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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

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Die Schleichwege des Lebens. §. 57.
Beschränkung, als die sich aus dem Erforderniß der Erbfähigkeit
der honorirten Person ergab. Bedacht werden konnten nur solche
Personen, die das commercium hatten, also keine Peregrinen. Die
erste positive Beschränkung, welche die Gesetzgebung hinzufügte,
hatte die Höhe der Legate zum Gegenstand, und es erschienen darüber
bekanntlich drei Gesetze mit wechselnden Bestimmungen: die lex
Furia, Voconia, Falcidia.
Es ist eine auffallende Erscheinung,
daß während die beiden erstern in ganz vorsichtiger Weise neben
dem Legat auch das "mortis causa capere" mit nannten, 355)
die lex Falcidia sich dessen entschlug und lediglich das Legat er-
wähnte. 356) Damit war, man möchte fast glauben mit Absicht,
eine Hinterthür geöffnet. Wer sich dem Gesetz entziehen wollte,
brauchte die Zuwendung nur in Form einer mortis causa donatio
einzukleiden oder die gewünschte Leistung zur Bedingung der
Erbeseinsetzung zu machen (Note 145); beides war kein Legat, fiel
also nicht unter das Gesetz. Dasselbe galt von den Fideicom-
missen. Daß man bei der Erhebung derselben zur Klagbarkeit
es versäumte, die lex Falcidia auf sie zu übertragen, war eine
Unterlassung, -- ob absichtliche oder unabsichtliche, bleibe
dahin gestellt -- welche den praktischen Fortbestand des Gesetzes
so gut wie in Frage stellte und aus dem Grunde sehr bald nach-
her nachgeholt werden mußte.

Ungleich unbequemer und drückender, als diese objective
Schranke der Testirfreiheit, waren die subjectiven, welche die
lex Voconia hinsichtlich der Weiber, die lex Furia Norbana rück-
sichtlich einer gewissen Classe der Freigelassenen, vor allem aber
die oben erwähnte lex Julia und Papia Poppaea hinsichtlich der
Kinderlosen und Ehelosen zog, und diese subjectiven Schranken,
zu denen sich noch die rücksichtlich der Peregrinen aus dem ältern
Recht hinzugesellte, waren es vornehmlich, gegen welche man
Jahrhunderte hindurch alle Kunst und Schlauheit aufbot. Eine

355) Gaj. II. 224, 226.
356) Gaj. II. 227 und L. 1 pr. ad leg. Falc. (35. 2).

Die Schleichwege des Lebens. §. 57.
Beſchränkung, als die ſich aus dem Erforderniß der Erbfähigkeit
der honorirten Perſon ergab. Bedacht werden konnten nur ſolche
Perſonen, die das commercium hatten, alſo keine Peregrinen. Die
erſte poſitive Beſchränkung, welche die Geſetzgebung hinzufügte,
hatte die Höhe der Legate zum Gegenſtand, und es erſchienen darüber
bekanntlich drei Geſetze mit wechſelnden Beſtimmungen: die lex
Furia, Voconia, Falcidia.
Es iſt eine auffallende Erſcheinung,
daß während die beiden erſtern in ganz vorſichtiger Weiſe neben
dem Legat auch das „mortis causa capere“ mit nannten, 355)
die lex Falcidia ſich deſſen entſchlug und lediglich das Legat er-
wähnte. 356) Damit war, man möchte faſt glauben mit Abſicht,
eine Hinterthür geöffnet. Wer ſich dem Geſetz entziehen wollte,
brauchte die Zuwendung nur in Form einer mortis causa donatio
einzukleiden oder die gewünſchte Leiſtung zur Bedingung der
Erbeseinſetzung zu machen (Note 145); beides war kein Legat, fiel
alſo nicht unter das Geſetz. Daſſelbe galt von den Fideicom-
miſſen. Daß man bei der Erhebung derſelben zur Klagbarkeit
es verſäumte, die lex Falcidia auf ſie zu übertragen, war eine
Unterlaſſung, — ob abſichtliche oder unabſichtliche, bleibe
dahin geſtellt — welche den praktiſchen Fortbeſtand des Geſetzes
ſo gut wie in Frage ſtellte und aus dem Grunde ſehr bald nach-
her nachgeholt werden mußte.

