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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47.
muß einmal nach Gajus vor Gericht vollzogen werden. Aber
in dem (Note 885 citirten) Satz der XII Tafeln wird doch
die "manus injectio" vor dem "in jus ducito" erwähnt, sie
muß also im Sinn des Gesetzes eine "manus injectio"
sein, und ich meine, wenn über eine Frage aus den XII Ta-
feln
zwischen letzteren und Gajus wirklich ein Widerspruch ob-
waltete, so müßten sie doch wohl vorgehen. Für diese durch den
Zauberspruch: "uneigentlich" beseitigte manus injectio der De-
cemvirn taucht dagegen die "eigentliche" unseres Autors an einer
Stelle wieder auf, an der sie schwerlich Jemand suchen würde.
"Sie liegt, sagt er, in dem folgenden (den Worten von in jus
ducito ... secum ducito
), ohne daß sie mit diesem Namen
ausdrücklich hier bezeichnet wird." Also: eine legis actio, d. h.
nach Gajus eine "actio ipsarum legum verbis accommodata"
ohne verba legis, ja ohne die leiseste Andeutung im Gesetz, und
umgekehrt verba legis, ja die Bezeichnung des Acts als manus
injectio,
aber keine legis actio! Wir werden wohl thun, dem
Verfasser seine "eigentliche" legis actio zum ausschließlichen Pri-
vatgebrauch zu überlassen und uns an die "uneigentliche" der De-
cemvirn und unserer sonstigen Referenten888) zu halten, die frei-
lich die Sache ebensowenig verstanden haben mögen, wie ich.

Die bisherige Untersuchung hat uns den Weg gebahnt, um
eine höchst glückliche Idee Kellers gegen die Anfechtung desselben
Schriftstellers in Schutz zu nehmen. 889) Keller hat nämlich
die Ansicht aufgestellt, daß bei der legis actio per condictionem
die Ankündigung (condictio) des Klägers an den Beklagten,
sich nach dreißig Tagen vor Gericht zur Annahme eines Rich-

888) Wie z. B. Liv. III, 44, dessen Zeugniß der Verfasser ebenfalls mit
der Formel "uneigentlich" schlägt. Die Stelle von Servius ad Virg. X, 419:
manus injectio dicitur, quotiens nulla judicis auctoritate ex-
spectata
rem nobis debitam vindicamus
würde der Verf., wenn er sie
gekannt hätte, also wohl in ähnlicher Weise beseitigt haben.
889) Keller Der römische Civilproc. §. 18. Schmidt p. 2 der citirten
Schrift. Bei Gelegenheit der Ausführung über Zeit und Ort (s. u.) werde
ich noch ein anderes adminiculirendes Moment hinzufügen.
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Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47.
muß einmal nach Gajus vor Gericht vollzogen werden. Aber
in dem (Note 885 citirten) Satz der XII Tafeln wird doch
die „manus injectio“ vor dem „in jus ducito“ erwähnt, ſie
muß alſo im Sinn des Geſetzes eine „manus injectio“
ſein, und ich meine, wenn über eine Frage aus den XII Ta-
feln
zwiſchen letzteren und Gajus wirklich ein Widerſpruch ob-
waltete, ſo müßten ſie doch wohl vorgehen. Für dieſe durch den
Zauberſpruch: „uneigentlich“ beſeitigte manus injectio der De-
cemvirn taucht dagegen die „eigentliche“ unſeres Autors an einer
Stelle wieder auf, an der ſie ſchwerlich Jemand ſuchen würde.
„Sie liegt, ſagt er, in dem folgenden (den Worten von in jus
ducito … secum ducito
), ohne daß ſie mit dieſem Namen
ausdrücklich hier bezeichnet wird.“ Alſo: eine legis actio, d. h.
nach Gajus eine „actio ipsarum legum verbis accommodata“
ohne verba legis, ja ohne die leiſeſte Andeutung im Geſetz, und
umgekehrt verba legis, ja die Bezeichnung des Acts als manus
injectio,
aber keine legis actio! Wir werden wohl thun, dem
Verfaſſer ſeine „eigentliche“ legis actio zum ausſchließlichen Pri-
vatgebrauch zu überlaſſen und uns an die „uneigentliche“ der De-
cemvirn und unſerer ſonſtigen Referenten888) zu halten, die frei-
lich die Sache ebenſowenig verſtanden haben mögen, wie ich.

