Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.Haften an der Aeußerlichkeit. I. Der Materialismus. §. 43. Frage, die wir derselben hier vorlegen wollen, nämlich: waswaren die wirthschaftlichen Factoren des ältern Verkehrs. Die Antwort lautet: Sachen und als Sachen behandelte Men- schen. Die freie menschliche Kraft das Talent, die Fertigkeit u. s. w., waren noch nicht als solche d. h. unabhängig von dem Product, in dem sie sich mittelbar bezahlt machen, Erwerbsquellen, Gegenstände des Verkehrs geworden. Die entsprechende juristische Form für die Verwerthung der mensch- lichen Kraft ist die Klagbarkeit der auf sie gerichteten Verträge; wo sie fehlt, wie dies im ältern Recht der Fall (S. Kap. 4), ist dies ein Beweis, daß der Verkehr das Bedürfniß darnach noch nicht empfindet. Allerdings kannte man auch im ältern Rom den wirthschaftlichen Werth des Arbeiters; die juri- stische Form dafür waren die Herrschaftsverhältnisse der Skla- verei und der operae servorum, des Mancipium und der Schuldknechtschaft. Aber was man nicht kannte, war die Ab- lösung der einzelnen geistigen oder körperlichen Arbeit von dem Arbeiter, die Erhebung derselben zu einem rechtlichen Tausch- object. War diese Idee der alten Zeit zu hoch, oder überhob das Institut der Sklaverei sie der Nothwendigkeit, der Arbeit Anerkennung und Rechtsschutz zu gewähren? Ich zweifle freilich nicht daran, daß nicht auch schon in ältester Zeit Dienstleistun- gen und Handlungen bezahlt, noch auch daran, daß sie nicht vermittelst der Conventionalpön schon früh indirect zum Gegen- stande einer Obligation gemacht worden sind. Allein die directe Klagbarkeit eines auf entgeltliche Erweisung von Dienstleistun- beweglichen Tauschmittel waren Vieh und Getraide (Bd. 1 S. 132 Anm. 50).
In der Werthschätzung der Sachen standen obenan Grundstücke, Sklaven und Zug- und Lastvieh; dies ergibt sich aus ihrer Auszeichnung gegenüber allen andern Sachen (res mancipi -- erstes Kapitel der lex Aquilia -- ädi- litisches Edict --). Von den Prädial-Servituten sind Wege- und Wasser- gerechtigkeiten die ältesten, erst später erkannte man auch den Werth und das Bedürfniß der übrigen, die Urbanalservituten sind das Product der Zeiten des Luxus, in denen die Begriffe über Bedürfniß (servitus fundo utilis) Brauchbarkeit, Werth sich wesentlich verfeinert hatten. Haften an der Aeußerlichkeit. I. Der Materialismus. §. 43. Frage, die wir derſelben hier vorlegen wollen, nämlich: waswaren die wirthſchaftlichen Factoren des ältern Verkehrs. Die Antwort lautet: Sachen und als Sachen behandelte Men- ſchen. Die freie menſchliche Kraft das Talent, die Fertigkeit u. ſ. w., waren noch nicht als ſolche d. h. unabhängig von dem Product, in dem ſie ſich mittelbar bezahlt machen, Erwerbsquellen, Gegenſtände des Verkehrs geworden. Die entſprechende juriſtiſche Form für die Verwerthung der menſch- lichen Kraft iſt die Klagbarkeit der auf ſie gerichteten Verträge; wo ſie fehlt, wie dies im ältern Recht der Fall (S. Kap. 4), iſt dies ein Beweis, daß der Verkehr das Bedürfniß darnach noch nicht empfindet. Allerdings kannte man auch im ältern Rom den wirthſchaftlichen Werth des Arbeiters; die juri- ſtiſche Form dafür waren die Herrſchaftsverhältniſſe der Skla- verei und der operae servorum, des Mancipium und der Schuldknechtſchaft. Aber was man nicht kannte, war die Ab- löſung der einzelnen geiſtigen oder körperlichen Arbeit von dem Arbeiter, die Erhebung derſelben zu einem rechtlichen Tauſch- object. War dieſe Idee der alten Zeit zu hoch, oder überhob das Inſtitut der Sklaverei ſie der Nothwendigkeit, der Arbeit Anerkennung und Rechtsſchutz zu gewähren? Ich zweifle freilich nicht daran, daß nicht auch ſchon in älteſter Zeit Dienſtleiſtun- gen und Handlungen bezahlt, noch auch daran, daß ſie nicht vermittelſt der Conventionalpön ſchon früh indirect zum Gegen- ſtande einer Obligation gemacht worden ſind. Allein die directe Klagbarkeit eines auf entgeltliche Erweiſung von Dienſtleiſtun- beweglichen Tauſchmittel waren Vieh und Getraide (Bd. 1 S. 132 Anm. 50).
