eigenes Schulhaus für ihn haben und die lateinische Schule von der deutschen separiren."
(Denn beide Schulen waren vereinigt, jeder Schulmeister be- kam das halbe Gehalt, und der lateinische half dem deutschen in den übrigen Stunden.)
Gott verzeih mir meine Sünde! da säet doch der Teufel wie- der sein Unkraut. Wovon soll denn euer Rector leben?
"Das ist wiederum unsere Sache und nicht die Ihrige."
Hört, Schöffe Keilhof! Ihr seyd ein recht dummer Kerl! ein Vieh, so groß als eins auf Gottes Erdboden geht, -- scheert Euch nach Haus!
"Was? Ihr -- Ihr -- scheltet mich?"
Geht, großer Narr! Ihr sollt nun Euern Stilling nicht haben, so wahr ich Pastor bin! und damit ging er in sein Ca- binet und schloß die Thüre hinter sich zu.
Noch eh der Schöffe nach Haus kam, erhielt Stilling Ordre, nach dem Pfarrhaus zu kommen; er ging und dachte nicht an- ders, als er würde nun zum Rector eingesetzt werden. Allein wie erschrack er nicht, als ihn Stollbein folgendergestalt an- redete:
"Stilling! Eure Sache ist nichts. Wenn ihr nicht ins größte Elend, in Hunger und Kummer gerathen wollt, so me- lirt Euch nicht weiter mit den Florenburgern."
Und hierauf erzählte ihm der Pastor alles, was vorgefallen war. Stilling nahm mit größter Wehmuth Abschied von dem Pastor. Seyd zufrieden! sagte Herr Stollbein, Gott wird Euch noch segnen und glücklich machen, bleibt nur an Eu- rem Handwerk, bis ich Euch sonst anständig versorgen kann.
Die Florenburger wurden indessen bös auf Stilling, weil er, wie sie glaubten, heimlich mit dem Pastor gepflügt hatte. Sie verließen ihn also auch und wählten einen Andern. Herr Stollbein ließ ihnen für dießmal ihren Willen; sie machten einen neuen Rector, gaben ihm ein besonderes Haus, und da sie der alten deutschen Schule das Gehalt nicht entziehen konnten und durften, zu einem neuen aber keinen Rath wußten, so be- schloßen sie, ihm sechzig Kinder zum Lateinlernen zu verschaffen und von jedem Kind jährlich vier Reichsthaler zu bezahlen.
eigenes Schulhaus fuͤr ihn haben und die lateiniſche Schule von der deutſchen ſepariren.“
(Denn beide Schulen waren vereinigt, jeder Schulmeiſter be- kam das halbe Gehalt, und der lateiniſche half dem deutſchen in den uͤbrigen Stunden.)
Gott verzeih mir meine Suͤnde! da ſaͤet doch der Teufel wie- der ſein Unkraut. Wovon ſoll denn euer Rector leben?
„Das iſt wiederum unſere Sache und nicht die Ihrige.“
Hoͤrt, Schoͤffe Keilhof! Ihr ſeyd ein recht dummer Kerl! ein Vieh, ſo groß als eins auf Gottes Erdboden geht, — ſcheert Euch nach Haus!
„Was? Ihr — Ihr — ſcheltet mich?“
Geht, großer Narr! Ihr ſollt nun Euern Stilling nicht haben, ſo wahr ich Paſtor bin! und damit ging er in ſein Ca- binet und ſchloß die Thuͤre hinter ſich zu.
Noch eh der Schoͤffe nach Haus kam, erhielt Stilling Ordre, nach dem Pfarrhaus zu kommen; er ging und dachte nicht an- ders, als er wuͤrde nun zum Rector eingeſetzt werden. Allein wie erſchrack er nicht, als ihn Stollbein folgendergeſtalt an- redete:
„Stilling! Eure Sache iſt nichts. Wenn ihr nicht ins groͤßte Elend, in Hunger und Kummer gerathen wollt, ſo me- lirt Euch nicht weiter mit den Florenburgern.“
Und hierauf erzaͤhlte ihm der Paſtor alles, was vorgefallen war. Stilling nahm mit groͤßter Wehmuth Abſchied von dem Paſtor. Seyd zufrieden! ſagte Herr Stollbein, Gott wird Euch noch ſegnen und gluͤcklich machen, bleibt nur an Eu- rem Handwerk, bis ich Euch ſonſt anſtaͤndig verſorgen kann.
