Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
für den Dritten, der sie belangen will. Für ihn, den außen
Stehenden, ist es ungleich mühsamer und oft geradezu unmög-
lich, das Theilverhältniß, das er ja bei jedem Beklagten in der
Klage angeben muß, zu ermitteln, und der beste, unzweifelhafteste
Anspruch würde, wenn dieser Schwierigkeit nicht abzuhelfen
wäre, nur zu oft Gefahr laufen Schiffbruch zu leiden. Die
Richtung, in der die Abhülfe zu suchen, ist durch die Sache
selber in dem Maße vorgezeichnet, daß der Verkehr überall unter
den verschiedensten Verhältnissen und zu den verschiedensten Zei-
ten jener Schwierigkeit in derselben Weise begegnet ist. Das
Mittel besteht einfach in einer Anwendung unseres obigen Ge-
sichtspunktes, nämlich in der Ausscheidung eben jener unbeque-
men Frage: wie das der Gesammtgemeinschaft an sich zustehende
Recht oder die auf ihr lastende Verbindlichkeit im Innern der-
selben sich unter die Mitglieder vertheile? kurz in der Aus-
scheidung der innern Seite des Verhältnisses und der Beschrän-
kung auf die äußere Seite, d. h. der Frage von der Existenz des
Anspruchs zwischen der Gemeinschaft auf der einen und dem
Dritten auf der andern Seite. Technisch wird diese Ausschei-
dung der subjectiven Seite des Verhältnisses dadurch vermittelt,
daß ein künstlicher Träger desselben geschaffen wird, der nach
außen als Subject desselben figurirt. In Wirklichkeit ist er nichts
als ein Figurant, ein bloßer Mechanismus, um in bequemer
Weise die Beziehungen der Gemeinschaft nach außen hin zu
vermitteln; nach innen hin ist nicht Er der Berechtigte, son-
dern die Gemeinschaftsinteressenten, die hinter ihm stehen, und
denen er bloß als Leitapparat dient. Nach außen hin aber nimmt
er durchaus die Stellung des wirklich Berechtigten und Ver-
pflichteten ein, Er ist es, der klagt und beklagt wird, der die
Rechtsgeschäfte abschließt und ausführt. Seine Stellung ist
also keineswegs die eines gewöhnlichen Bevollmächtigten, da-
mit würden die obigen Schwierigkeiten nicht umgangen, denn
der Bevollmächtigte, der nicht das eigne, sondern das Recht sei-
ner Mandanten geltend macht, wird durch den ihm obliegenden

Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
für den Dritten, der ſie belangen will. Für ihn, den außen
Stehenden, iſt es ungleich mühſamer und oft geradezu unmög-
lich, das Theilverhältniß, das er ja bei jedem Beklagten in der
Klage angeben muß, zu ermitteln, und der beſte, unzweifelhafteſte
Anſpruch würde, wenn dieſer Schwierigkeit nicht abzuhelfen
wäre, nur zu oft Gefahr laufen Schiffbruch zu leiden. Die
Richtung, in der die Abhülfe zu ſuchen, iſt durch die Sache
ſelber in dem Maße vorgezeichnet, daß der Verkehr überall unter
den verſchiedenſten Verhältniſſen und zu den verſchiedenſten Zei-
ten jener Schwierigkeit in derſelben Weiſe begegnet iſt. Das
Mittel beſteht einfach in einer Anwendung unſeres obigen Ge-
ſichtspunktes, nämlich in der Ausſcheidung eben jener unbeque-
men Frage: wie das der Geſammtgemeinſchaft an ſich zuſtehende
Recht oder die auf ihr laſtende Verbindlichkeit im Innern der-
ſelben ſich unter die Mitglieder vertheile? kurz in der Aus-
ſcheidung der innern Seite des Verhältniſſes und der Beſchrän-
kung auf die äußere Seite, d. h. der Frage von der Exiſtenz des