In der Werthſchätzung der Sachen ſtanden obenan Grundſtücke, Sklaven und Zug- und Laſtvieh; dies ergibt ſich aus ihrer Auszeichnung gegenüber allen andern Sachen (res mancipi — erſtes Kapitel der lex Aquilia — ädi- litiſches Edict —). Von den Prädial-Servituten ſind Wege- und Waſſer- gerechtigkeiten die älteſten, erſt ſpäter erkannte man auch den Werth und das Bedürfniß der übrigen, die Urbanalſervituten ſind das Product der Zeiten des Luxus, in denen die Begriffe über Bedürfniß (servitus fundo utilis) Brauchbarkeit, Werth ſich weſentlich verfeinert hatten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0163" n="457"/><fw place="top" type="header">Haften an der Aeußerlichkeit. <hi rendition="#aq">I.</hi> Der Materialismus. §. 43.</fw><lb/> Frage, die wir derſelben hier vorlegen wollen, nämlich: was<lb/> waren die wirthſchaftlichen Factoren des ältern Verkehrs. Die<lb/> Antwort lautet: Sachen und als Sachen behandelte Men-<lb/> ſchen. Die freie menſchliche Kraft das Talent, die Fertigkeit<lb/> u. ſ. w., waren noch nicht <hi rendition="#g">als ſolche</hi> d. h. unabhängig<lb/> von dem Product, in dem ſie ſich mittelbar bezahlt machen,<lb/> Erwerbsquellen, Gegenſtände des Verkehrs geworden. Die<lb/> entſprechende juriſtiſche Form für die Verwerthung der menſch-<lb/> lichen Kraft iſt die Klagbarkeit der auf ſie gerichteten Verträge;<lb/> wo ſie fehlt, wie dies im ältern Recht der Fall (S. Kap. 4),<lb/> iſt dies ein Beweis, daß der Verkehr das Bedürfniß darnach<lb/> noch nicht empfindet. Allerdings kannte man auch im ältern<lb/> Rom den wirthſchaftlichen Werth des <hi rendition="#g">Arbeiters</hi>; die juri-<lb/> ſtiſche Form dafür waren die Herrſchaftsverhältniſſe der Skla-<lb/> verei und der <hi rendition="#aq">operae servorum,</hi> des Mancipium und der<lb/> Schuldknechtſchaft. Aber was man nicht kannte, war die Ab-<lb/> löſung der einzelnen geiſtigen oder körperlichen Arbeit von dem<lb/> Arbeiter, die Erhebung derſelben zu einem rechtlichen Tauſch-<lb/> object. War dieſe Idee der alten Zeit zu hoch, oder überhob<lb/> das Inſtitut der Sklaverei ſie der Nothwendigkeit, der Arbeit<lb/> Anerkennung und Rechtsſchutz zu gewähren? Ich zweifle freilich<lb/> nicht daran, daß nicht auch ſchon in älteſter Zeit Dienſtleiſtun-<lb/> gen und Handlungen bezahlt, noch auch daran, daß ſie nicht<lb/> vermittelſt der Conventionalpön ſchon früh indirect zum Gegen-<lb/> ſtande einer Obligation gemacht worden ſind. Allein die directe<lb/> Klagbarkeit eines auf entgeltliche Erweiſung von Dienſtleiſtun-<lb/><note xml:id="seg2pn_14_2" prev="#seg2pn_14_1" place="foot" n="595)">beweglichen Tauſchmittel waren Vieh und Getraide (Bd. 1 S. 132 Anm. 50).<lb/> In der Werthſchätzung der Sachen ſtanden obenan Grundſtücke, Sklaven<lb/> und Zug- und Laſtvieh; dies ergibt ſich aus ihrer Auszeichnung gegenüber<lb/> allen andern Sachen (<hi rendition="#aq">res mancipi</hi> — erſtes Kapitel der <hi rendition="#aq">lex Aquilia</hi> — ädi-<lb/> litiſches Edict —). Von den Prädial-Servituten ſind Wege- und Waſſer-<lb/> gerechtigkeiten die älteſten, erſt ſpäter erkannte man auch den Werth und das<lb/> Bedürfniß der übrigen, die Urbanalſervituten ſind das Product der Zeiten des<lb/> Luxus, in denen die Begriffe über Bedürfniß <hi rendition="#aq">(servitus fundo <hi rendition="#g">utilis</hi>)</hi><lb/> Brauchbarkeit, Werth ſich weſentlich verfeinert hatten.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [457/0163]
Haften an der Aeußerlichkeit. I. Der Materialismus. §. 43.
