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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

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B. Das Rechtsgeschäft. Concentration desselben. §. 53.
ich es nur consequent finden, wenn sie das Rechtsgeschäft vom
Tage seiner Conception datiren; dies ist nämlich die Bedeu-
tung der rückwirkenden Kraft der Bedingung (B.2 S.396). Denn
der Akt der Handlung ist an jenem Tage vorgenommen, und alle
Elemente seines Thatbestandes lagen damals bereits vor. 214) War
dies nicht der Fall, so verschiebt sich wiederum ganz consequent
das Datum der Entstehung des Rechtsgeschäfts auf den Tag, wo
das letzte noch fehlende Requisit eintritt. 215) Daß die römischen
Juristen den Gesichtspunkt der rückwirkenden Kraft der Bedingung,
ganz abgesehen von theoretischen Gründen, praktisch gar nicht
entbehren konnten, sollte nicht Gegenstand des Zweifels sein. 216)

Dasselbe Bedürfniß, das die Obligationen im Verein mit dem
dies und der conditio für Rechtsgeschäfte unter Lebenden zu be-
friedigen bestimmt sind, wiederholt sich in verstärktem Maße für
die letztwilligen Dispositionen. Denn während jene Geschäfte
sich gleichmäßig in der Gegenwart und Zukunft bewegen, ist das
Gebiet der letzteren ausschließlich die Zukunft, die Zeit nach dem
Tode des Testators. Eben darum ist das Testament stets und
nothwendig das, was die Obligation nur dadurch, daß sie die
Bedingung aufnimmt, sein kann: ein schwebendes, unfertiges
Geschäft. Um dem Testator die völlig freie Herrschaft über die

des Handelnden unschädlich, denn der Wille hat sich mit und in dem Moment
des Rechtsgeschäfts erschöpft.
214) Darum eben findet die rückwirkende Kraft bei den bedingten Be-
stimmungen des Testaments keine Anwendung.
215) So auch bei der Theilung der Handlung, s.z. B. L. ult. Comm.
pr. (8. 4)
.
216) Ich verweise auf folgende Fälle: Die Bedingung tritt erst nach dem
Tode des Promittenten oder Promissars ein -- ohne die rückwirkende Kraft
wäre die Entstehung der Obligation unmöglich gewesen: L. un. Cod. Ut ac-
tiones (4. 11) .. ab heredibus non incipere actiones,
und hätte das
Schuldverhältniß gar nicht zur Erbmasse gehört. -- Die Bedingung tritt erst
ein, nachdem der Sohn oder Sklave, die sich bedingt hatten versprechen lassen,
von der Gewalt befreit sind: L. 18 de R. J. (50. 17) L. 78 pr. de V.
O. (45. 1) L. 40 de stip. serv. (45. 3)
oder nachdem der Promittent oder
Promissar aus dem Societätsverhältniß geschieden ist L. 27 pro soc. (17. 2).
Jhering, Geist d. röm. Rechts. III. 11

B. Das Rechtsgeſchäft. Concentration deſſelben. §. 53.
ich es nur conſequent finden, wenn ſie das Rechtsgeſchäft vom
Tage ſeiner Conception datiren; dies iſt nämlich die Bedeu-
tung der rückwirkenden Kraft der Bedingung (B.2 S.396). Denn
der Akt der Handlung iſt an jenem Tage vorgenommen, und alle
Elemente ſeines Thatbeſtandes lagen damals bereits vor. 214) War
dies nicht der Fall, ſo verſchiebt ſich wiederum ganz conſequent
das Datum der Entſtehung des Rechtsgeſchäfts auf den Tag, wo
das letzte noch fehlende Requiſit eintritt. 215) Daß die römiſchen
Juriſten den Geſichtspunkt der rückwirkenden Kraft der Bedingung,
ganz abgeſehen von theoretiſchen Gründen, praktiſch gar nicht
entbehren konnten, ſollte nicht Gegenſtand des Zweifels ſein. 216)

