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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.

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1. Die juristische Analyse. §. 39.
Legat u. s. w. vorkommen. Die selbständigen hingegen betreffen
immer nur ein ganz specielles Verhältniß, sie sind ungleich enger,
beschränkter. Obgleich sie nun insofern sich weniger mit Buch-
staben, als etwa mit Zeichen für ein ganzes Wort, stereotypir-
ten Wörtern vergleichen ließen, so üben doch auch sie die wesent-
liche Function der Buchstaben aus d. h. sie können sich nicht bloß
mit den abstracten, sondern auch unter sich zu einem zusammen-
gesetzten Rechtsverhältniß verbinden, die oben genannten (Te-
stament, Weggerechtigkeit, Verkauf) also z. B. in der Weise,
daß ein Testator seinem Erben auferlegt, dem Nachbar gegen
Zahlung einer gewissen Summe eine Weggerechtigkeit zu verkau-
fen. 497) Auch bei ihnen also realisirt sich die Idee des Alpha-
bets d. h. die Bildung des Zusammengesetzten aus einfachen
Elementen, auch bei ihnen müssen wir, um das Verhältniß zu
entscheiden, lesen d. h. es in diese einfachen Bestandtheile
auflösen.

Vergleichen wir nun unser Rechtsalphabet mit dem der
Sprache, so steht es zunächst darin hinter letzterem weit zurück,
daß die Buchstaben desselben theilweise eine ungleich beschränk-
tere Anwendbarkeit besitzen, als die der Sprache. Mit letzteren
lassen sich in dieser Beziehung nur unsere abstracten Elemente
des Rechts in Parallele bringen. Schon aus diesem Grunde
muß die Zahl der Buchstaben dort ungleich größer sein, als hier,
es gesellen sich aber noch andere Gründe hinzu, namentlich der,
daß das Alphabet des Rechts ungleich genauer und exacter ist
und sein muß, als das der Sprache. Wenn letzteres mit so außer-
ordentlich wenig Zeichen ausreicht, so beruht das zum großen
Theil auf der Ungenauigkeit, mit der die Sprachlaute wieder-
gegeben werden. Wie viele Zeichen wären erforderlich, wenn
all die feinen Schattirungen und Nüancen namentlich in der
Aussprache der Vocale angedeutet werden sollten. Die Schrift
gewährt nur eine sehr rohe Reproduction der Sprache, genü-

497) L. 44 i. f. de solut. (46. 3) .. damnatus, ut venderet.

1. Die juriſtiſche Analyſe. §. 39.
Legat u. ſ. w. vorkommen. Die ſelbſtändigen hingegen betreffen
immer nur ein ganz ſpecielles Verhältniß, ſie ſind ungleich enger,
beſchränkter. Obgleich ſie nun inſofern ſich weniger mit Buch-
ſtaben, als etwa mit Zeichen für ein ganzes Wort, ſtereotypir-
ten Wörtern vergleichen ließen, ſo üben doch auch ſie die weſent-
liche Function der Buchſtaben aus d. h. ſie können ſich nicht bloß
mit den abſtracten, ſondern auch unter ſich zu einem zuſammen-
geſetzten Rechtsverhältniß verbinden, die oben genannten (Te-
ſtament, Weggerechtigkeit, Verkauf) alſo z. B. in der Weiſe,
daß ein Teſtator ſeinem Erben auferlegt, dem Nachbar gegen
Zahlung einer gewiſſen Summe eine Weggerechtigkeit zu verkau-
fen. 497) Auch bei ihnen alſo realiſirt ſich die Idee des Alpha-
bets d. h. die Bildung des Zuſammengeſetzten aus einfachen
Elementen, auch bei ihnen müſſen wir, um das Verhältniß zu
entſcheiden, leſen d. h. es in dieſe einfachen Beſtandtheile
auflöſen.

Vergleichen wir nun unſer Rechtsalphabet mit dem der
Sprache, ſo ſteht es zunächſt darin hinter letzterem weit zurück,
daß die Buchſtaben deſſelben theilweiſe eine ungleich beſchränk-
tere Anwendbarkeit beſitzen, als die der Sprache. Mit letzteren
laſſen ſich in dieſer Beziehung nur unſere abſtracten Elemente
des Rechts in Parallele bringen. Schon aus dieſem Grunde
muß die Zahl der Buchſtaben dort ungleich größer ſein, als hier,
es geſellen ſich aber noch andere Gründe hinzu, namentlich der,
daß das Alphabet des Rechts ungleich genauer und exacter iſt
und ſein muß, als das der Sprache. Wenn letzteres mit ſo außer-
ordentlich wenig Zeichen ausreicht, ſo beruht das zum großen
Theil auf der Ungenauigkeit, mit der die Sprachlaute wieder-
gegeben werden. Wie viele Zeichen wären erforderlich, wenn
all die feinen Schattirungen und Nüancen namentlich in der
Ausſprache der Vocale angedeutet werden ſollten. Die Schrift
gewährt nur eine ſehr rohe Reproduction der Sprache, genü-

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[373/0079] 1. Die juriſtiſche Analyſe. §. 39. Legat u. ſ. w. vorkommen. Die ſelbſtändigen hingegen betreffen immer nur ein ganz ſpecielles Verhältniß, ſie ſind ungleich enger, beſchränkter. Obgleich ſie nun inſofern ſich weniger mit Buch- ſtaben, als etwa mit Zeichen für ein ganzes Wort, ſtereotypir- ten Wörtern vergleichen ließen, ſo üben doch auch ſie die weſent- liche Function der Buchſtaben aus d. h. ſie können ſich nicht bloß mit den abſtracten, ſondern auch unter ſich zu einem zuſammen- geſetzten Rechtsverhältniß verbinden, die oben genannten (Te- ſtament, Weggerechtigkeit, Verkauf) alſo z. B. in der Weiſe, daß ein Teſtator ſeinem Erben auferlegt, dem Nachbar gegen Zahlung einer gewiſſen Summe eine Weggerechtigkeit zu verkau- fen. 497) Auch bei ihnen alſo realiſirt ſich die Idee des Alpha- bets d. h. die Bildung des Zuſammengeſetzten aus einfachen Elementen, auch bei ihnen müſſen wir, um das Verhältniß zu entſcheiden, leſen d. h. es in dieſe einfachen Beſtandtheile auflöſen. Vergleichen wir nun unſer Rechtsalphabet mit dem der Sprache, ſo ſteht es zunächſt darin hinter letzterem weit zurück, daß die Buchſtaben deſſelben theilweiſe eine ungleich beſchränk- tere Anwendbarkeit beſitzen, als die der Sprache. Mit letzteren laſſen ſich in dieſer Beziehung nur unſere abſtracten Elemente des Rechts in Parallele bringen. Schon aus dieſem Grunde muß die Zahl der Buchſtaben dort ungleich größer ſein, als hier, es geſellen ſich aber noch andere Gründe hinzu, namentlich der, daß das Alphabet des Rechts ungleich genauer und exacter iſt und ſein muß, als das der Sprache. Wenn letzteres mit ſo außer- ordentlich wenig Zeichen ausreicht, ſo beruht das zum großen Theil auf der Ungenauigkeit, mit der die Sprachlaute wieder- gegeben werden. Wie viele Zeichen wären erforderlich, wenn all die feinen Schattirungen und Nüancen namentlich in der Ausſprache der Vocale angedeutet werden ſollten. Die Schrift gewährt nur eine ſehr rohe Reproduction der Sprache, genü- 497) L. 44 i. f. de solut. (46. 3) .. damnatus, ut venderet.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/79>, abgerufen am 25.11.2024.