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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.

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Möglichkeit der inneren Chronologie. §. 5.
tung des Testaments in den Comitien, durch aes et libram, die
prätorische Testamentsform; die Antretung der Erbschaft durch
cretio, hereditatis aditio, pro herede gestio; die Obligations-
formen des nexum, der Stipulation, die Obligirung durch blo-
ßen Consens; die Vindication in Form der legis actio sacra-
mento,
der sponsio, der arbitraria actio; die Handhabung der
Strafgerichtsbarkeit durch die Comitien, die quaestiones per-
petuae,
die Einzelnrichter; die Strafen des sacer esse, des
Exils, der Verurtheilung ad bestias, metalla u. s. w.; den
Legisactionen-, Formular-Proceß, das Verfahren extra ordi-
nem;
die Personalexecution, die bonorum venditio, das pig-
nus ex causa iudicati captum;
das Legat, Fideicommiß; Er-
richtung der Servituten, Freilassung u. s. w. auf solenne und
nichtsolenne Weise u. s. w. Wer brauchte sich in allen diesen
Fällen die Reihenfolge der verschiedenen Formen erst sagen zu
lassen? Wie bei allem, was entsteht und vergeht, die verschie-
denen Stufen der Entwicklung ihren bestimmten Typus tragen,
so auch beim Recht, und so wenig ein Jüngling den Typus
eines Greises, ein Mann den eines Kindes an sich haben kann,
so wenig können auch Rechtsideen, die erfahrungsmäßig einer
gewissen Altersstufe angehören, wie z. B. die Präponderanz der
Religion im Recht der Kindheit desselben eigenthümlich ist, bei
einem einzelnen Recht sich von dieser Verbindung losreißen.
Die Auffassung der Strafe als eines religiösen Sühnemittels,
als Privatgenugthuung, als Bethätigung der Sittlichkeit des
Staats weist auf verschiedene Culturstufen hin, deren Reihen-
folge wo sie überhaupt sich finden, eine nothwendige ist. Es
lassen sich über die Priorität der verschiedenen Rechtsbildun-
gen gewisse allgemeine Sätze aufstellen, z. B. daß das relativ
vollkommnere Rechtsmittel oder Rechtsinstitut jünger ist, als das
unvollkommnere, der gerade Weg später aufgefunden ist, als
der Umweg (die mittelbare Erreichung eines rechtlichen Geschäf-
tes durch Scheingeschäfte, Fictionen u. s. w.), die materielle,
äußerliche Auffassung der innerlichen, spirituellen, die gramma-