Frage, die wir derſelben hier vorlegen wollen, nämlich: was
waren die wirthſchaftlichen Factoren des ältern Verkehrs. Die
Antwort lautet: Sachen und als Sachen behandelte Men-
ſchen. Die freie menſchliche Kraft das Talent, die Fertigkeit
u. ſ. w., waren noch nicht als ſolche d. h. unabhängig
von dem Product, in dem ſie ſich mittelbar bezahlt machen,
Erwerbsquellen, Gegenſtände des Verkehrs geworden. Die
entſprechende juriſtiſche Form für die Verwerthung der menſch-
lichen Kraft iſt die Klagbarkeit der auf ſie gerichteten Verträge;
wo ſie fehlt, wie dies im ältern Recht der Fall (S. Kap. 4),
iſt dies ein Beweis, daß der Verkehr das Bedürfniß darnach
noch nicht empfindet. Allerdings kannte man auch im ältern
Rom den wirthſchaftlichen Werth des Arbeiters; die juri-
ſtiſche Form dafür waren die Herrſchaftsverhältniſſe der Skla-
verei und der operae servorum, des Mancipium und der
Schuldknechtſchaft. Aber was man nicht kannte, war die Ab-
löſung der einzelnen geiſtigen oder körperlichen Arbeit von dem
Arbeiter, die Erhebung derſelben zu einem rechtlichen Tauſch-
object. War dieſe Idee der alten Zeit zu hoch, oder überhob
das Inſtitut der Sklaverei ſie der Nothwendigkeit, der Arbeit
Anerkennung und Rechtsſchutz zu gewähren? Ich zweifle freilich
nicht daran, daß nicht auch ſchon in älteſter Zeit Dienſtleiſtun-
gen und Handlungen bezahlt, noch auch daran, daß ſie nicht
vermittelſt der Conventionalpön ſchon früh indirect zum Gegen-
ſtande einer Obligation gemacht worden ſind. Allein die directe
Klagbarkeit eines auf entgeltliche Erweiſung von Dienſtleiſtun-
595)
595) beweglichen Tauſchmittel waren Vieh und Getraide (Bd. 1 S. 132 Anm. 50).
In der Werthſchätzung der Sachen ſtanden obenan Grundſtücke, Sklaven
und Zug- und Laſtvieh; dies ergibt ſich aus ihrer Auszeichnung gegenüber
allen andern Sachen (res mancipi — erſtes Kapitel der lex Aquilia — ädi-
litiſches Edict —). Von den Prädial-Servituten ſind Wege- und Waſſer-
gerechtigkeiten die älteſten, erſt ſpäter erkannte man auch den Werth und das
Bedürfniß der übrigen, die Urbanalſervituten ſind das Product der Zeiten des
Luxus, in denen die Begriffe über Bedürfniß (servitus fundo utilis)
Brauchbarkeit, Werth ſich weſentlich verfeinert hatten.
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