Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 46. dem Geschäft selbst (als nuncupatio) keinen Platz, sie wider-sprach dem eigentlichen Zweck desselben; der einfachnatürlichen Vorstellungsweise wollte es nicht in den Sinn, daß man "er- werbe", wenn man den Erwerb nicht behalten solle. Die Ver- abredung konnte also, wie bei der sponsio praejudicialis, und wie auch heutzutage bei jedem simulirten Geschäft nur neben- bei d. h. außerhalb des eigentlichen Geschäfts getroffen wer- den. 687) Darauf beruht der Begriff der fiducia oder des fiduciae causa abgeschlossenen Geschäfts. So erklärt es sich, daß die fiducia nur eine bonae fidei actio erzeugte, ungeachtet jene Ge- schäfte selbst dem strictum jus angehörten. Hätte diese Neben- beredung einen integrirenden Bestandtheil derselben gebildet, so würde die in den XII Tafeln ausgesprochene Anerkennung aller Nebenberedungen (Cum nexum faciet mancipiumve, uti lingua nuncupassit, ita jus esto) sich auch auf sie erstreckt haben. Eben aus diesem Grunde aber theilte die fiducia Jahrhunderte lang das Schicksal aller andern Verhältnisse der bona fides d. h. ihre Wirksamkeit beruhte lediglich auf der fides des Gegners, be- ziehungsweise wie bei einigen andern derselben auf der Furcht desselben vor der im Fall der Wortbrüchigkeit eintretenden Infa- mie; das Recht gab aus derselben keine Klage. So erklärt es sich ferner, warum die fiducia auf die solennen Rechtsgeschäfte 687) Besonders schlagend tritt dies hervor bei der in jure cessio. Wo
hätte hier in der Vindicationsformel der Nebenvertrag stehen sollen? Welche juristische Monstrosität wäre darin zum Vorschein gekommen! Allein für die mancipatio steht die Sache um nichts anders, und es ist keine bloße Verges- senheit, wenn Gaj. I, 132 bei Beschreibung der dreimaligen Mancipation des Sohnes das pactum fiduciae gar nicht erwähnt; es trat ja im Act selbst gar nicht hervor. Das Kriterium des fiduciae causa geschlossenen Geschäfts lag lediglich in seinem Zweck, nicht in der Form, daher auch die Bezeich- nung desselben nach diesem Moment: fiduciae causa mancipare, coemptio- nem facere u. s. w. Hieraus ergibt sich, wie derartige Wendungen, wie res mancipatur, ut eam mancipanti remancipet (Boethius ad Cic. Top. c. 10. Orelli p. 340) quem pater ea lege mancipio dedit, ut sibi remancipe- tur (Gaj. I, 140) zu verstehen sind. Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 46. dem Geſchäft ſelbſt (als nuncupatio) keinen Platz, ſie wider-ſprach dem eigentlichen Zweck deſſelben; der einfachnatürlichen Vorſtellungsweiſe wollte es nicht in den Sinn, daß man „er- werbe“, wenn man den Erwerb nicht behalten ſolle. Die Ver- abredung konnte alſo, wie bei der sponsio praejudicialis, und wie auch heutzutage bei jedem ſimulirten Geſchäft nur neben- bei d. h. außerhalb des eigentlichen Geſchäfts getroffen wer- den. 687) Darauf beruht der Begriff der fiducia oder des fiduciae causa abgeſchloſſenen Geſchäfts. So erklärt es ſich, daß die fiducia nur eine bonae fidei actio erzeugte, ungeachtet jene Ge- ſchäfte ſelbſt dem strictum jus angehörten. Hätte dieſe Neben- beredung einen integrirenden Beſtandtheil derſelben gebildet, ſo würde die in den XII Tafeln ausgeſprochene Anerkennung aller Nebenberedungen (Cum nexum faciet mancipiumve, uti lingua nuncupassit, ita jus esto) ſich auch auf ſie erſtreckt haben. Eben aus dieſem Grunde aber theilte die fiducia Jahrhunderte lang das Schickſal aller andern Verhältniſſe der bona fides d. h. ihre Wirkſamkeit beruhte lediglich auf der fides des Gegners, be- ziehungsweiſe wie bei einigen andern derſelben auf der Furcht deſſelben vor der im Fall der Wortbrüchigkeit eintretenden Infa- mie; das Recht gab aus derſelben keine Klage. So erklärt es ſich ferner, warum die fiducia auf die ſolennen Rechtsgeſchäfte 687) Beſonders ſchlagend tritt dies hervor bei der in jure cessio. Wo
