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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47.
der Präsenz bei der Vindication unbeweglicher Sachen
schloß mit Nothwendigkeit auch die Aufgabe desselben für die
Eigenthumsübertragung an ihnen in sich. Denn was
für die Vindication, war eben damit auch für die Abtretung
vor Gericht zugelassen. Das Holen der Scholle konnte für
beide Verhältnisse keine Schwierigkeiten machen. Wenn die
Partheien einig waren, die Scholle, anstatt von dem vielleicht
einige Tagereisen weit entfernten Grundstück, vom ersten besten
zu nehmen, wer hatte ein Interesse oder ein Recht es ihnen zu
wehren, oder sollte etwa der Prätor den Beweis auferlegen,
daß die Scholle wirklich von jenem Grundstück stamme? Kurz
in Wirklichkeit war sowohl für die Vindication als die Abtre-
tung vor Gericht die Nothwendigkeit sich auf das Grundstück zu
begeben erlassen. Damit hatte letztere aber einen bedeutenden
Vorsprung vor der Mancipation erlangt, und sollte diese bei
unbeweglichen Sachen nicht aus dem praktischen Gebrauch ver-
schwinden, so mußte man sich bei ihr zu derselben Concession
verstehen. Der Uebergang ward hier vielleicht in derselben Weise
wie dort durch Repräsentation des Grundstücks vermittelt, bis
man letztere in allen Anwendungen aufgab.

Das manum conserere bei der Vindication läßt sich unter
einen doppelten Gesichtspunkt bringen. Einmal nämlich unter
den, daß die Hand, wie sie Recht schaffe, so auch dem In-
haber desselben dazu dienen solle, sich Recht zu verschaf-
fen
, und für diese Deutung spricht theils die Bezeichnung
des Acts als vindicatio (vim dicere B. 1 S. 153) theils
die manus injectio bei der Personalexekution. Sodann aber
kann die Hand in jener Anwendung auch eine bloße symbolische
Darstellung des in Anspruch genommenen Rechts sein, die
Kundgebung, daß es sich hier um eine in der Herrschaft (ma-
nus
) der Parthei befindliche Sache handle. Das manum con-
serere
würde hiernach nichts anders sein, als ein beiderseitiges
manum (dominium, potestatem sibi) asserere, eine plastische
Behauptung des Eigenthums, und vermittelst dieser Auffassung

Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47.
der Präſenz bei der Vindication unbeweglicher Sachen
ſchloß mit Nothwendigkeit auch die Aufgabe deſſelben für die
Eigenthumsübertragung an ihnen in ſich. Denn was
für die Vindication, war eben damit auch für die Abtretung
vor Gericht zugelaſſen. Das Holen der Scholle konnte für
beide Verhältniſſe keine Schwierigkeiten machen. Wenn die
Partheien einig waren, die Scholle, anſtatt von dem vielleicht
einige Tagereiſen weit entfernten Grundſtück, vom erſten beſten
zu nehmen, wer hatte ein Intereſſe oder ein Recht es ihnen zu
wehren, oder ſollte etwa der Prätor den Beweis auferlegen,
daß die Scholle wirklich von jenem Grundſtück ſtamme? Kurz
in Wirklichkeit war ſowohl für die Vindication als die Abtre-
tung vor Gericht die Nothwendigkeit ſich auf das Grundſtück zu
begeben erlaſſen. Damit hatte letztere aber einen bedeutenden
Vorſprung vor der Mancipation erlangt, und ſollte dieſe bei
unbeweglichen Sachen nicht aus dem praktiſchen Gebrauch ver-
ſchwinden, ſo mußte man ſich bei ihr zu derſelben Conceſſion
verſtehen. Der Uebergang ward hier vielleicht in derſelben Weiſe
wie dort durch Repräſentation des Grundſtücks vermittelt, bis
man letztere in allen Anwendungen aufgab.

Das manum conserere bei der Vindication läßt ſich unter
einen doppelten Geſichtspunkt bringen. Einmal nämlich unter
den, daß die Hand, wie ſie Recht ſchaffe, ſo auch dem In-
haber deſſelben dazu dienen ſolle, ſich Recht zu verſchaf-
fen
, und für dieſe Deutung ſpricht theils die Bezeichnung
des Acts als vindicatio (vim dicere B. 1 S. 153) theils
die manus injectio bei der Perſonalexekution. Sodann aber
kann die Hand in jener Anwendung auch eine bloße ſymboliſche
Darſtellung des in Anſpruch genommenen Rechts ſein, die
Kundgebung, daß es ſich hier um eine in der Herrſchaft (ma-
nus
) der Parthei befindliche Sache handle. Das manum con-
serere
würde hiernach nichts anders ſein, als ein beiderſeitiges
manum (dominium, potestatem sibi) asserere, eine plaſtiſche
Behauptung des Eigenthums, und vermittelſt dieſer Auffaſſung

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[601/0307] Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47. der Präſenz bei der Vindication unbeweglicher Sachen ſchloß mit Nothwendigkeit auch die Aufgabe deſſelben für die Eigenthumsübertragung an ihnen in ſich. Denn was für die Vindication, war eben damit auch für die Abtretung vor Gericht zugelaſſen. Das Holen der Scholle konnte für beide Verhältniſſe keine Schwierigkeiten machen. Wenn die Partheien einig waren, die Scholle, anſtatt von dem vielleicht einige Tagereiſen weit entfernten Grundſtück, vom erſten beſten zu nehmen, wer hatte ein Intereſſe oder ein Recht es ihnen zu wehren, oder ſollte etwa der Prätor den Beweis auferlegen, daß die Scholle wirklich von jenem Grundſtück ſtamme? Kurz in Wirklichkeit war ſowohl für die Vindication als die Abtre- tung vor Gericht die Nothwendigkeit ſich auf das Grundſtück zu begeben erlaſſen. Damit hatte letztere aber einen bedeutenden Vorſprung vor der Mancipation erlangt, und ſollte dieſe bei unbeweglichen Sachen nicht aus dem praktiſchen Gebrauch ver- ſchwinden, ſo mußte man ſich bei ihr zu derſelben Conceſſion verſtehen. Der Uebergang ward hier vielleicht in derſelben Weiſe wie dort durch Repräſentation des Grundſtücks vermittelt, bis man letztere in allen Anwendungen aufgab. Das manum conserere bei der Vindication läßt ſich unter einen doppelten Geſichtspunkt bringen. Einmal nämlich unter den, daß die Hand, wie ſie Recht ſchaffe, ſo auch dem In- haber deſſelben dazu dienen ſolle, ſich Recht zu verſchaf- fen, und für dieſe Deutung ſpricht theils die Bezeichnung des Acts als vindicatio (vim dicere B. 1 S. 153) theils die manus injectio bei der Perſonalexekution. Sodann aber kann die Hand in jener Anwendung auch eine bloße ſymboliſche Darſtellung des in Anſpruch genommenen Rechts ſein, die Kundgebung, daß es ſich hier um eine in der Herrſchaft (ma- nus) der Parthei befindliche Sache handle. Das manum con- serere würde hiernach nichts anders ſein, als ein beiderſeitiges manum (dominium, potestatem sibi) asserere, eine plaſtiſche Behauptung des Eigenthums, und vermittelſt dieſer Auffaſſung

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 601. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/307>, abgerufen am 22.11.2024.