Anſpruchs zwiſchen der Gemeinſchaft auf der einen und dem
Dritten auf der andern Seite. Techniſch wird dieſe Ausſchei-
dung der ſubjectiven Seite des Verhältniſſes dadurch vermittelt,
daß ein künſtlicher Träger deſſelben geſchaffen wird, der nach
außen als Subject deſſelben figurirt. In Wirklichkeit iſt er nichts
als ein Figurant, ein bloßer Mechanismus, um in bequemer
Weiſe die Beziehungen der Gemeinſchaft nach außen hin zu
vermitteln; nach innen hin iſt nicht Er der Berechtigte, ſon-
dern die Gemeinſchaftsintereſſenten, die hinter ihm ſtehen, und
denen er bloß als Leitapparat dient. Nach außen hin aber nimmt
er durchaus die Stellung des wirklich Berechtigten und Ver-
pflichteten ein, Er iſt es, der klagt und beklagt wird, der die
Rechtsgeſchäfte abſchließt und ausführt. Seine Stellung iſt
alſo keineswegs die eines gewöhnlichen Bevollmächtigten, da-
mit würden die obigen Schwierigkeiten nicht umgangen, denn
der Bevollmächtigte, der nicht das eigne, ſondern das Recht ſei-
ner Mandanten geltend macht, wird durch den ihm obliegenden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <p><pb facs="#f0226" n="210"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Er&#x017F;ter Ab&#x017F;chn. <hi rendition="#aq">III.</hi> Die Technik. <hi rendition="#aq">A.</hi> Die Analytik.</fw><lb/>
für den Dritten, der &#x017F;ie belangen will. Für ihn, den außen<lb/>
Stehenden, i&#x017F;t es ungleich müh&#x017F;amer und oft geradezu unmög-<lb/>
lich, das Theilverhältniß, das er ja bei jedem Beklagten in der<lb/>
Klage angeben muß, zu ermitteln, und der be&#x017F;te, unzweifelhafte&#x017F;te<lb/>
An&#x017F;pruch würde, wenn die&#x017F;er Schwierigkeit nicht abzuhelfen<lb/>
wäre, nur zu oft Gefahr laufen Schiffbruch zu leiden. Die<lb/>
Richtung, in der die Abhülfe zu &#x017F;uchen, i&#x017F;t durch die Sache<lb/>
&#x017F;elber in dem Maße vorgezeichnet, daß der Verkehr überall unter<lb/>
den ver&#x017F;chieden&#x017F;ten Verhältni&#x017F;&#x017F;en und zu den ver&#x017F;chieden&#x017F;ten Zei-<lb/>
ten jener Schwierigkeit in der&#x017F;elben Wei&#x017F;e begegnet i&#x017F;t. Das<lb/>
Mittel be&#x017F;teht einfach in einer Anwendung un&#x017F;eres obigen Ge-<lb/>
&#x017F;ichtspunktes, nämlich in der Aus&#x017F;cheidung eben jener unbeque-<lb/>
men Frage: wie das der Ge&#x017F;ammtgemein&#x017F;chaft an &#x017F;ich zu&#x017F;tehende<lb/>
Recht oder die auf ihr la&#x017F;tende Verbindlichkeit im Innern der-<lb/>
&#x017F;elben &#x017F;ich unter die Mitglieder vertheile? kurz in der Aus-<lb/>
&#x017F;cheidung der innern Seite des Verhältni&#x017F;&#x017F;es und der Be&#x017F;chrän-<lb/>
kung auf die äußere Seite, d. h. der Frage von der Exi&#x017F;tenz des<lb/>
An&#x017F;pruchs zwi&#x017F;chen der Gemein&#x017F;chaft auf der einen und dem<lb/>
Dritten auf der andern Seite. Techni&#x017F;ch wird die&#x017F;e Aus&#x017F;chei-<lb/>
dung der &#x017F;ubjectiven Seite des Verhältni&#x017F;&#x017F;es dadurch vermittelt,<lb/>
daß ein kün&#x017F;tlicher Träger de&#x017F;&#x017F;elben ge&#x017F;chaffen wird, der nach<lb/>
außen als Subject de&#x017F;&#x017F;elben figurirt. In Wirklichkeit i&#x017F;t er nichts<lb/>
als ein Figurant, ein bloßer Mechanismus, um in bequemer<lb/>