hätte hier in der Vindicationsformel der Nebenvertrag ſtehen ſollen? Welche juriſtiſche Monſtroſität wäre darin zum Vorſchein gekommen! Allein für die mancipatio ſteht die Sache um nichts anders, und es iſt keine bloße Vergeſ- ſenheit, wenn Gaj. I, 132 bei Beſchreibung der dreimaligen Mancipation des Sohnes das pactum fiduciae gar nicht erwähnt; es trat ja im Act ſelbſt gar nicht hervor. Das Kriterium des fiduciae causa geſchloſſenen Geſchäfts lag lediglich in ſeinem Zweck, nicht in der Form, daher auch die Bezeich- nung deſſelben nach dieſem Moment: fiduciae causa mancipare, coemptio- nem facere u. ſ. w. Hieraus ergibt ſich, wie derartige Wendungen, wie res mancipatur, ut eam mancipanti remancipet (Boethius ad Cic. Top. c. 10. Orelli p. 340) quem pater ea lege mancipio dedit, ut sibi remancipe- tur (Gaj. I, 140) zu verſtehen ſind. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p><pb facs="#f0263" n="557"/><fw place="top" type="header">Haften an der Aeußerlichkeit. <hi rendition="#aq">III.</hi> Der Formalismus. §. 46.</fw><lb/> dem Geſchäft ſelbſt (als <hi rendition="#aq">nuncupatio</hi>) keinen Platz, ſie wider-<lb/> ſprach dem eigentlichen Zweck deſſelben; der einfachnatürlichen<lb/> Vorſtellungsweiſe wollte es nicht in den Sinn, daß man „er-<lb/> werbe“, wenn man den Erwerb nicht behalten ſolle. Die Ver-<lb/> abredung konnte alſo, wie bei der <hi rendition="#aq">sponsio praejudicialis,</hi> und<lb/> wie auch heutzutage bei jedem ſimulirten Geſchäft nur neben-<lb/> bei d. h. außerhalb des eigentlichen Geſchäfts getroffen wer-<lb/> den. <note place="foot" n="687)">Beſonders ſchlagend tritt dies hervor bei der <hi rendition="#aq">in jure cessio.</hi> Wo<lb/> hätte hier in der Vindicationsformel der Nebenvertrag ſtehen ſollen? Welche<lb/> juriſtiſche Monſtroſität wäre darin zum Vorſchein gekommen! Allein für die<lb/><hi rendition="#aq">mancipatio</hi> ſteht die Sache um nichts anders, und es iſt keine bloße Vergeſ-<lb/> ſenheit, wenn <hi rendition="#aq">Gaj. I,</hi> 132 bei Beſchreibung der dreimaligen Mancipation des<lb/> Sohnes das <hi rendition="#aq">pactum fiduciae</hi> gar nicht erwähnt; es trat ja im Act ſelbſt<lb/> gar nicht hervor. Das Kriterium des <hi rendition="#aq">fiduciae causa</hi> geſchloſſenen Geſchäfts<lb/> lag lediglich in ſeinem <hi rendition="#g">Zweck</hi>, nicht in der Form, daher auch die Bezeich-<lb/> nung deſſelben nach dieſem Moment: <hi rendition="#aq">fiduciae <hi rendition="#g">causa</hi> mancipare, coemptio-<lb/> nem facere</hi> u. ſ. w. Hieraus ergibt ſich, wie derartige Wendungen, wie <hi rendition="#aq">res<lb/> mancipatur, ut eam mancipanti remancipet (Boethius ad Cic. Top. c. 10.<lb/> Orelli p. 340) quem pater ea lege mancipio dedit, ut sibi remancipe-<lb/> tur (Gaj. I,</hi> 140) zu verſtehen ſind.