Möglichkeit der inneren Chronologie. §. 5.
tung des Teſtaments in den Comitien, durch aes et libram, die
prätoriſche Teſtamentsform; die Antretung der Erbſchaft durch
cretio, hereditatis aditio, pro herede gestio; die Obligations-
formen des nexum, der Stipulation, die Obligirung durch blo-
ßen Conſens; die Vindication in Form der legis actio sacra-
mento,
der sponsio, der arbitraria actio; die Handhabung der
Strafgerichtsbarkeit durch die Comitien, die quaestiones per-
petuae,
die Einzelnrichter; die Strafen des sacer esse, des
Exils, der Verurtheilung ad bestias, metalla u. ſ. w.; den
Legisactionen-, Formular-Proceß, das Verfahren extra ordi-
nem;
die Perſonalexecution, die bonorum venditio, das pig-
nus ex causa iudicati captum;
das Legat, Fideicommiß; Er-
richtung der Servituten, Freilaſſung u. ſ. w. auf ſolenne und
nichtſolenne Weiſe u. ſ. w. Wer brauchte ſich in allen dieſen
Fällen die Reihenfolge der verſchiedenen Formen erſt ſagen zu
laſſen? Wie bei allem, was entſteht und vergeht, die verſchie-
denen Stufen der Entwicklung ihren beſtimmten Typus tragen,
ſo auch beim Recht, und ſo wenig ein Jüngling den Typus
eines Greiſes, ein Mann den eines Kindes an ſich haben kann,
ſo wenig können auch Rechtsideen, die erfahrungsmäßig einer
gewiſſen Altersſtufe angehören, wie z. B. die Präponderanz der
Religion im Recht der Kindheit deſſelben eigenthümlich iſt, bei
einem einzelnen Recht ſich von dieſer Verbindung losreißen.
Die Auffaſſung der Strafe als eines religiöſen Sühnemittels,
als Privatgenugthuung, als Bethätigung der Sittlichkeit des
Staats weiſt auf verſchiedene Culturſtufen hin, deren Reihen-
folge wo ſie überhaupt ſich finden, eine nothwendige iſt. Es
laſſen ſich über die Priorität der verſchiedenen Rechtsbildun-
gen gewiſſe allgemeine Sätze aufſtellen, z. B. daß das relativ
vollkommnere Rechtsmittel oder Rechtsinſtitut jünger iſt, als das
unvollkommnere, der gerade Weg ſpäter aufgefunden iſt, als
der Umweg (die mittelbare Erreichung eines rechtlichen Geſchäf-
tes durch Scheingeſchäfte, Fictionen u. ſ. w.), die materielle,
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[73/0091] Möglichkeit der inneren Chronologie. §. 5. tung des Teſtaments in den Comitien, durch aes et libram, die prätoriſche Teſtamentsform; die Antretung der Erbſchaft durch cretio, hereditatis aditio, pro herede gestio; die Obligations- formen des nexum, der Stipulation, die Obligirung durch blo- ßen Conſens; die Vindication in Form der legis actio sacra- mento, der sponsio, der arbitraria actio; die Handhabung der Strafgerichtsbarkeit durch die Comitien, die quaestiones per- petuae, die Einzelnrichter; die Strafen des sacer esse, des Exils, der Verurtheilung ad bestias, metalla u. ſ. w.; den Legisactionen-, Formular-Proceß, das Verfahren extra ordi- nem; die Perſonalexecution, die bonorum venditio, das pig- nus ex causa iudicati captum; das Legat, Fideicommiß; Er- richtung der Servituten, Freilaſſung u. ſ. w. auf ſolenne und nichtſolenne Weiſe u. ſ. w. Wer brauchte ſich in allen dieſen Fällen die Reihenfolge der verſchiedenen Formen erſt ſagen zu laſſen? Wie bei allem, was entſteht und vergeht, die verſchie- denen Stufen der Entwicklung ihren beſtimmten Typus tragen, ſo auch beim Recht, und ſo wenig ein Jüngling den Typus eines Greiſes, ein Mann den eines Kindes an ſich haben kann, ſo wenig können auch Rechtsideen, die erfahrungsmäßig einer gewiſſen Altersſtufe angehören, wie z. B. die Präponderanz der Religion im Recht der Kindheit deſſelben eigenthümlich iſt, bei einem einzelnen Recht ſich von dieſer Verbindung losreißen. Die Auffaſſung der Strafe als eines religiöſen Sühnemittels, als Privatgenugthuung, als Bethätigung der Sittlichkeit des Staats weiſt auf verſchiedene Culturſtufen hin, deren Reihen- folge wo ſie überhaupt ſich finden, eine nothwendige iſt. Es laſſen ſich über die Priorität der verſchiedenen Rechtsbildun- gen gewiſſe allgemeine Sätze aufſtellen, z. B. daß das relativ vollkommnere Rechtsmittel oder Rechtsinſtitut jünger iſt, als das unvollkommnere, der gerade Weg ſpäter aufgefunden iſt, als der Umweg (die mittelbare Erreichung eines rechtlichen Geſchäf- tes durch Scheingeſchäfte, Fictionen u. ſ. w.), die materielle, äußerliche Auffaſſung der innerlichen, ſpirituellen, die gramma-

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht01_1852/91>, abgerufen am 25.11.2024.