Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.Zweit. Buch. Erst. Abschn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb. seiner Ausübung = Pfandrecht) oder das Nutzungsrecht (totaleoder partielle Uebertragung desselben auf einen andern z. B. ususfructus, servitutes praediorum, Zehnten u. s. w.). Einen weiteren Schritt auf dieser Bahn hat das deutsche Recht ge- macht, indem es nicht bloß Dispositionen, wodurch etwas dem Eigenthum Angehöriges von demselben losgelöst wird, ohne Beschränkung anerkennt (was sich immer noch unter den Ge- sichtspunkt einer Verminderung des Eigenthums bringen läßt), sondern selbst solche, die dem Eigenthum einen ihm fremden negativen Bestandtheil aufbürden, nämlich eine Obligation, die der jedesmalige Eigenthümer zu tragen hat (Reallasten) oder gar eine die persönliche Freiheit desselben alterirende Be- schränkung (Leibeigenschaft). Was ist nun von diesem System der Beschränkung des Ei- 355) Ich habe im folgenden nur das unbewegliche Eigenthum im Auge;
die Natur der beweglichen Sachen, die Vergänglichkeit und mangelnde lokale Gebundenheit derselben bringt es mit sich, daß die Frage für sie nur ein höchst untergeordnetes praktisches Interesse haben kann. Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb. ſeiner Ausübung = Pfandrecht) oder das Nutzungsrecht (totaleoder partielle Uebertragung deſſelben auf einen andern z. B. ususfructus, servitutes praediorum, Zehnten u. ſ. w.). Einen weiteren Schritt auf dieſer Bahn hat das deutſche Recht ge- macht, indem es nicht bloß Dispoſitionen, wodurch etwas dem Eigenthum Angehöriges von demſelben losgelöſt wird, ohne Beſchränkung anerkennt (was ſich immer noch unter den Ge- ſichtspunkt einer Verminderung des Eigenthums bringen läßt), ſondern ſelbſt ſolche, die dem Eigenthum einen ihm fremden negativen Beſtandtheil aufbürden, nämlich eine Obligation, die der jedesmalige Eigenthümer zu tragen hat (Reallaſten) oder gar eine die perſönliche Freiheit deſſelben alterirende Be- ſchränkung (Leibeigenſchaft). Was iſt nun von dieſem Syſtem der Beſchränkung des Ei- 355) Ich habe im folgenden nur das unbewegliche Eigenthum im Auge;
die Natur der beweglichen Sachen, die Vergänglichkeit und mangelnde lokale Gebundenheit derſelben bringt es mit ſich, daß die Frage für ſie nur ein höchſt untergeordnetes praktiſches Intereſſe haben kann. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p><pb facs="#f0246" n="232"/><fw place="top" type="header">Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. <hi rendition="#aq">II.</hi> Die Grundtriebe. <hi rendition="#aq">III.</hi> Der Freiheitstrieb.</fw><lb/> ſeiner Ausübung = Pfandrecht) oder das Nutzungsrecht (totale<lb/> oder partielle Uebertragung deſſelben auf einen andern z. B.<lb/><hi rendition="#aq">ususfructus, servitutes praediorum,</hi> Zehnten u. ſ. w.). Einen<lb/> weiteren Schritt auf dieſer Bahn hat das deutſche Recht ge-<lb/> macht, indem es nicht bloß Dispoſitionen, wodurch etwas dem<lb/> Eigenthum Angehöriges von demſelben losgelöſt wird, ohne<lb/> Beſchränkung anerkennt (was ſich immer noch unter den Ge-<lb/> ſichtspunkt einer Verminderung des Eigenthums bringen läßt),<lb/> ſondern ſelbſt ſolche, die dem Eigenthum einen ihm fremden<lb/> negativen Beſtandtheil aufbürden, nämlich eine Obligation,<lb/> die der jedesmalige Eigenthümer zu tragen hat (Reallaſten)<lb/> oder gar eine die perſönliche Freiheit deſſelben alterirende Be-<lb/> ſchränkung (Leibeigenſchaft).