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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.

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A. Stellung des Indiv. Die Freiheit eine Schranke der Willkühr. §. 33.
das Interesse von Seiten des einen, als die Leistungsfähigkeit von
Seiten des andern Grundstücks dauernder358) Art ist; für

358) Hinsichtlich der Dauer findet eine Verschiedenheit derselben Statt,
bestimmt durch die verschiedene Dauerhaftigkeit der praedia rustica und ur-
bana.
Bei beiden hat der Untergang der, so zu sagen, berechtigten Sache den
Untergang der Servitut zur Folge, also z. B. das Abbrennen des Hauses,
arg. L. 20 §. 2 de S. P. U. (8. 2). Wollte man einer für ein Haus bestimm-
ten Servitut z. B. einer serv. altius non toll. eine von dem Untergang
des Hauses unabhängige Existenz geben, so hieß das, sie statt an die super-
ficies
an das solum knüpfen (L. 3 de serv. [3. 1]); umgekehrt konnte man
eine in der Regel an das solum gekettete Servitut an die superficies knüpfen
(L. 13 pr. de S. P. R. [8. 31]), z. B. eine Weggerechtigkeit, wovon die
Folge war, daß die Servitut mit dem Untergang des Quasi-Subjekts, des
Hauses, hinwegfiel. Wenn nicht gesagt war, wie die Partheien sich das
Verhältniß gedacht hatten (z. B. ein Hausbesitzer läßt sich einen Weg über
den benachbarten Hof bestellen: inhärirt die Servitut der superficies oder
dem solum?), so präsumirte man je nach Verschiedenheit des Inhalts bald
das eine, bald das andere, und mit Rücksicht hierauf hatte die Praxis eine
Klassifikation der verschiedenen möglichen Servituten vorgenommen; wir be-
sitzen sie in der bekannten Liste der Servitutes Praediorum urbanorum und
rusticorum. Dies war meiner Ansicht nach der praktische Zweck jener Ein-
theilung. Ebenso präsumirte man, wenn aus der Zahl jener Servituten
eine bestellt war ohne Angabe, ob sie ihm schlechthin (als Personalservitut)
oder ihm nur in seiner Qualität als Eigenthümer dieses Grundstücks zustehen
solle, für letzteres. Das Motiv, das ich hiermit der Eintheilung der Servi-
tuten unterschiebe, beruht auf einem praktischen Bedürfniß, das sich überall
geltend machen wird. Eine nähere Ausführung wäre hier nicht am Platz, ich
bitte aber jeden, der meine Ansicht einer Prüfung würdigen will, die in der
ganzen römischen Servitutentheorie mit Nothwendigkeit liegende Consequenz,
daß die S. P. U. mit dem praed. urbanum untergehn muß, nicht außer Acht
zu lassen. Eine S. P.U. bestellen hieß bei den Römern eine Servitut auf die
Dauer eines Gebäudes beschränken.
In das Bewußtsein der heutigen Praxis ist jene Consequenz, daß mit dem
Gebäude auch die demselben zustehende Servitut untergeht, nicht übergegangen;
bei uns werden im Zweifel alle Prädialservituten als S. P. R. behandelt und
bloß in dem Fall, wenn die Partheien die Servitut nachweisbar nur für dies
bestimmte Gebäude, so lange es als solches existirt, bestimmt haben, kömmt
bei uns eine S. P. U. im römischen Sinn vor. Für eine solche würde unsere
heutige Jurisprudenz, so wie sie jenen Unterschied der S. P. U. und R. auf-
zufassen pflegt, gar keine Bezeichnung haben.

A. Stellung des Indiv. Die Freiheit eine Schranke der Willkühr. §. 33.
das Intereſſe von Seiten des einen, als die Leiſtungsfähigkeit von
Seiten des andern Grundſtücks dauernder358) Art iſt; für

358) Hinſichtlich der Dauer findet eine Verſchiedenheit derſelben Statt,
beſtimmt durch die verſchiedene Dauerhaftigkeit der praedia rustica und ur-
bana.
Bei beiden hat der Untergang der, ſo zu ſagen, berechtigten Sache den
Untergang der Servitut zur Folge, alſo z. B. das Abbrennen des Hauſes,
arg. L. 20 §. 2 de S. P. U. (8. 2). Wollte man einer für ein Haus beſtimm-
ten Servitut z. B. einer serv. altius non toll. eine von dem Untergang
des Hauſes unabhängige Exiſtenz geben, ſo hieß das, ſie ſtatt an die super-
ficies
an das solum knüpfen (L. 3 de serv. [3. 1]); umgekehrt konnte man
eine in der Regel an das solum gekettete Servitut an die superficies knüpfen
(L. 13 pr. de S. P. R. [8. 31]), z. B. eine Weggerechtigkeit, wovon die
Folge war, daß die Servitut mit dem Untergang des Quaſi-Subjekts, des
Hauſes, hinwegfiel. Wenn nicht geſagt war, wie die Partheien ſich das
Verhältniß gedacht hatten (z. B. ein Hausbeſitzer läßt ſich einen Weg über
den benachbarten Hof beſtellen: inhärirt die Servitut der superficies oder
dem solum?), ſo präſumirte man je nach Verſchiedenheit des Inhalts bald
das eine, bald das andere, und mit Rückſicht hierauf hatte die Praxis eine
Klaſſifikation der verſchiedenen möglichen Servituten vorgenommen; wir be-
ſitzen ſie in der bekannten Liſte der Servitutes Praediorum urbanorum und
rusticorum. Dies war meiner Anſicht nach der praktiſche Zweck jener Ein-
theilung. Ebenſo präſumirte man, wenn aus der Zahl jener Servituten
eine beſtellt war ohne Angabe, ob ſie ihm ſchlechthin (als Perſonalſervitut)
oder ihm nur in ſeiner Qualität als Eigenthümer dieſes Grundſtücks zuſtehen
ſolle, für letzteres. Das Motiv, das ich hiermit der Eintheilung der Servi-
tuten unterſchiebe, beruht auf einem praktiſchen Bedürfniß, das ſich überall
geltend machen wird. Eine nähere Ausführung wäre hier nicht am Platz, ich
bitte aber jeden, der meine Anſicht einer Prüfung würdigen will, die in der
ganzen römiſchen Servitutentheorie mit Nothwendigkeit liegende Conſequenz,
daß die S. P. U. mit dem praed. urbanum untergehn muß, nicht außer Acht
zu laſſen. Eine S. P.U. beſtellen hieß bei den Römern eine Servitut auf die
Dauer eines Gebäudes beſchränken.
In das Bewußtſein der heutigen Praxis iſt jene Conſequenz, daß mit dem
Gebäude auch die demſelben zuſtehende Servitut untergeht, nicht übergegangen;
bei uns werden im Zweifel alle Prädialſervituten als S. P. R. behandelt und
bloß in dem Fall, wenn die Partheien die Servitut nachweisbar nur für dies
beſtimmte Gebäude, ſo lange es als ſolches exiſtirt, beſtimmt haben, kömmt
bei uns eine S. P. U. im römiſchen Sinn vor. Für eine ſolche würde unſere
heutige Jurisprudenz, ſo wie ſie jenen Unterſchied der S. P. U. und R. auf-
zufaſſen pflegt, gar keine Bezeichnung haben.
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[235/0249] A. Stellung des Indiv. Die Freiheit eine Schranke der Willkühr. §. 33. das Intereſſe von Seiten des einen, als die Leiſtungsfähigkeit von Seiten des andern Grundſtücks dauernder 358) Art iſt; für 358) Hinſichtlich der Dauer findet eine Verſchiedenheit derſelben Statt, beſtimmt durch die verſchiedene Dauerhaftigkeit der praedia rustica und ur- bana. Bei beiden hat der Untergang der, ſo zu ſagen, berechtigten Sache den Untergang der Servitut zur Folge, alſo z. B. das Abbrennen des Hauſes, arg. L. 20 §. 2 de S. P. U. (8. 2). Wollte man einer für ein Haus beſtimm- ten Servitut z. B. einer serv. altius non toll. eine von dem Untergang des Hauſes unabhängige Exiſtenz geben, ſo hieß das, ſie ſtatt an die super- ficies an das solum knüpfen (L. 3 de serv. [3. 1]); umgekehrt konnte man eine in der Regel an das solum gekettete Servitut an die superficies knüpfen (L. 13 pr. de S. P. R. [8. 31]), z. B. eine Weggerechtigkeit, wovon die Folge war, daß die Servitut mit dem Untergang des Quaſi-Subjekts, des Hauſes, hinwegfiel. Wenn nicht geſagt war, wie die Partheien ſich das Verhältniß gedacht hatten (z. B. ein Hausbeſitzer läßt ſich einen Weg über den benachbarten Hof beſtellen: inhärirt die Servitut der superficies oder dem solum?), ſo präſumirte man je nach Verſchiedenheit des Inhalts bald das eine, bald das andere, und mit Rückſicht hierauf hatte die Praxis eine Klaſſifikation der verſchiedenen möglichen Servituten vorgenommen; wir be- ſitzen ſie in der bekannten Liſte der Servitutes Praediorum urbanorum und rusticorum. Dies war meiner Anſicht nach der praktiſche Zweck jener Ein- theilung. Ebenſo präſumirte man, wenn aus der Zahl jener Servituten eine beſtellt war ohne Angabe, ob ſie ihm ſchlechthin (als Perſonalſervitut) oder ihm nur in ſeiner Qualität als Eigenthümer dieſes Grundſtücks zuſtehen ſolle, für letzteres. Das Motiv, das ich hiermit der Eintheilung der Servi- tuten unterſchiebe, beruht auf einem praktiſchen Bedürfniß, das ſich überall geltend machen wird. Eine nähere Ausführung wäre hier nicht am Platz, ich bitte aber jeden, der meine Anſicht einer Prüfung würdigen will, die in der ganzen römiſchen Servitutentheorie mit Nothwendigkeit liegende Conſequenz, daß die S. P. U. mit dem praed. urbanum untergehn muß, nicht außer Acht zu laſſen. Eine S. P.U. beſtellen hieß bei den Römern eine Servitut auf die Dauer eines Gebäudes beſchränken. In das Bewußtſein der heutigen Praxis iſt jene Conſequenz, daß mit dem Gebäude auch die demſelben zuſtehende Servitut untergeht, nicht übergegangen; bei uns werden im Zweifel alle Prädialſervituten als S. P. R. behandelt und bloß in dem Fall, wenn die Partheien die Servitut nachweisbar nur für dies beſtimmte Gebäude, ſo lange es als ſolches exiſtirt, beſtimmt haben, kömmt bei uns eine S. P. U. im römiſchen Sinn vor. Für eine ſolche würde unſere heutige Jurisprudenz, ſo wie ſie jenen Unterſchied der S. P. U. und R. auf- zufaſſen pflegt, gar keine Bezeichnung haben.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0201_1854/249>, abgerufen am 22.11.2024.