Daſſelbe Bedürfniß, das die Obligationen im Verein mit dem
dies und der conditio für Rechtsgeſchäfte unter Lebenden zu be-
friedigen beſtimmt ſind, wiederholt ſich in verſtärktem Maße für
die letztwilligen Dispoſitionen. Denn während jene Geſchäfte
ſich gleichmäßig in der Gegenwart und Zukunft bewegen, iſt das
Gebiet der letzteren ausſchließlich die Zukunft, die Zeit nach dem
Tode des Teſtators. Eben darum iſt das Teſtament ſtets und
nothwendig das, was die Obligation nur dadurch, daß ſie die
Bedingung aufnimmt, ſein kann: ein ſchwebendes, unfertiges
Geſchäft. Um dem Teſtator die völlig freie Herrſchaft über die

des Handelnden unſchädlich, denn der Wille hat ſich mit und in dem Moment
des Rechtsgeſchäfts erſchöpft.
214) Darum eben findet die rückwirkende Kraft bei den bedingten Be-
ſtimmungen des Teſtaments keine Anwendung.
215) So auch bei der Theilung der Handlung, ſ.z. B. L. ult. Comm.
pr. (8. 4)
.
216) Ich verweiſe auf folgende Fälle: Die Bedingung tritt erſt nach dem
Tode des Promittenten oder Promiſſars ein — ohne die rückwirkende Kraft
wäre die Entſtehung der Obligation unmöglich geweſen: L. un. Cod. Ut ac-
tiones (4. 11) .. ab heredibus non incipere actiones,
und hätte das
Schuldverhältniß gar nicht zur Erbmaſſe gehört. — Die Bedingung tritt erſt
ein, nachdem der Sohn oder Sklave, die ſich bedingt hatten verſprechen laſſen,
von der Gewalt befreit ſind: L. 18 de R. J. (50. 17) L. 78 pr. de V.
O. (45. 1) L. 40 de stip. serv. (45. 3)
oder nachdem der Promittent oder
Promiſſar aus dem Societätsverhältniß geſchieden iſt L. 27 pro soc. (17. 2).
Jhering, Geiſt d. röm. Rechts. III. 11
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[161/0177] B. Das Rechtsgeſchäft. Concentration deſſelben. §. 53. ich es nur conſequent finden, wenn ſie das Rechtsgeſchäft vom Tage ſeiner Conception datiren; dies iſt nämlich die Bedeu- tung der rückwirkenden Kraft der Bedingung (B.2 S.396). Denn der Akt der Handlung iſt an jenem Tage vorgenommen, und alle Elemente ſeines Thatbeſtandes lagen damals bereits vor. 214) War dies nicht der Fall, ſo verſchiebt ſich wiederum ganz conſequent das Datum der Entſtehung des Rechtsgeſchäfts auf den Tag, wo das letzte noch fehlende Requiſit eintritt. 215) Daß die römiſchen Juriſten den Geſichtspunkt der rückwirkenden Kraft der Bedingung, ganz abgeſehen von theoretiſchen Gründen, praktiſch gar nicht entbehren konnten, ſollte nicht Gegenſtand des Zweifels ſein. 216) Daſſelbe Bedürfniß, das die Obligationen im Verein mit dem dies und der conditio für Rechtsgeſchäfte unter Lebenden zu be- friedigen beſtimmt ſind, wiederholt ſich in verſtärktem Maße für die letztwilligen Dispoſitionen. Denn während jene Geſchäfte ſich gleichmäßig in der Gegenwart und Zukunft bewegen, iſt das Gebiet der letzteren ausſchließlich die Zukunft, die Zeit nach dem Tode des Teſtators. Eben darum iſt das Teſtament ſtets und nothwendig das, was die Obligation nur dadurch, daß ſie die Bedingung aufnimmt, ſein kann: ein ſchwebendes, unfertiges Geſchäft. Um dem Teſtator die völlig freie Herrſchaft über die 213) 214) Darum eben findet die rückwirkende Kraft bei den bedingten Be- ſtimmungen des Teſtaments keine Anwendung. 215) So auch bei der Theilung der Handlung, ſ.z. B. L. ult. Comm. pr. (8. 4). 216) Ich verweiſe auf folgende Fälle: Die Bedingung tritt erſt nach dem Tode des Promittenten oder Promiſſars ein — ohne die rückwirkende Kraft wäre die Entſtehung der Obligation unmöglich geweſen: L. un. Cod. Ut ac- tiones (4. 11) .. ab heredibus non incipere actiones, und hätte das Schuldverhältniß gar nicht zur Erbmaſſe gehört. — Die Bedingung tritt erſt ein, nachdem der Sohn oder Sklave, die ſich bedingt hatten verſprechen laſſen, von der Gewalt befreit ſind: L. 18 de R. J. (50. 17) L. 78 pr. de V. O. (45. 1) L. 40 de stip. serv. (45. 3) oder nachdem der Promittent oder Promiſſar aus dem Societätsverhältniß geſchieden iſt L. 27 pro soc. (17. 2). 213) des Handelnden unſchädlich, denn der Wille hat ſich mit und in dem Moment des Rechtsgeſchäfts erſchöpft. Jhering, Geiſt d. röm. Rechts. III. 11

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/177>, abgerufen am 24.11.2024.