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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

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A. Der Proceß. Vertheidigung in Form der Klage. §. 52.
letzteren voranzuschicken und damit ein Gesetz der logischen
Ordnung zu übertreten, das die Römer sonst so unverbrüchlich
beobachten (B. 2 S. 641, 642) -- in welcher Form hätte er von
dem Resultat der Voruntersuchung Gebrauch machen können?
Da er an der Formel der legis actio nicht rütteln durfte, so wäre
ihm nichts übrig geblieben, als die Klage zu versagen -- ein
Mittel, das in meinen Augen einer Aufhebung des ganzen Legis-
Actionen-Processes gleichgekommen wäre (B. 2 S. 665 flg.),
und dessen Statthaftigkeit doch wohl durch eine andere Autorität,
als die des Plautus bezeugt sein müßte!

Läßt es sich annehmen, daß Plautus in einem Fall, in dem
es sich bloß um die Beurtheilung der Gültigkeit eines Eides
durch einen Schiedsrichter handelte, die Analogie des ge-
richtlichen Verfahrens
vor Augen gehabt hat, so gewährt
die Stelle das wichtige Ergebniß, daß es zu seiner Zeit wirkliche
Exceptionen gegeben hat, der Formularproceß wenn auch in be-
schränkter Ausdehnung mithin bereits eingeführt gewesen sein muß,
und diese Annahme, der die Verbindung zweier Einreden bekannt-
lich kein Hinderniß entgegensetzt, findet in der Form der Fassung (ni
und nive mit dem Conjunctiv) keine unbedeutende Unterstützung.

Mit den bisher erörterten Fällen ist meines Wissens das Ma-
terial, das die Quellen uns darbieten, erschöpft, 164) und ich will
den Eindruck desselben durch leere Vermuthungen über andere
mögliche Fälle und Fragen, für deren Beantwortung es an posi-
tiven Anhaltspunkten fehlt, nicht abschwächen. So möge denn
auch die Frage nur angeregt, nicht beantwortet werden, ob nicht
die eventuelle Strafe des Vierfachen bei der prätorischen actio quod
metus causa
mit der Idee des älteren Rechts zusammenhängt, daß
der Strafe des Vierfachen verfällt, wer einen an sich bestehenden,
aber vom Gesetz gemißbilligten Anspruch geltend zu machen sucht
und damit sich offen gegen das Gesetz auflehnt (s. Note 138).

164) Eine act. popularis mit manus injectio aufs Vierfache gegen eine
Buhlerin, "quae adversum legem (accepit) a plurimis pecuniam" bei
Plaut. Truc. IV. 2, 47--49 geht über unsern Gesichtspunkt (S. 106) hinaus.

A. Der Proceß. Vertheidigung in Form der Klage. §. 52.
letzteren voranzuſchicken und damit ein Geſetz der logiſchen
Ordnung zu übertreten, das die Römer ſonſt ſo unverbrüchlich
beobachten (B. 2 S. 641, 642) — in welcher Form hätte er von
dem Reſultat der Vorunterſuchung Gebrauch machen können?
Da er an der Formel der legis actio nicht rütteln durfte, ſo wäre
ihm nichts übrig geblieben, als die Klage zu verſagen — ein
Mittel, das in meinen Augen einer Aufhebung des ganzen Legis-
Actionen-Proceſſes gleichgekommen wäre (B. 2 S. 665 flg.),
und deſſen Statthaftigkeit doch wohl durch eine andere Autorität,
als die des Plautus bezeugt ſein müßte!

Läßt es ſich annehmen, daß Plautus in einem Fall, in dem
es ſich bloß um die Beurtheilung der Gültigkeit eines Eides
durch einen Schiedsrichter handelte, die Analogie des ge-
richtlichen Verfahrens
vor Augen gehabt hat, ſo gewährt
die Stelle das wichtige Ergebniß, daß es zu ſeiner Zeit wirkliche
Exceptionen gegeben hat, der Formularproceß wenn auch in be-
ſchränkter Ausdehnung mithin bereits eingeführt geweſen ſein muß,
und dieſe Annahme, der die Verbindung zweier Einreden bekannt-
lich kein Hinderniß entgegenſetzt, findet in der Form der Faſſung (ni
und nive mit dem Conjunctiv) keine unbedeutende Unterſtützung.