Ungleich unbequemer und drückender, als dieſe objective
Schranke der Teſtirfreiheit, waren die ſubjectiven, welche die
lex Voconia hinſichtlich der Weiber, die lex Furia Norbana rück-
ſichtlich einer gewiſſen Claſſe der Freigelaſſenen, vor allem aber
die oben erwähnte lex Julia und Papia Poppaea hinſichtlich der
Kinderloſen und Eheloſen zog, und dieſe ſubjectiven Schranken,
zu denen ſich noch die rückſichtlich der Peregrinen aus dem ältern
Recht hinzugeſellte, waren es vornehmlich, gegen welche man
Jahrhunderte hindurch alle Kunſt und Schlauheit aufbot. Eine

355) Gaj. II. 224, 226.
356) Gaj. II. 227 und L. 1 pr. ad leg. Falc. (35. 2).
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[255/0271] Die Schleichwege des Lebens. §. 57. Beſchränkung, als die ſich aus dem Erforderniß der Erbfähigkeit der honorirten Perſon ergab. Bedacht werden konnten nur ſolche Perſonen, die das commercium hatten, alſo keine Peregrinen. Die erſte poſitive Beſchränkung, welche die Geſetzgebung hinzufügte, hatte die Höhe der Legate zum Gegenſtand, und es erſchienen darüber bekanntlich drei Geſetze mit wechſelnden Beſtimmungen: die lex Furia, Voconia, Falcidia. Es iſt eine auffallende Erſcheinung, daß während die beiden erſtern in ganz vorſichtiger Weiſe neben dem Legat auch das „mortis causa capere“ mit nannten, 355) die lex Falcidia ſich deſſen entſchlug und lediglich das Legat er- wähnte. 356) Damit war, man möchte faſt glauben mit Abſicht, eine Hinterthür geöffnet. Wer ſich dem Geſetz entziehen wollte, brauchte die Zuwendung nur in Form einer mortis causa donatio einzukleiden oder die gewünſchte Leiſtung zur Bedingung der Erbeseinſetzung zu machen (Note 145); beides war kein Legat, fiel alſo nicht unter das Geſetz. Daſſelbe galt von den Fideicom- miſſen. Daß man bei der Erhebung derſelben zur Klagbarkeit es verſäumte, die lex Falcidia auf ſie zu übertragen, war eine Unterlaſſung, — ob abſichtliche oder unabſichtliche, bleibe dahin geſtellt — welche den praktiſchen Fortbeſtand des Geſetzes ſo gut wie in Frage ſtellte und aus dem Grunde ſehr bald nach- her nachgeholt werden mußte. Ungleich unbequemer und drückender, als dieſe objective Schranke der Teſtirfreiheit, waren die ſubjectiven, welche die lex Voconia hinſichtlich der Weiber, die lex Furia Norbana rück- ſichtlich einer gewiſſen Claſſe der Freigelaſſenen, vor allem aber die oben erwähnte lex Julia und Papia Poppaea hinſichtlich der Kinderloſen und Eheloſen zog, und dieſe ſubjectiven Schranken, zu denen ſich noch die rückſichtlich der Peregrinen aus dem ältern Recht hinzugeſellte, waren es vornehmlich, gegen welche man Jahrhunderte hindurch alle Kunſt und Schlauheit aufbot. Eine 355) Gaj. II. 224, 226. 356) Gaj. II. 227 und L. 1 pr. ad leg. Falc. (35. 2).

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/271>, abgerufen am 22.11.2024.