Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die Technik. A. Die Analytik. mel völlig aufgebe und statt deren eine andere wähle, die demBeklagten für die Verfolgung des von ihm in Anspruch genom- menen Rechts den nöthigen Spielraum verstattet. Die Klage kömmt hier der Vertheidigung nicht mehr bloß auf halbem Wege entgegen, sondern sie läßt sich ganz zu ihr hinab. Dieser Klagezwang ist ein nothwendiges Complement des Ueberzeugen wir uns davon an dem früher gesetzten Fall 92) L. 25 pr. de V. S. (50. 16). Recte dicimus eum fundum totum
nostrum esse, etiam cum ususfructus alienus est, quia ususfructus non dominii pars, sed servitutis sit ut via et iter, nec falso dici to- tum meum esse cujus non potest ulla pars dici alterius esse. Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik. mel völlig aufgebe und ſtatt deren eine andere wähle, die demBeklagten für die Verfolgung des von ihm in Anſpruch genom- menen Rechts den nöthigen Spielraum verſtattet. Die Klage kömmt hier der Vertheidigung nicht mehr bloß auf halbem Wege entgegen, ſondern ſie läßt ſich ganz zu ihr hinab. Dieſer Klagezwang iſt ein nothwendiges Complement des Ueberzeugen wir uns davon an dem früher geſetzten Fall 92) L. 25 pr. de V. S. (50. 16). Recte dicimus eum fundum totum
nostrum esse, etiam cum ususfructus alienus est, quia ususfructus non dominii pars, sed servitutis sit ut via et iter, nec falso dici to- tum meum esse cujus non potest ulla pars dici alterius esse. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <div n="9"> <div n="10"> <div n="11"> <div n="12"> <p><pb facs="#f0098" n="82"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Erſter Abſchn. <hi rendition="#aq">III.</hi> Die Technik. <hi rendition="#aq">A.</hi> Die Analytik.</fw><lb/> mel völlig aufgebe und ſtatt deren eine andere wähle, die dem<lb/> Beklagten für die Verfolgung des von ihm in Anſpruch genom-<lb/> menen Rechts den nöthigen Spielraum verſtattet. Die Klage<lb/> kömmt hier der Vertheidigung nicht mehr bloß auf <hi rendition="#g">halbem</hi> Wege<lb/> entgegen, ſondern ſie läßt ſich <hi rendition="#g">ganz</hi> zu ihr hinab.</p><lb/> <p>Dieſer Klagezwang iſt ein nothwendiges Complement des<lb/> alten Proceſſes, für den Beklagten ebenſo unentbehrlich, wie für<lb/> den Kläger in gewiſſen Fällen (S. 70—72) die Präjudicial-<lb/> klage; beide Einrichtungen geben den Partheien erſt das nöthige<lb/> Maß der freien Bewegung zurück, das ihnen ſonſt durch die Enge<lb/> der Proceßformen entzogen ſein würde.</p><lb/> <p>Ueberzeugen wir uns davon an dem früher geſetzten Fall<lb/> eines Rechtsſtreits zwiſchen Eigenthümer und Uſufructuar. An-<lb/> genommen der Eigenthümer hätte einfach gegen letzteren die Vin-<lb/> dication angeſtellt, der Beklagte aber ſich auf ſein ihm vom Kläger<lb/> beſtrittenes Recht berufen. Wäre hier dem Richter die gewöhn-<lb/> liche Frage im Vindicationsproceß geſtellt worden: <hi rendition="#aq">si paret rem<lb/> actoris esse,</hi> ſo hätte er den Beklagten mit der Behauptung ſei-<lb/> nes Nießbrauchs gar nicht hören dürfen, denn dieſelbe enthält<lb/> keine Negation des Eigenthums, ſelbſt nicht eine <hi rendition="#g">partielle</hi>:<lb/> „der Nießbrauch — lautet die Regel — iſt kein Theil des Eigen-<lb/> thums“. <note place="foot" n="92)"><hi rendition="#aq">L. 25 pr. de V. S. (50. 16). Recte dicimus eum fundum totum<lb/> nostrum esse, etiam cum ususfructus alienus est, quia <hi rendition="#g">ususfructus<lb/> non dominii</hi> pars, sed servitutis sit ut via et iter, nec falso dici <hi rendition="#g">to-<lb/> tum meum esse</hi> cujus non potest ulla pars dici alterius esse.</hi></note> Andererſeits aber konnte man doch auch den Ein-<lb/> wand des Beklagten nicht in die Formel aufnehmen, denn Eigen-<lb/> thum und Nießbrauch ſind ebenſo irrationale Größen, und folglich<lb/> in derſelben Formel ebenſo unverträglich mit einander, wie Eigen-<lb/> thum und Forderung (Note 74). Man half ſich hier in der<lb/> Weiſe, daß man eine Formel componirte, die gewiſſermaßen die<lb/> Mitte zwiſchen den Rechten beider Partheien hielt, beiden ſowohl<lb/> die Behauptung des eignen als die Beſtreitung des gegneriſchen<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [82/0098]
Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
mel völlig aufgebe und ſtatt deren eine andere wähle, die dem
Beklagten für die Verfolgung des von ihm in Anſpruch genom-
menen Rechts den nöthigen Spielraum verſtattet. Die Klage
kömmt hier der Vertheidigung nicht mehr bloß auf halbem Wege
entgegen, ſondern ſie läßt ſich ganz zu ihr hinab.
Dieſer Klagezwang iſt ein nothwendiges Complement des
alten Proceſſes, für den Beklagten ebenſo unentbehrlich, wie für
den Kläger in gewiſſen Fällen (S. 70—72) die Präjudicial-
klage; beide Einrichtungen geben den Partheien erſt das nöthige
Maß der freien Bewegung zurück, das ihnen ſonſt durch die Enge
der Proceßformen entzogen ſein würde.
Ueberzeugen wir uns davon an dem früher geſetzten Fall
eines Rechtsſtreits zwiſchen Eigenthümer und Uſufructuar. An-
genommen der Eigenthümer hätte einfach gegen letzteren die Vin-
dication angeſtellt, der Beklagte aber ſich auf ſein ihm vom Kläger
beſtrittenes Recht berufen. Wäre hier dem Richter die gewöhn-
liche Frage im Vindicationsproceß geſtellt worden: si paret rem
actoris esse, ſo hätte er den Beklagten mit der Behauptung ſei-
nes Nießbrauchs gar nicht hören dürfen, denn dieſelbe enthält
keine Negation des Eigenthums, ſelbſt nicht eine partielle:
„der Nießbrauch — lautet die Regel — iſt kein Theil des Eigen-
thums“. 92) Andererſeits aber konnte man doch auch den Ein-
wand des Beklagten nicht in die Formel aufnehmen, denn Eigen-
thum und Nießbrauch ſind ebenſo irrationale Größen, und folglich
in derſelben Formel ebenſo unverträglich mit einander, wie Eigen-
thum und Forderung (Note 74). Man half ſich hier in der
Weiſe, daß man eine Formel componirte, die gewiſſermaßen die
Mitte zwiſchen den Rechten beider Partheien hielt, beiden ſowohl
die Behauptung des eignen als die Beſtreitung des gegneriſchen
92) L. 25 pr. de V. S. (50. 16). Recte dicimus eum fundum totum
nostrum esse, etiam cum ususfructus alienus est, quia ususfructus
non dominii pars, sed servitutis sit ut via et iter, nec falso dici to-
tum meum esse cujus non potest ulla pars dici alterius esse.
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Zitationshilfe: | Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/98>, abgerufen am 16.02.2025. |