Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die jurist. Technik. B. Des ält. Rechts. macht wurde. Alle und jede Verträge, insofern sie nur nichtsUnerlaubtes enthielten und auf eine erzwingbare Leistung ge- richtet waren, mochten sie im übrigen schon an sich klagbar sein oder nicht, konnten in diese Form eingekleidet werden. Doppelt wichtig aber war sie gerade im älteren Rechte bei der beschränk- ten Zahl der vorhandenen Obligationsformen -- ein Punkt, den ich an dieser Stelle noch aussetzen muß. Dabei beschränkte sich ihre Anwendbarkeit keineswegs bloß auf das jus civile, sie erstreckte sich vielmehr auch auf den Proceß -- es war kaum ein Rechtsstreit möglich, in dem nicht zwischen den Par- theien gewisse Stipulationen abgeschlossen wurden, und bei der reivindicatio per sponsionem mußte sie sogar als Einklei- dungsform und Basis des ganzen Verfahrens dienen. So- dann auf den völkerrechtlichen Verkehr -- wenigstens gefielen die Römer sich darin, auch die publicistischen Verträge, insofern sie nicht constitutiver, sondern promissorischer Art waren, unter die Form der sponsio zu bringen. 748) Und endlich auch auf den internationalen Privatverkehr -- es war die oben angegebene abstractere Stipulationsform des jus gentium. Dieser extensiven Brauchbarkeit entsprach die inten- stirp Stamm, welches auch in obstipescere (gleichsam zum Stock werden) erhalten ist. So Pott Etymol. Forsch. B. 1 S. 198. Die Institutionen pr. I. de V. O. (3. 16) treffen mithin das Richtige, indem sie das Wort daher ableiten: quod stipulum apud veteres firmum appellabatur, forte a stipite descendens. Ganz entsprechend sowohl sachlich wie sprachlich sind die deutschen Ausdrücke: bestätigen, rechts beständig, vor Gericht ge- stedegen (Sachsenspiegel II, 30 d. i. festmachen, wie stipulari). Mit den Getraidegarben hat zwar das "stipendium" (Austheilung derselben an die Soldaten), dagegen die "stipulatio" nichts zu thun, und das "Getraide- geschäft", das Huschke Nexum S. 100 aus ihr gemacht und höchst anschau- lich beschreibt, ist um nichts besser, als der etymologisirende Erklärungsver- such von Isidor V, 24 §. 30. 748) Gaj. III, 94. Das foedus war constitutiver Art. Das Nähere
an späterer Stelle. Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts. macht wurde. Alle und jede Verträge, inſofern ſie nur nichtsUnerlaubtes enthielten und auf eine erzwingbare Leiſtung ge- richtet waren, mochten ſie im übrigen ſchon an ſich klagbar ſein oder nicht, konnten in dieſe Form eingekleidet werden. Doppelt wichtig aber war ſie gerade im älteren Rechte bei der beſchränk- ten Zahl der vorhandenen Obligationsformen — ein Punkt, den ich an dieſer Stelle noch ausſetzen muß. Dabei beſchränkte ſich ihre Anwendbarkeit keineswegs bloß auf das jus civile, ſie erſtreckte ſich vielmehr auch auf den Proceß — es war kaum ein Rechtsſtreit möglich, in dem nicht zwiſchen den Par- theien gewiſſe Stipulationen abgeſchloſſen wurden, und bei der reivindicatio per sponsionem mußte ſie ſogar als Einklei- dungsform und Baſis des ganzen Verfahrens dienen. So- dann auf den völkerrechtlichen Verkehr — wenigſtens gefielen die Römer ſich darin, auch die publiciſtiſchen Verträge, inſofern ſie nicht conſtitutiver, ſondern promiſſoriſcher Art waren, unter die Form der sponsio zu bringen. 748) Und endlich auch auf den internationalen Privatverkehr — es war die oben angegebene abſtractere Stipulationsform des jus gentium. Dieſer extenſiven Brauchbarkeit entſprach die inten- stirp Stamm, welches auch in obstipescere (gleichſam zum Stock werden) erhalten iſt. So Pott Etymol. Forſch. B. 1 S. 198. Die Inſtitutionen pr. I. de V. O. (3. 16) treffen mithin das Richtige, indem ſie das Wort daher ableiten: quod stipulum apud veteres firmum appellabatur, forte a stipite descendens. Ganz entſprechend ſowohl ſachlich wie ſprachlich ſind die deutſchen Ausdrücke: beſtätigen, rechts beſtändig, vor Gericht ge- ſtedegen (Sachſenſpiegel II, 30 d. i. feſtmachen, wie stipulari). Mit den Getraidegarben hat zwar das „stipendium“ (Austheilung derſelben an die Soldaten), dagegen die „stipulatio“ nichts zu thun, und das „Getraide- geſchäft“, das Huſchke Nexum S. 100 aus ihr gemacht und höchſt anſchau- lich beſchreibt, iſt um nichts beſſer, als der etymologiſirende Erklärungsver- ſuch von Isidor V, 24 §. 30. 748) Gaj. III, 94. Das foedus war conſtitutiver Art. Das Nähere
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Unerlaubtes enthielten und auf eine erzwingbare Leiſtung ge-
richtet waren, mochten ſie im übrigen ſchon an ſich klagbar ſein
oder nicht, konnten in dieſe Form eingekleidet werden. Doppelt
wichtig aber war ſie gerade im älteren Rechte bei der beſchränk-
ten Zahl der vorhandenen Obligationsformen — ein Punkt,
den ich an dieſer Stelle noch ausſetzen muß. Dabei beſchränkte
ſich ihre Anwendbarkeit keineswegs bloß auf das jus civile,
ſie erſtreckte ſich vielmehr auch auf den Proceß — es war
kaum ein Rechtsſtreit möglich, in dem nicht zwiſchen den Par-
theien gewiſſe Stipulationen abgeſchloſſen wurden, und bei der
reivindicatio per sponsionem mußte ſie ſogar als Einklei-
dungsform und Baſis des ganzen Verfahrens dienen. So-
dann auf den völkerrechtlichen Verkehr — wenigſtens
gefielen die Römer ſich darin, auch die publiciſtiſchen Verträge,
inſofern ſie nicht conſtitutiver, ſondern promiſſoriſcher Art
waren, unter die Form der sponsio zu bringen. 748) Und endlich
auch auf den internationalen Privatverkehr — es
war die oben angegebene abſtractere Stipulationsform des jus
gentium.
Dieſer extenſiven Brauchbarkeit entſprach die inten-
747)
748) Gaj. III, 94. Das foedus war conſtitutiver Art. Das Nähere
an ſpäterer Stelle.
747) stirp Stamm, welches auch in obstipescere (gleichſam zum Stock werden)
erhalten iſt. So Pott Etymol. Forſch. B. 1 S. 198. Die Inſtitutionen
pr. I. de V. O. (3. 16) treffen mithin das Richtige, indem ſie das Wort
daher ableiten: quod stipulum apud veteres firmum appellabatur, forte
a stipite descendens. Ganz entſprechend ſowohl ſachlich wie ſprachlich ſind
die deutſchen Ausdrücke: beſtätigen, rechts beſtändig, vor Gericht ge-
ſtedegen (Sachſenſpiegel II, 30 d. i. feſtmachen, wie stipulari). Mit den
Getraidegarben hat zwar das „stipendium“ (Austheilung derſelben an die
Soldaten), dagegen die „stipulatio“ nichts zu thun, und das „Getraide-
geſchäft“, das Huſchke Nexum S. 100 aus ihr gemacht und höchſt anſchau-
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