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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

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A. Der Proceß. Unzulässigkeit der Klagencumulation. §. 51.
klagten den Sieg hätte zuerkennen wollen? Hier konnte weder
das sacramentum der einen, noch das der andern Parthei für
ganz verwirkt oder für ganz rückfällig erklärt werden, es
hätte also nichts erübrigt, als das sacramentum zu theilen! --
eine Idee, zu der sich schwerlich Jemand bekennen wird.

Wenn ich so eben die Möglichkeit der Klagencumulation
auch für das neuere römische Recht in Abrede gestellt habe, so
darf ich doch nicht verschweigen, daß unsere Quellen drei unläug-
bare Fälle des Gegentheils enthalten; sie erlauben nämlich, eine
einzige act. familiae erciscundae in Anwendung auf mehre
denselben Partheien gemeinschaftliche Erbschaften, eine einzige
act. pro socio für mehre unter ihnen bestehende Societäten und
eine act. emti für einen vom Erblasser und einen vom Erben
mit derselben Person über dieselbe Sache abgeschlossenen Kauf-
contract. 19) Der Umstand, daß alle diese Fälle Obligations-
verhältnisse derselben Art zum Gegenstand haben, während
sich für die Cumulation verschiedener Klagen, z. B. einer
act. venditi und locati kein Beispiel beibringen läßt, ist sicherlich
kein rein zufälliger; er erklärt jedenfalls die formelle Möglich-
keit einer solchen Cumulation, indem es dazu in diesen Fällen
keiner Aenderung der gewöhnlichen formula der act. pro socio
u. s. w., keiner besonders construirten Doppel-Formel bedurfte,
und diese Leichtigkeit einer Abweichung von der ältern Regel
mag in einer Zeit, da, wie im dritten System zu zeigen ist,
der Sinn für die scharfen Formen und die Plastik des alten
Processes bedeutend im Abnehmen war, den Ausschlag gegeben

19) L. 25 §. 3, 4 fam. erc. (10. 2) -- L. 52 §. 14 pro soc. (17. 2);
auch wenn man diese Stelle nicht von mehren über verschiedene Objecte ab-
geschlossenen Societäten, sondern von einer und derselben, bei einem Todesfall
erneuerten Societät verstehen will, bleibt die Schwierigkeit gleich groß, denn
die Erneuerung enthält jedes Mal einen neuen Abschluß. -- L. 10 de act.
emti
(19. 1). In L. 1 de quib. reb. (11. 2) erblicke ich keinen hierher ge-
hörigen Fall, denn unter den "eosdem" verstehe ich andere Personen, als
die "plures".
3*

A. Der Proceß. Unzuläſſigkeit der Klagencumulation. §. 51.
klagten den Sieg hätte zuerkennen wollen? Hier konnte weder
das sacramentum der einen, noch das der andern Parthei für
ganz verwirkt oder für ganz rückfällig erklärt werden, es
hätte alſo nichts erübrigt, als das sacramentum zu theilen! —
eine Idee, zu der ſich ſchwerlich Jemand bekennen wird.

Wenn ich ſo eben die Möglichkeit der Klagencumulation
auch für das neuere römiſche Recht in Abrede geſtellt habe, ſo
darf ich doch nicht verſchweigen, daß unſere Quellen drei unläug-
bare Fälle des Gegentheils enthalten; ſie erlauben nämlich, eine
einzige act. familiae erciscundae in Anwendung auf mehre
denſelben Partheien gemeinſchaftliche Erbſchaften, eine einzige
act. pro socio für mehre unter ihnen beſtehende Societäten und
eine act. emti für einen vom Erblaſſer und einen vom Erben
mit derſelben Perſon über dieſelbe Sache abgeſchloſſenen Kauf-
contract. 19) Der Umſtand, daß alle dieſe Fälle Obligations-
verhältniſſe derſelben Art zum Gegenſtand haben, während
ſich für die Cumulation verſchiedener Klagen, z. B. einer
act. venditi und locati kein Beiſpiel beibringen läßt, iſt ſicherlich
kein rein zufälliger; er erklärt jedenfalls die formelle Möglich-
keit einer ſolchen Cumulation, indem es dazu in dieſen Fällen
keiner Aenderung der gewöhnlichen formula der act. pro socio
u. ſ. w., keiner beſonders conſtruirten Doppel-Formel bedurfte,
und dieſe Leichtigkeit einer Abweichung von der ältern Regel
mag in einer Zeit, da, wie im dritten Syſtem zu zeigen iſt,
der Sinn für die ſcharfen Formen und die Plaſtik des alten
Proceſſes bedeutend im Abnehmen war, den Ausſchlag gegeben

