einen anſehnlichen, wohlgewachſenen
Mann, mit einer hohen breiten Stirn, großen ſtarren Augen,
magerem Geſicht und ſpitzigem Maͤulchen, aus deſſen Zuͤgen
Geiſt und Verſchlagenheit allenthalben hervorblickte; neben ihm
ſtand ſeine Frau im Amazonenhabit, und graͤmender Kummer
nagte ihr am Herzen, man merkte das an ihrem ſchwimmen-
den Auge und herabhangenden Winkeln des Mundes.
Nach einigen gewechſelten Komplimenten, wobei Tom tief
und gierig die Fuͤhlhoͤrner in Stillings Seele einzubohren ſchien,
ſagte dieſer: Herr Profeſſor! ich habe geſehen, wo Sie abge-
ſtiegen ſind, kommen Sie mit mir, um nun auch zu ſehen,
wo ich wohne.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/385>, abgerufen am 24.11.2024.
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