Mit den bisher erörterten Fällen iſt meines Wiſſens das Ma-
terial, das die Quellen uns darbieten, erſchöpft, 164) und ich will
den Eindruck deſſelben durch leere Vermuthungen über andere
mögliche Fälle und Fragen, für deren Beantwortung es an poſi-
tiven Anhaltspunkten fehlt, nicht abſchwächen. So möge denn
auch die Frage nur angeregt, nicht beantwortet werden, ob nicht
die eventuelle Strafe des Vierfachen bei der prätoriſchen actio quod
metus causa
mit der Idee des älteren Rechts zuſammenhängt, daß
der Strafe des Vierfachen verfällt, wer einen an ſich beſtehenden,
aber vom Geſetz gemißbilligten Anſpruch geltend zu machen ſucht
und damit ſich offen gegen das Geſetz auflehnt (ſ. Note 138).

164) Eine act. popularis mit manus injectio aufs Vierfache gegen eine
Buhlerin, „quae adversum legem (accepit) a plurimis pecuniam“ bei
Plaut. Truc. IV. 2, 47—49 geht über unſern Geſichtspunkt (S. 106) hinaus.
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[117/0133] A. Der Proceß. Vertheidigung in Form der Klage. §. 52. letzteren voranzuſchicken und damit ein Geſetz der logiſchen Ordnung zu übertreten, das die Römer ſonſt ſo unverbrüchlich beobachten (B. 2 S. 641, 642) — in welcher Form hätte er von dem Reſultat der Vorunterſuchung Gebrauch machen können? Da er an der Formel der legis actio nicht rütteln durfte, ſo wäre ihm nichts übrig geblieben, als die Klage zu verſagen — ein Mittel, das in meinen Augen einer Aufhebung des ganzen Legis- Actionen-Proceſſes gleichgekommen wäre (B. 2 S. 665 flg.), und deſſen Statthaftigkeit doch wohl durch eine andere Autorität, als die des Plautus bezeugt ſein müßte! Läßt es ſich annehmen, daß Plautus in einem Fall, in dem es ſich bloß um die Beurtheilung der Gültigkeit eines Eides durch einen Schiedsrichter handelte, die Analogie des ge- richtlichen Verfahrens vor Augen gehabt hat, ſo gewährt die Stelle das wichtige Ergebniß, daß es zu ſeiner Zeit wirkliche Exceptionen gegeben hat, der Formularproceß wenn auch in be- ſchränkter Ausdehnung mithin bereits eingeführt geweſen ſein muß, und dieſe Annahme, der die Verbindung zweier Einreden bekannt- lich kein Hinderniß entgegenſetzt, findet in der Form der Faſſung (ni und nive mit dem Conjunctiv) keine unbedeutende Unterſtützung. Mit den bisher erörterten Fällen iſt meines Wiſſens das Ma- terial, das die Quellen uns darbieten, erſchöpft, 164) und ich will den Eindruck deſſelben durch leere Vermuthungen über andere mögliche Fälle und Fragen, für deren Beantwortung es an poſi- tiven Anhaltspunkten fehlt, nicht abſchwächen. So möge denn auch die Frage nur angeregt, nicht beantwortet werden, ob nicht die eventuelle Strafe des Vierfachen bei der prätoriſchen actio quod metus causa mit der Idee des älteren Rechts zuſammenhängt, daß der Strafe des Vierfachen verfällt, wer einen an ſich beſtehenden, aber vom Geſetz gemißbilligten Anſpruch geltend zu machen ſucht und damit ſich offen gegen das Geſetz auflehnt (ſ. Note 138). 164) Eine act. popularis mit manus injectio aufs Vierfache gegen eine Buhlerin, „quae adversum legem (accepit) a plurimis pecuniam“ bei Plaut. Truc. IV. 2, 47—49 geht über unſern Geſichtspunkt (S. 106) hinaus.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/133>, abgerufen am 15.05.2024.