19) L. 25 §. 3, 4 fam. erc. (10. 2) — L. 52 §. 14 pro soc. (17. 2);
auch wenn man dieſe Stelle nicht von mehren über verſchiedene Objecte ab-
geſchloſſenen Societäten, ſondern von einer und derſelben, bei einem Todesfall
erneuerten Societät verſtehen will, bleibt die Schwierigkeit gleich groß, denn
die Erneuerung enthält jedes Mal einen neuen Abſchluß. — L. 10 de act.
emti
(19. 1). In L. 1 de quib. reb. (11. 2) erblicke ich keinen hierher ge-
hörigen Fall, denn unter den „eosdem“ verſtehe ich andere Perſonen, als
die „plures“.
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[35/0051] A. Der Proceß. Unzuläſſigkeit der Klagencumulation. §. 51. klagten den Sieg hätte zuerkennen wollen? Hier konnte weder das sacramentum der einen, noch das der andern Parthei für ganz verwirkt oder für ganz rückfällig erklärt werden, es hätte alſo nichts erübrigt, als das sacramentum zu theilen! — eine Idee, zu der ſich ſchwerlich Jemand bekennen wird. Wenn ich ſo eben die Möglichkeit der Klagencumulation auch für das neuere römiſche Recht in Abrede geſtellt habe, ſo darf ich doch nicht verſchweigen, daß unſere Quellen drei unläug- bare Fälle des Gegentheils enthalten; ſie erlauben nämlich, eine einzige act. familiae erciscundae in Anwendung auf mehre denſelben Partheien gemeinſchaftliche Erbſchaften, eine einzige act. pro socio für mehre unter ihnen beſtehende Societäten und eine act. emti für einen vom Erblaſſer und einen vom Erben mit derſelben Perſon über dieſelbe Sache abgeſchloſſenen Kauf- contract. 19) Der Umſtand, daß alle dieſe Fälle Obligations- verhältniſſe derſelben Art zum Gegenſtand haben, während ſich für die Cumulation verſchiedener Klagen, z. B. einer act. venditi und locati kein Beiſpiel beibringen läßt, iſt ſicherlich kein rein zufälliger; er erklärt jedenfalls die formelle Möglich- keit einer ſolchen Cumulation, indem es dazu in dieſen Fällen keiner Aenderung der gewöhnlichen formula der act. pro socio u. ſ. w., keiner beſonders conſtruirten Doppel-Formel bedurfte, und dieſe Leichtigkeit einer Abweichung von der ältern Regel mag in einer Zeit, da, wie im dritten Syſtem zu zeigen iſt, der Sinn für die ſcharfen Formen und die Plaſtik des alten Proceſſes bedeutend im Abnehmen war, den Ausſchlag gegeben 19) L. 25 §. 3, 4 fam. erc. (10. 2) — L. 52 §. 14 pro soc. (17. 2); auch wenn man dieſe Stelle nicht von mehren über verſchiedene Objecte ab- geſchloſſenen Societäten, ſondern von einer und derſelben, bei einem Todesfall erneuerten Societät verſtehen will, bleibt die Schwierigkeit gleich groß, denn die Erneuerung enthält jedes Mal einen neuen Abſchluß. — L. 10 de act. emti (19. 1). In L. 1 de quib. reb. (11. 2) erblicke ich keinen hierher ge- hörigen Fall, denn unter den „eosdem“ verſtehe ich andere Perſonen, als die „plures“. 3*

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/51>, abgerufen am 21.11.2024.