</p><lb/> <p>Was iſt nun von dieſem Syſtem der Beſchränkung des Ei-<lb/> genthums<note place="foot" n="355)">Ich habe im folgenden nur das unbewegliche Eigenthum im Auge;<lb/> die Natur der beweglichen Sachen, die Vergänglichkeit und mangelnde lokale<lb/> Gebundenheit derſelben bringt es mit ſich, daß die Frage für ſie nur ein höchſt<lb/> untergeordnetes praktiſches Intereſſe haben kann.</note> zu halten? Man hat demſelben eine vortheilhafte<lb/> Seite abzugewinnen gewußt, indem man den Geſichtspunkt<lb/> einer hier Statt findenden reicheren Entwicklung des Eigenthums-<lb/> begriffs geltend machte. Gewiß; in demſelben Sinn, in wel-<lb/> chem ein Mediciner eine recht gefährliche Krankheit höchſt in-<lb/> tereſſant finden kann. Aber es frägt ſich, ob jenes Syſtem für<lb/> das Leben ein Uebel oder eine Wohlthat genannt werden ſoll,<lb/> und da lautet das Urtheil doch etwas anders. Wenn der Ei-<lb/> genthümer der Sache Laſten auflegt, ſo bewegt er ſich ſchein-<lb/> bar nur innerhalb des Eigenthumsbegriffs, in der That aber<lb/> verſündigt er ſich gegen die Idee des Eigenthums. Das An-<lb/> recht auf Freiheit des Eigenthums, das die folgenden Genera-<lb/> tionen mitbringen, iſt durch den frühern Innehaber in einer<lb/> leichtſinnigen Stunde conſumirt; er hat eine Anleihe gemacht<lb/> auf ihre Koſten, ihnen eine Laſt aufgebürdet, von der ſie ſich<lb/> nicht mehr befreien können; eine Uebereilung, ein Mißgriff<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [232/0246]
Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb.
ſeiner Ausübung = Pfandrecht) oder das Nutzungsrecht (totale
oder partielle Uebertragung deſſelben auf einen andern z. B.
ususfructus, servitutes praediorum, Zehnten u. ſ. w.). Einen
weiteren Schritt auf dieſer Bahn hat das deutſche Recht ge-
macht, indem es nicht bloß Dispoſitionen, wodurch etwas dem
Eigenthum Angehöriges von demſelben losgelöſt wird, ohne
Beſchränkung anerkennt (was ſich immer noch unter den Ge-
ſichtspunkt einer Verminderung des Eigenthums bringen läßt),
ſondern ſelbſt ſolche, die dem Eigenthum einen ihm fremden
negativen Beſtandtheil aufbürden, nämlich eine Obligation,
die der jedesmalige Eigenthümer zu tragen hat (Reallaſten)
oder gar eine die perſönliche Freiheit deſſelben alterirende Be-
ſchränkung (Leibeigenſchaft).
Was iſt nun von dieſem Syſtem der Beſchränkung des Ei-
genthums 355) zu halten? Man hat demſelben eine vortheilhafte
Seite abzugewinnen gewußt, indem man den Geſichtspunkt
einer hier Statt findenden reicheren Entwicklung des Eigenthums-
begriffs geltend machte. Gewiß; in demſelben Sinn, in wel-
chem ein Mediciner eine recht gefährliche Krankheit höchſt in-
tereſſant finden kann. Aber es frägt ſich, ob jenes Syſtem für
das Leben ein Uebel oder eine Wohlthat genannt werden ſoll,
und da lautet das Urtheil doch etwas anders. Wenn der Ei-
genthümer der Sache Laſten auflegt, ſo bewegt er ſich ſchein-
bar nur innerhalb des Eigenthumsbegriffs, in der That aber
verſündigt er ſich gegen die Idee des Eigenthums. Das An-
recht auf Freiheit des Eigenthums, das die folgenden Genera-
tionen mitbringen, iſt durch den frühern Innehaber in einer
leichtſinnigen Stunde conſumirt; er hat eine Anleihe gemacht
auf ihre Koſten, ihnen eine Laſt aufgebürdet, von der ſie ſich
nicht mehr befreien können; eine Uebereilung, ein Mißgriff
355) Ich habe im folgenden nur das unbewegliche Eigenthum im Auge;
die Natur der beweglichen Sachen, die Vergänglichkeit und mangelnde lokale
Gebundenheit derſelben bringt es mit ſich, daß die Frage für ſie nur ein höchſt
untergeordnetes praktiſches Intereſſe haben kann.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |