ton, noch Leibnitz, noch jeder Andere hat ihm Genüge thun können; doch hat er mir gestanden, daß er jetzt auf der wahren Spur sey, und daß er zu seiner Zeit damit aus Licht treten werde.
Damalen schien ihm die Alchymie der Weg dahin zu seyn, und deßwegen las er alle Schriften von der Art, die er nur auftreiben konnte. Allein es war Etwas in ihm, das immer- fort rief: Wo ist der Beweis, daß es wahr ist? -- Er kannte nur drei Quellen der Wahrheit: Erfahrung, mathematische Ueberführung und die Bibel, und alle drei Quellen wollten ihm gar keinen Aufschluß in der Alchymie geben, deßwegen ver- ließ er sie vor der Hand ganz.
Einstmals besuchte er seinen Freund Graser an einem Sam- stag Nachmittag; er fand ihn allein auf der Schule sitzen, allwo er Etwas ausstach, das einem Pettschaft ähnlich war. Stil- ling fragte: Herr College! was machen Sie da?
"Ich stech' ein Pettschaft."
Lassen sie mich doch sehen, das ist ja feine Arbeit!
"Es gehört für den Herrn von N. Hören Sie, mein Freund "Stilling! ich wollte Ihnen gern helfen, daß Sie ohne den "Schulstand und die Schneiderei zu Brod kommen könnten. "Ich beschwöre Sie bei Gott, daß Sie mich nicht verrathen "wollen."
Stilling gab ihm die Hand darauf und sagte: Ich werde Sie gewiß nicht verrathen.
"Nun so hören Sie! ich hab' ein Geheimniß; ich kann Ku- "pfer in Silber verwandeln, ich will Sie in Compagnie neh- "men und Ihnen die Hälfte von dem Gewinn geben; indessen "sollen Sie zuweilen einige Tage heimlich verreisen, und das "Silber an gewisse Leute zu veräußern suchen."
Stilling saß und dachte der Sache nach; der ganze Vor- trag gefiel ihm nicht, denn erstlich ging der Trieb nicht dahin, viel Geld zu erwerben, sondern nur Erkenntniß der Wahrheit und Wissenschaften zu erlangen, um Gott und dem Nächsten damit zu dienen; und fürs zweite kam ihm bei seiner geringen Weltkenntniß die ganze Sache doch verdächtig vor; denn je mehr er nach dem Pettschaft blickte, je mehr wurde er über-
ton, noch Leibnitz, noch jeder Andere hat ihm Genuͤge thun koͤnnen; doch hat er mir geſtanden, daß er jetzt auf der wahren Spur ſey, und daß er zu ſeiner Zeit damit aus Licht treten werde.
Damalen ſchien ihm die Alchymie der Weg dahin zu ſeyn, und deßwegen las er alle Schriften von der Art, die er nur auftreiben konnte. Allein es war Etwas in ihm, das immer- fort rief: Wo iſt der Beweis, daß es wahr iſt? — Er kannte nur drei Quellen der Wahrheit: Erfahrung, mathematiſche Ueberfuͤhrung und die Bibel, und alle drei Quellen wollten ihm gar keinen Aufſchluß in der Alchymie geben, deßwegen ver- ließ er ſie vor der Hand ganz.
Einſtmals beſuchte er ſeinen Freund Graſer an einem Sam- ſtag Nachmittag; er fand ihn allein auf der Schule ſitzen, allwo er Etwas ausſtach, das einem Pettſchaft aͤhnlich war. Stil- ling fragte: Herr College! was machen Sie da?
„Ich ſtech’ ein Pettſchaft.“
Laſſen ſie mich doch ſehen, das iſt ja feine Arbeit!
„Es gehoͤrt fuͤr den Herrn von N. Hoͤren Sie, mein Freund „Stilling! ich wollte Ihnen gern helfen, daß Sie ohne den „Schulſtand und die Schneiderei zu Brod kommen koͤnnten. „Ich beſchwoͤre Sie bei Gott, daß Sie mich nicht verrathen „wollen.“
Stilling gab ihm die Hand darauf und ſagte: Ich werde Sie gewiß nicht verrathen.
