Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.Vorrede. Römischen Rechts" als meinen Quälgeist bezeichnet. Hinter derburlesken Form steckte mehr Ernst, als Manche dahinter finden mögen. Ich glaube, daß es keine wissenschaftliche Aufgabe gibt, die demjenigen, der es ernst mit ihr meint, mehr Qualen be- reitet, ihn mehr aufreibt und an ihm zehrt, als eine derartige, wie es die meinige ist, d. h. eine Aufgabe geschichtsphilo- sophischer Art. Ich meine nicht etwa die Schwierigkeiten der Abstraction, nicht jenes unbehagliche, demüthigende Gefühl, das sie hinterlassen, auch bei angestrengtester Arbeit nie ihrer Herr geworden zu sein, stets etwas in der Sache zurücklassen zu müssen, das man ahnt, aber nicht finden kann. Ich meine etwas anderes. Einmal zunächst die Gefahr des Abweges zur Oberflächlichkeit, Seichtigkeit, geistreichen Nichtssagerei. Sie liegt nicht etwa in dem Subject, sondern in der Aufgabe selbst. Sie ist es, die gründlichen und vorsichtigen Naturen so häufig eine Abneigung gegen die Aufgabe selbst einflößt und sie mit gerechtem Mißtrauen gegen die von keckeren Naturen unter- nommenen Lösungsversuche erfüllt. Und in der That! es sind nicht immer die Besten, welche sich ihr zuwenden. Welche Schaar hat sich unter dem Banner versammelt, das ich an- geblich zuerst aufgesteckt haben soll, welche Phrasen, welche Seifenblasen, welche schiefen, in ihrer eignen Unwahrheit und Absurdität sich vernichtenden Anschauungen und Offenbarungen hat man uns aufgetischt! Auf diesem Felde glaubte man am mühe- losesten Lorbeern erringen zu können, zu ärndten, wo Andere gear- beitet, ihren auf dem Wege mühsamer Forschung gewonnenen Resultaten nur eine bunte Jacke anziehen zu brauchen, um sie zu den seinigen zu machen. Jene Lorbeern sind aber schnell ver- welkt, und soweit die meinigen in ähnlicher Weise erworben sind, wünsche ich dasselbe auch von ihnen. Ich darf von mir behaupten, daß mich nicht die Flucht vor ernster Arbeit jener Vorrede. Römiſchen Rechts“ als meinen Quälgeiſt bezeichnet. Hinter derburlesken Form ſteckte mehr Ernſt, als Manche dahinter finden mögen. Ich glaube, daß es keine wiſſenſchaftliche Aufgabe gibt, die demjenigen, der es ernſt mit ihr meint, mehr Qualen be- reitet, ihn mehr aufreibt und an ihm zehrt, als eine derartige, wie es die meinige iſt, d. h. eine Aufgabe geſchichtsphilo- ſophiſcher Art. Ich meine nicht etwa die Schwierigkeiten der Abſtraction, nicht jenes unbehagliche, demüthigende Gefühl, das ſie hinterlaſſen, auch bei angeſtrengteſter Arbeit nie ihrer Herr geworden zu ſein, ſtets etwas in der Sache zurücklaſſen zu müſſen, das man ahnt, aber nicht finden kann. Ich meine etwas anderes. Einmal zunächſt die Gefahr des Abweges zur Oberflächlichkeit, Seichtigkeit, geiſtreichen Nichtsſagerei. Sie liegt nicht etwa in dem Subject, ſondern in der Aufgabe ſelbſt. Sie iſt es, die gründlichen und vorſichtigen Naturen ſo häufig eine Abneigung gegen die Aufgabe ſelbſt einflößt und ſie mit gerechtem Mißtrauen gegen die von keckeren Naturen unter- nommenen Löſungsverſuche erfüllt. Und in der That! es ſind nicht immer die Beſten, welche ſich ihr zuwenden. Welche Schaar hat ſich unter dem Banner verſammelt, das ich an- geblich zuerſt aufgeſteckt haben ſoll, welche Phraſen, welche Seifenblaſen, welche ſchiefen, in ihrer eignen Unwahrheit und Abſurdität ſich vernichtenden Anſchauungen und Offenbarungen hat man uns aufgetiſcht! Auf dieſem Felde glaubte man am mühe- loſeſten Lorbeern erringen zu können, zu ärndten, wo Andere gear- beitet, ihren auf dem Wege mühſamer Forſchung gewonnenen Reſultaten nur eine bunte Jacke anziehen zu brauchen, um ſie zu den ſeinigen zu machen. Jene Lorbeern ſind aber ſchnell ver- welkt, und ſoweit die meinigen in ähnlicher Weiſe erworben ſind, wünſche ich daſſelbe auch von ihnen. 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Vorrede.
Römiſchen Rechts“ als meinen Quälgeiſt bezeichnet. Hinter der
burlesken Form ſteckte mehr Ernſt, als Manche dahinter finden
mögen. Ich glaube, daß es keine wiſſenſchaftliche Aufgabe gibt,
die demjenigen, der es ernſt mit ihr meint, mehr Qualen be-
reitet, ihn mehr aufreibt und an ihm zehrt, als eine derartige,
wie es die meinige iſt, d. h. eine Aufgabe geſchichtsphilo-
ſophiſcher Art. Ich meine nicht etwa die Schwierigkeiten der
Abſtraction, nicht jenes unbehagliche, demüthigende Gefühl, das
ſie hinterlaſſen, auch bei angeſtrengteſter Arbeit nie ihrer Herr
geworden zu ſein, ſtets etwas in der Sache zurücklaſſen zu
müſſen, das man ahnt, aber nicht finden kann. Ich meine
etwas anderes. Einmal zunächſt die Gefahr des Abweges zur
Oberflächlichkeit, Seichtigkeit, geiſtreichen Nichtsſagerei. Sie
liegt nicht etwa in dem Subject, ſondern in der Aufgabe ſelbſt.
Sie iſt es, die gründlichen und vorſichtigen Naturen ſo häufig
eine Abneigung gegen die Aufgabe ſelbſt einflößt und ſie mit
gerechtem Mißtrauen gegen die von keckeren Naturen unter-
nommenen Löſungsverſuche erfüllt. Und in der That! es ſind
nicht immer die Beſten, welche ſich ihr zuwenden. Welche
Schaar hat ſich unter dem Banner verſammelt, das ich an-
geblich zuerſt aufgeſteckt haben ſoll, welche Phraſen, welche
Seifenblaſen, welche ſchiefen, in ihrer eignen Unwahrheit und
Abſurdität ſich vernichtenden Anſchauungen und Offenbarungen
hat man uns aufgetiſcht! Auf dieſem Felde glaubte man am mühe-
loſeſten Lorbeern erringen zu können, zu ärndten, wo Andere gear-
beitet, ihren auf dem Wege mühſamer Forſchung gewonnenen
Reſultaten nur eine bunte Jacke anziehen zu brauchen, um ſie zu
den ſeinigen zu machen. Jene Lorbeern ſind aber ſchnell ver-
welkt, und ſoweit die meinigen in ähnlicher Weiſe erworben
ſind, wünſche ich daſſelbe auch von ihnen. Ich darf von mir
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