Die Florenburger wurden indeſſen boͤs auf Stilling, weil er, wie ſie glaubten, heimlich mit dem Paſtor gepfluͤgt hatte. Sie verließen ihn alſo auch und waͤhlten einen Andern. Herr Stollbein ließ ihnen fuͤr dießmal ihren Willen; ſie machten einen neuen Rector, gaben ihm ein beſonderes Haus, und da ſie der alten deutſchen Schule das Gehalt nicht entziehen konnten und durften, zu einem neuen aber keinen Rath wußten, ſo be- ſchloßen ſie, ihm ſechzig Kinder zum Lateinlernen zu verſchaffen und von jedem Kind jaͤhrlich vier Reichsthaler zu bezahlen.
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eigenes Schulhaus fuͤr ihn haben und die lateiniſche Schule von
der deutſchen ſepariren.“
(Denn beide Schulen waren vereinigt, jeder Schulmeiſter be-
kam das halbe Gehalt, und der lateiniſche half dem deutſchen in
den uͤbrigen Stunden.)
Gott verzeih mir meine Suͤnde! da ſaͤet doch der Teufel wie-
der ſein Unkraut. Wovon ſoll denn euer Rector leben?
„Das iſt wiederum unſere Sache und nicht die Ihrige.“
Hoͤrt, Schoͤffe Keilhof! Ihr ſeyd ein recht dummer Kerl!
ein Vieh, ſo groß als eins auf Gottes Erdboden geht, — ſcheert
Euch nach Haus!
„Was? Ihr — Ihr — ſcheltet mich?“
Geht, großer Narr! Ihr ſollt nun Euern Stilling nicht
haben, ſo wahr ich Paſtor bin! und damit ging er in ſein Ca-
binet und ſchloß die Thuͤre hinter ſich zu.
Noch eh der Schoͤffe nach Haus kam, erhielt Stilling Ordre,
nach dem Pfarrhaus zu kommen; er ging und dachte nicht an-
ders, als er wuͤrde nun zum Rector eingeſetzt werden. Allein
wie erſchrack er nicht, als ihn Stollbein folgendergeſtalt an-
redete:
„Stilling! Eure Sache iſt nichts. Wenn ihr nicht ins
groͤßte Elend, in Hunger und Kummer gerathen wollt, ſo me-
lirt Euch nicht weiter mit den Florenburgern.“
Und hierauf erzaͤhlte ihm der Paſtor alles, was vorgefallen
war. Stilling nahm mit groͤßter Wehmuth Abſchied von
dem Paſtor. Seyd zufrieden! ſagte Herr Stollbein, Gott
wird Euch noch ſegnen und gluͤcklich machen, bleibt nur an Eu-
rem Handwerk, bis ich Euch ſonſt anſtaͤndig verſorgen kann.
Die Florenburger wurden indeſſen boͤs auf Stilling, weil
er, wie ſie glaubten, heimlich mit dem Paſtor gepfluͤgt hatte.
Sie verließen ihn alſo auch und waͤhlten einen Andern. Herr
Stollbein ließ ihnen fuͤr dießmal ihren Willen; ſie machten
einen neuen Rector, gaben ihm ein beſonderes Haus, und da
ſie der alten deutſchen Schule das Gehalt nicht entziehen konnten
und durften, zu einem neuen aber keinen Rath wußten, ſo be-
ſchloßen ſie, ihm ſechzig Kinder zum Lateinlernen zu verſchaffen
und von jedem Kind jaͤhrlich vier Reichsthaler zu bezahlen.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/198>, abgerufen am 22.11.2024.
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