</note> Darauf beruht der Begriff der <hi rendition="#aq">fiducia</hi> oder des <hi rendition="#aq">fiduciae<lb/> causa</hi> abgeſchloſſenen Geſchäfts. So erklärt es ſich, daß die<lb/><hi rendition="#aq">fiducia</hi> nur eine <hi rendition="#aq">bonae fidei actio</hi> erzeugte, ungeachtet jene Ge-<lb/> ſchäfte ſelbſt dem <hi rendition="#aq">strictum jus</hi> angehörten. Hätte dieſe Neben-<lb/> beredung einen integrirenden Beſtandtheil derſelben gebildet, ſo<lb/> würde die in den <hi rendition="#aq">XII</hi> Tafeln ausgeſprochene Anerkennung aller<lb/> Nebenberedungen (<hi rendition="#aq">Cum nexum faciet mancipiumve, uti lingua<lb/> nuncupassit, ita jus esto</hi>) ſich auch auf ſie erſtreckt haben. Eben<lb/> aus dieſem Grunde aber theilte die <hi rendition="#aq">fiducia</hi> Jahrhunderte lang<lb/> das Schickſal aller andern Verhältniſſe der <hi rendition="#aq">bona fides</hi> d. h. ihre<lb/> Wirkſamkeit beruhte lediglich auf der <hi rendition="#aq">fides</hi> des Gegners, be-<lb/> ziehungsweiſe wie bei einigen andern derſelben auf der Furcht<lb/> deſſelben vor der im Fall der Wortbrüchigkeit eintretenden Infa-<lb/> mie; das Recht gab aus derſelben keine Klage. So erklärt es<lb/> ſich ferner, warum die <hi rendition="#aq">fiducia</hi> auf die ſolennen Rechtsgeſchäfte<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [557/0263]
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ſprach dem eigentlichen Zweck deſſelben; der einfachnatürlichen
Vorſtellungsweiſe wollte es nicht in den Sinn, daß man „er-
werbe“, wenn man den Erwerb nicht behalten ſolle. Die Ver-
abredung konnte alſo, wie bei der sponsio praejudicialis, und
wie auch heutzutage bei jedem ſimulirten Geſchäft nur neben-
bei d. h. außerhalb des eigentlichen Geſchäfts getroffen wer-
den. 687) Darauf beruht der Begriff der fiducia oder des fiduciae
causa abgeſchloſſenen Geſchäfts. So erklärt es ſich, daß die
fiducia nur eine bonae fidei actio erzeugte, ungeachtet jene Ge-
ſchäfte ſelbſt dem strictum jus angehörten. Hätte dieſe Neben-
beredung einen integrirenden Beſtandtheil derſelben gebildet, ſo
würde die in den XII Tafeln ausgeſprochene Anerkennung aller
Nebenberedungen (Cum nexum faciet mancipiumve, uti lingua
nuncupassit, ita jus esto) ſich auch auf ſie erſtreckt haben. Eben
aus dieſem Grunde aber theilte die fiducia Jahrhunderte lang
das Schickſal aller andern Verhältniſſe der bona fides d. h. ihre
Wirkſamkeit beruhte lediglich auf der fides des Gegners, be-
ziehungsweiſe wie bei einigen andern derſelben auf der Furcht
deſſelben vor der im Fall der Wortbrüchigkeit eintretenden Infa-
mie; das Recht gab aus derſelben keine Klage. So erklärt es
ſich ferner, warum die fiducia auf die ſolennen Rechtsgeſchäfte
687) Beſonders ſchlagend tritt dies hervor bei der in jure cessio. Wo
hätte hier in der Vindicationsformel der Nebenvertrag ſtehen ſollen? Welche
juriſtiſche Monſtroſität wäre darin zum Vorſchein gekommen! Allein für die
mancipatio ſteht die Sache um nichts anders, und es iſt keine bloße Vergeſ-
ſenheit, wenn Gaj. I, 132 bei Beſchreibung der dreimaligen Mancipation des
Sohnes das pactum fiduciae gar nicht erwähnt; es trat ja im Act ſelbſt
gar nicht hervor. Das Kriterium des fiduciae causa geſchloſſenen Geſchäfts
lag lediglich in ſeinem Zweck, nicht in der Form, daher auch die Bezeich-
nung deſſelben nach dieſem Moment: fiduciae causa mancipare, coemptio-
nem facere u. ſ. w. Hieraus ergibt ſich, wie derartige Wendungen, wie res
mancipatur, ut eam mancipanti remancipet (Boethius ad Cic. Top. c. 10.
Orelli p. 340) quem pater ea lege mancipio dedit, ut sibi remancipe-
tur (Gaj. I, 140) zu verſtehen ſind.
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