Wei&#x017F;e die Beziehungen der Gemein&#x017F;chaft nach <hi rendition="#g">außen hin</hi> zu<lb/>
vermitteln; nach <hi rendition="#g">innen</hi> hin i&#x017F;t nicht Er der Berechtigte, &#x017F;on-<lb/>
dern die Gemein&#x017F;chaftsintere&#x017F;&#x017F;enten, die hinter ihm &#x017F;tehen, und<lb/>
denen er bloß als Leitapparat dient. Nach außen hin aber nimmt<lb/>
er durchaus die Stellung des wirklich Berechtigten und Ver-<lb/>
pflichteten ein, Er i&#x017F;t es, der klagt und beklagt wird, der die<lb/>
Rechtsge&#x017F;chäfte ab&#x017F;chließt und ausführt. Seine Stellung i&#x017F;t<lb/>
al&#x017F;o keineswegs die eines gewöhnlichen Bevollmächtigten, da-<lb/>
mit würden die obigen Schwierigkeiten nicht umgangen, denn<lb/>
der Bevollmächtigte, der nicht das eigne, &#x017F;ondern das Recht &#x017F;ei-<lb/>
ner Mandanten geltend macht, wird durch den ihm obliegenden<lb/></p>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[210/0226] Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik. für den Dritten, der ſie belangen will. Für ihn, den außen Stehenden, iſt es ungleich mühſamer und oft geradezu unmög- lich, das Theilverhältniß, das er ja bei jedem Beklagten in der Klage angeben muß, zu ermitteln, und der beſte, unzweifelhafteſte Anſpruch würde, wenn dieſer Schwierigkeit nicht abzuhelfen wäre, nur zu oft Gefahr laufen Schiffbruch zu leiden. Die Richtung, in der die Abhülfe zu ſuchen, iſt durch die Sache ſelber in dem Maße vorgezeichnet, daß der Verkehr überall unter den verſchiedenſten Verhältniſſen und zu den verſchiedenſten Zei- ten jener Schwierigkeit in derſelben Weiſe begegnet iſt. Das Mittel beſteht einfach in einer Anwendung unſeres obigen Ge- ſichtspunktes, nämlich in der Ausſcheidung eben jener unbeque- men Frage: wie das der Geſammtgemeinſchaft an ſich zuſtehende Recht oder die auf ihr laſtende Verbindlichkeit im Innern der- ſelben ſich unter die Mitglieder vertheile? kurz in der Aus- ſcheidung der innern Seite des Verhältniſſes und der Beſchrän- kung auf die äußere Seite, d. h. der Frage von der Exiſtenz des Anſpruchs zwiſchen der Gemeinſchaft auf der einen und dem Dritten auf der andern Seite. Techniſch wird dieſe Ausſchei- dung der ſubjectiven Seite des Verhältniſſes dadurch vermittelt, daß ein künſtlicher Träger deſſelben geſchaffen wird, der nach außen als Subject deſſelben figurirt. In Wirklichkeit iſt er nichts als ein Figurant, ein bloßer Mechanismus, um in bequemer Weiſe die Beziehungen der Gemeinſchaft nach außen hin zu vermitteln; nach innen hin iſt nicht Er der Berechtigte, ſon- dern die Gemeinſchaftsintereſſenten, die hinter ihm ſtehen, und denen er bloß als Leitapparat dient. Nach außen hin aber nimmt er durchaus die Stellung des wirklich Berechtigten und Ver- pflichteten ein, Er iſt es, der klagt und beklagt wird, der die Rechtsgeſchäfte abſchließt und ausführt. Seine Stellung iſt alſo keineswegs die eines gewöhnlichen Bevollmächtigten, da- mit würden die obigen Schwierigkeiten nicht umgangen, denn der Bevollmächtigte, der nicht das eigne, ſondern das Recht ſei- ner Mandanten geltend macht, wird durch den ihm obliegenden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/226
Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/226>, abgerufen am 05.05.2024.