„Nun ſo hoͤren Sie! ich hab’ ein Geheimniß; ich kann Ku- „pfer in Silber verwandeln, ich will Sie in Compagnie neh- „men und Ihnen die Haͤlfte von dem Gewinn geben; indeſſen „ſollen Sie zuweilen einige Tage heimlich verreiſen, und das „Silber an gewiſſe Leute zu veraͤußern ſuchen.“
Stilling ſaß und dachte der Sache nach; der ganze Vor- trag gefiel ihm nicht, denn erſtlich ging der Trieb nicht dahin, viel Geld zu erwerben, ſondern nur Erkenntniß der Wahrheit und Wiſſenſchaften zu erlangen, um Gott und dem Naͤchſten damit zu dienen; und fuͤrs zweite kam ihm bei ſeiner geringen Weltkenntniß die ganze Sache doch verdaͤchtig vor; denn je mehr er nach dem Pettſchaft blickte, je mehr wurde er uͤber-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><hirendition="#g"><pbfacs="#f0166"n="158"/>
ton</hi>, noch <hirendition="#g">Leibnitz</hi>, noch jeder Andere hat ihm Genuͤge<lb/>
thun koͤnnen; doch hat er mir geſtanden, daß er jetzt auf der<lb/>
wahren Spur ſey, und daß er zu ſeiner Zeit damit aus Licht<lb/>
treten werde.</p><lb/><p>Damalen ſchien ihm die Alchymie der Weg dahin zu ſeyn,<lb/>
und deßwegen las er alle Schriften von der Art, die er nur<lb/>
auftreiben konnte. Allein es war Etwas in ihm, das immer-<lb/>
fort rief: Wo iſt der Beweis, daß es wahr iſt? — Er kannte<lb/>
nur drei Quellen der Wahrheit: Erfahrung, mathematiſche<lb/>
Ueberfuͤhrung und die Bibel, und alle drei Quellen wollten ihm<lb/>
gar keinen Aufſchluß in der Alchymie geben, deßwegen ver-<lb/>
ließ er ſie vor der Hand ganz.</p><lb/><p>Einſtmals beſuchte er ſeinen Freund <hirendition="#g">Graſer</hi> an einem Sam-<lb/>ſtag Nachmittag; er fand ihn allein auf der Schule ſitzen, allwo<lb/>
er Etwas ausſtach, das einem Pettſchaft aͤhnlich war. <hirendition="#g">Stil-<lb/>
ling</hi> fragte: Herr College! was machen Sie da?</p><lb/><p>„Ich ſtech’ ein Pettſchaft.“</p><lb/><p>Laſſen ſie mich doch ſehen, das iſt ja feine Arbeit!</p><lb/><p>„Es gehoͤrt fuͤr den Herrn von N. Hoͤren Sie, mein Freund<lb/>„<hirendition="#g">Stilling</hi>! ich wollte Ihnen gern helfen, daß Sie ohne den<lb/>„Schulſtand und die Schneiderei zu Brod kommen koͤnnten.<lb/>„Ich beſchwoͤre Sie bei Gott, daß Sie mich nicht verrathen<lb/>„wollen.“</p><lb/><p><hirendition="#g">Stilling</hi> gab ihm die Hand darauf und ſagte: Ich werde<lb/>
Sie gewiß nicht verrathen.</p><lb/><p>„Nun ſo hoͤren Sie! ich hab’ ein Geheimniß; ich kann Ku-<lb/>„pfer in Silber verwandeln, ich will Sie in Compagnie neh-<lb/>„men und Ihnen die Haͤlfte von dem Gewinn geben; indeſſen<lb/>„ſollen Sie zuweilen einige Tage heimlich verreiſen, und das<lb/>„Silber an gewiſſe Leute zu veraͤußern ſuchen.“</p><lb/><p><hirendition="#g">Stilling</hi>ſaß und dachte der Sache nach; der ganze Vor-<lb/>
trag gefiel ihm nicht, denn erſtlich ging der Trieb nicht dahin,<lb/>
viel Geld zu erwerben, ſondern nur Erkenntniß der Wahrheit<lb/>
und Wiſſenſchaften zu erlangen, um Gott und dem Naͤchſten<lb/>
damit zu dienen; und fuͤrs zweite kam ihm bei ſeiner geringen<lb/>
Weltkenntniß die ganze Sache doch verdaͤchtig vor; denn je<lb/>
mehr er nach dem Pettſchaft blickte, je mehr wurde er uͤber-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[158/0166]
ton, noch Leibnitz, noch jeder Andere hat ihm Genuͤge
thun koͤnnen; doch hat er mir geſtanden, daß er jetzt auf der
wahren Spur ſey, und daß er zu ſeiner Zeit damit aus Licht
treten werde.
Damalen ſchien ihm die Alchymie der Weg dahin zu ſeyn,
und deßwegen las er alle Schriften von der Art, die er nur
auftreiben konnte. Allein es war Etwas in ihm, das immer-
fort rief: Wo iſt der Beweis, daß es wahr iſt? — Er kannte
nur drei Quellen der Wahrheit: Erfahrung, mathematiſche
Ueberfuͤhrung und die Bibel, und alle drei Quellen wollten ihm
gar keinen Aufſchluß in der Alchymie geben, deßwegen ver-
ließ er ſie vor der Hand ganz.
Einſtmals beſuchte er ſeinen Freund Graſer an einem Sam-
ſtag Nachmittag; er fand ihn allein auf der Schule ſitzen, allwo
er Etwas ausſtach, das einem Pettſchaft aͤhnlich war. Stil-
ling fragte: Herr College! was machen Sie da?
„Ich ſtech’ ein Pettſchaft.“
Laſſen ſie mich doch ſehen, das iſt ja feine Arbeit!
„Es gehoͤrt fuͤr den Herrn von N. Hoͤren Sie, mein Freund
„Stilling! ich wollte Ihnen gern helfen, daß Sie ohne den
„Schulſtand und die Schneiderei zu Brod kommen koͤnnten.
„Ich beſchwoͤre Sie bei Gott, daß Sie mich nicht verrathen
„wollen.“
Stilling gab ihm die Hand darauf und ſagte: Ich werde
Sie gewiß nicht verrathen.
„Nun ſo hoͤren Sie! ich hab’ ein Geheimniß; ich kann Ku-
„pfer in Silber verwandeln, ich will Sie in Compagnie neh-
„men und Ihnen die Haͤlfte von dem Gewinn geben; indeſſen
„ſollen Sie zuweilen einige Tage heimlich verreiſen, und das
„Silber an gewiſſe Leute zu veraͤußern ſuchen.“
Stilling ſaß und dachte der Sache nach; der ganze Vor-
trag gefiel ihm nicht, denn erſtlich ging der Trieb nicht dahin,
viel Geld zu erwerben, ſondern nur Erkenntniß der Wahrheit
und Wiſſenſchaften zu erlangen, um Gott und dem Naͤchſten
damit zu dienen; und fuͤrs zweite kam ihm bei ſeiner geringen
Weltkenntniß die ganze Sache doch verdaͤchtig vor; denn je
mehr er nach dem Pettſchaft blickte, je mehr wurde er uͤber-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/166>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.