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Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835.

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Schon neigt ich mich zum Staub darnieder,
Und schloß die müden Augenlider.

Ich sank -- doch wie in Freundes Armen
Ein Todtverwundter niedersinkt,
Wenn ihm das Auge voll Erbarmen
Des Arztes frohe Heilung winkt.
Ich ward erquickt, gestärkt, geheilet,
Und neue Kraft mir mitgetheilet.
Freund Isaac war's, in seiner Halle
Fand ich ein lautres Paradeis;
Da schmeckten mir die Freuden alle,
Da stieg zum Höchsten Dank und Preis,
Wir sangen ihm geweihte Lieder,
Er schaute gnädig auf uns nieder.

Stilling eilte nun den Berg hinunter nach Schönenthal
hin; er vernahm aber, daß die Sprachmeister daselbsten sich
für ihn nicht schicken würden, indem sie wegen vieler Ge-
schäfte hin und her in den Häusern, wenig Zeit auf ihn wür-
den verwenden können. Da er nun eilig war und bald fer-
tig seyn wollte, so mußte er eine Gelegenheit suchen, wo er
in kurzer Zeit viel lernen konnte; endlich wurd' er gewahr,
daß sich zu Dornfeld, wo Herr Dahlheim Prediger war,
ein sehr geschickter Sprachmeister aufhielte. Da nun dieser
Ort nur drei viertel Stunden von Schönenthal ablag, so
entschloß er sich desto lieber, dahin zu gehen.

Des Nachmittags um drei Uhr kam er daselbst an. Er
fragte alsbald nach dem Sprachmeister, ging zu ihm, und
fand einen sehr seltsamen originellen Menschen, der sich Hees-
feld
schrieb. Er saß da in einem dunkeln Stübchen, hatte
einen schmutzigen Schlafrock von schlechtem Camelot an, mit
einer Binde von demselben Zeug umgürtet; auf dem Kopf
hatte er eine latzige Mütze; sein Gesicht war blaß, wie eines
Menschen, der schon einige Tage im Grabe gelegen, und im
Verhältniß gegen die Breite viel zu lang. Die Stirne war
schön, aber unter pechschwarzen Augbraunen lagen ein paar
schwarze, schmale, kleine Augen tief im Kopf; die Nase war
schmal und lang, der Mund ordentlich, aber das Kinn stand

Schon neigt ich mich zum Staub darnieder,
Und ſchloß die müden Augenlider.

Ich ſank — doch wie in Freundes Armen
Ein Todtverwundter niederſinkt,
Wenn ihm das Auge voll Erbarmen
Des Arztes frohe Heilung winkt.
Ich ward erquickt, geſtärkt, geheilet,
Und neue Kraft mir mitgetheilet.
Freund Iſaac war’s, in ſeiner Halle
Fand ich ein lautres Paradeis;
Da ſchmeckten mir die Freuden alle,
Da ſtieg zum Höchſten Dank und Preis,
Wir ſangen ihm geweihte Lieder,
Er ſchaute gnädig auf uns nieder.

Stilling eilte nun den Berg hinunter nach Schoͤnenthal
hin; er vernahm aber, daß die Sprachmeiſter daſelbſten ſich
fuͤr ihn nicht ſchicken wuͤrden, indem ſie wegen vieler Ge-
ſchaͤfte hin und her in den Haͤuſern, wenig Zeit auf ihn wuͤr-
den verwenden koͤnnen. Da er nun eilig war und bald fer-
tig ſeyn wollte, ſo mußte er eine Gelegenheit ſuchen, wo er
in kurzer Zeit viel lernen konnte; endlich wurd’ er gewahr,
daß ſich zu Dornfeld, wo Herr Dahlheim Prediger war,
ein ſehr geſchickter Sprachmeiſter aufhielte. Da nun dieſer
Ort nur drei viertel Stunden von Schoͤnenthal ablag, ſo
entſchloß er ſich deſto lieber, dahin zu gehen.

Des Nachmittags um drei Uhr kam er daſelbſt an. Er
fragte alsbald nach dem Sprachmeiſter, ging zu ihm, und
fand einen ſehr ſeltſamen originellen Menſchen, der ſich Hees-
feld
ſchrieb. Er ſaß da in einem dunkeln Stuͤbchen, hatte
einen ſchmutzigen Schlafrock von ſchlechtem Camelot an, mit
einer Binde von demſelben Zeug umguͤrtet; auf dem Kopf
hatte er eine latzige Muͤtze; ſein Geſicht war blaß, wie eines
Menſchen, der ſchon einige Tage im Grabe gelegen, und im
Verhaͤltniß gegen die Breite viel zu lang. Die Stirne war
ſchoͤn, aber unter pechſchwarzen Augbraunen lagen ein paar
ſchwarze, ſchmale, kleine Augen tief im Kopf; die Naſe war
ſchmal und lang, der Mund ordentlich, aber das Kinn ſtand

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[236/0244] Schon neigt ich mich zum Staub darnieder, Und ſchloß die müden Augenlider. Ich ſank — doch wie in Freundes Armen Ein Todtverwundter niederſinkt, Wenn ihm das Auge voll Erbarmen Des Arztes frohe Heilung winkt. Ich ward erquickt, geſtärkt, geheilet, Und neue Kraft mir mitgetheilet. Freund Iſaac war’s, in ſeiner Halle Fand ich ein lautres Paradeis; Da ſchmeckten mir die Freuden alle, Da ſtieg zum Höchſten Dank und Preis, Wir ſangen ihm geweihte Lieder, Er ſchaute gnädig auf uns nieder. Stilling eilte nun den Berg hinunter nach Schoͤnenthal hin; er vernahm aber, daß die Sprachmeiſter daſelbſten ſich fuͤr ihn nicht ſchicken wuͤrden, indem ſie wegen vieler Ge- ſchaͤfte hin und her in den Haͤuſern, wenig Zeit auf ihn wuͤr- den verwenden koͤnnen. Da er nun eilig war und bald fer- tig ſeyn wollte, ſo mußte er eine Gelegenheit ſuchen, wo er in kurzer Zeit viel lernen konnte; endlich wurd’ er gewahr, daß ſich zu Dornfeld, wo Herr Dahlheim Prediger war, ein ſehr geſchickter Sprachmeiſter aufhielte. Da nun dieſer Ort nur drei viertel Stunden von Schoͤnenthal ablag, ſo entſchloß er ſich deſto lieber, dahin zu gehen. Des Nachmittags um drei Uhr kam er daſelbſt an. Er fragte alsbald nach dem Sprachmeiſter, ging zu ihm, und fand einen ſehr ſeltſamen originellen Menſchen, der ſich Hees- feld ſchrieb. Er ſaß da in einem dunkeln Stuͤbchen, hatte einen ſchmutzigen Schlafrock von ſchlechtem Camelot an, mit einer Binde von demſelben Zeug umguͤrtet; auf dem Kopf hatte er eine latzige Muͤtze; ſein Geſicht war blaß, wie eines Menſchen, der ſchon einige Tage im Grabe gelegen, und im Verhaͤltniß gegen die Breite viel zu lang. Die Stirne war ſchoͤn, aber unter pechſchwarzen Augbraunen lagen ein paar ſchwarze, ſchmale, kleine Augen tief im Kopf; die Naſe war ſchmal und lang, der Mund ordentlich, aber das Kinn ſtand

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Zitationshilfe: Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/244>, abgerufen am 23.11.2024.