Die bisherige Unterſuchung hat uns den Weg gebahnt, um
eine höchſt glückliche Idee Kellers gegen die Anfechtung deſſelben
Schriftſtellers in Schutz zu nehmen. 889) Keller hat nämlich
die Anſicht aufgeſtellt, daß bei der legis actio per condictionem
die Ankündigung (condictio) des Klägers an den Beklagten,
ſich nach dreißig Tagen vor Gericht zur Annahme eines Rich-

888) Wie z. B. Liv. III, 44, deſſen Zeugniß der Verfaſſer ebenfalls mit
der Formel „uneigentlich“ ſchlägt. Die Stelle von Servius ad Virg. X, 419:
manus injectio dicitur, quotiens nulla judicis auctoritate ex-
spectata
rem nobis debitam vindicamus
würde der Verf., wenn er ſie
gekannt hätte, alſo wohl in ähnlicher Weiſe beſeitigt haben.
889) Keller Der römiſche Civilproc. §. 18. Schmidt p. 2 der citirten
Schrift. Bei Gelegenheit der Ausführung über Zeit und Ort (ſ. u.) werde
ich noch ein anderes adminiculirendes Moment hinzufügen.
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[659/0365] Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47. muß einmal nach Gajus vor Gericht vollzogen werden. Aber in dem (Note 885 citirten) Satz der XII Tafeln wird doch die „manus injectio“ vor dem „in jus ducito“ erwähnt, ſie muß alſo im Sinn des Geſetzes eine „manus injectio“ ſein, und ich meine, wenn über eine Frage aus den XII Ta- feln zwiſchen letzteren und Gajus wirklich ein Widerſpruch ob- waltete, ſo müßten ſie doch wohl vorgehen. Für dieſe durch den Zauberſpruch: „uneigentlich“ beſeitigte manus injectio der De- cemvirn taucht dagegen die „eigentliche“ unſeres Autors an einer Stelle wieder auf, an der ſie ſchwerlich Jemand ſuchen würde. „Sie liegt, ſagt er, in dem folgenden (den Worten von in jus ducito … secum ducito), ohne daß ſie mit dieſem Namen ausdrücklich hier bezeichnet wird.“ Alſo: eine legis actio, d. h. nach Gajus eine „actio ipsarum legum verbis accommodata“ ohne verba legis, ja ohne die leiſeſte Andeutung im Geſetz, und umgekehrt verba legis, ja die Bezeichnung des Acts als manus injectio, aber keine legis actio! Wir werden wohl thun, dem Verfaſſer ſeine „eigentliche“ legis actio zum ausſchließlichen Pri- vatgebrauch zu überlaſſen und uns an die „uneigentliche“ der De- cemvirn und unſerer ſonſtigen Referenten 888) zu halten, die frei- lich die Sache ebenſowenig verſtanden haben mögen, wie ich. Die bisherige Unterſuchung hat uns den Weg gebahnt, um eine höchſt glückliche Idee Kellers gegen die Anfechtung deſſelben Schriftſtellers in Schutz zu nehmen. 889) Keller hat nämlich die Anſicht aufgeſtellt, daß bei der legis actio per condictionem die Ankündigung (condictio) des Klägers an den Beklagten, ſich nach dreißig Tagen vor Gericht zur Annahme eines Rich- 888) Wie z. B. Liv. III, 44, deſſen Zeugniß der Verfaſſer ebenfalls mit der Formel „uneigentlich“ ſchlägt. Die Stelle von Servius ad Virg. X, 419: manus injectio dicitur, quotiens nulla judicis auctoritate ex- spectata rem nobis debitam vindicamus würde der Verf., wenn er ſie gekannt hätte, alſo wohl in ähnlicher Weiſe beſeitigt haben. 889) Keller Der römiſche Civilproc. §. 18. Schmidt p. 2 der citirten Schrift. Bei Gelegenheit der Ausführung über Zeit und Ort (ſ. u.) werde ich noch ein anderes adminiculirendes Moment hinzufügen. 42*

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 659. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/365>, abgerufen am 28.11.2024.