Mit dem Werk, von dem ich hiermit den ersten Theil publicire, ist es mir eigenthümlich gegangen. Seit 11 bis 12 Jahren beschäftige ich mich mit demselben, und bereits 1843 beabsichtigte ich, öffentliche Vorlesungen über den Gegenstand dieser Schrift, mit denen ich damals in Berlin als Privatdocent aufgetreten war, drucken zu lassen. Puchta, dem ich von meinem Plan gesprochen hatte, rieth mir davon ab; er hielt es für be- denklich sich mit einem so allgemeinen Thema beim Publikum einzuführen.
Ich wünschte fast, daß ich diesem wohlgemeinten Rath kein Gehör gegeben hätte, denn obgleich der lange Zeitraum, der seitdem verflossen, für mein Werk nicht ohne Nutzen gewesen ist, so steht doch der Gewinn in keinem Verhältniß zu dem Preise, den er mich gekostet hat. Der Geist des römischen Rechts, den ich im jugendlichen Uebermuth citirt hatte, ward für mich bald zum Quälgeist, der mich in absolute Abhängigkeit von sich ver- setzte und keinen andern Gedanken in mir aufkommen ließ.
Zu spät bereute ich es, mich mit ihm eingelassen zu haben, er hatte bald zu viel Gewalt über mich bekommen, als daß ich ihm noch hätte entrinnen können; das einzige Mittel, mich von
Vorrede.
Mit dem Werk, von dem ich hiermit den erſten Theil publicire, iſt es mir eigenthümlich gegangen. Seit 11 bis 12 Jahren beſchäftige ich mich mit demſelben, und bereits 1843 beabſichtigte ich, öffentliche Vorleſungen über den Gegenſtand dieſer Schrift, mit denen ich damals in Berlin als Privatdocent aufgetreten war, drucken zu laſſen. Puchta, dem ich von meinem Plan geſprochen hatte, rieth mir davon ab; er hielt es für be- denklich ſich mit einem ſo allgemeinen Thema beim Publikum einzuführen.
Ich wünſchte faſt, daß ich dieſem wohlgemeinten Rath kein Gehör gegeben hätte, denn obgleich der lange Zeitraum, der ſeitdem verfloſſen, für mein Werk nicht ohne Nutzen geweſen iſt, ſo ſteht doch der Gewinn in keinem Verhältniß zu dem Preiſe, den er mich gekoſtet hat. Der Geiſt des römiſchen Rechts, den ich im jugendlichen Uebermuth citirt hatte, ward für mich bald zum Quälgeiſt, der mich in abſolute Abhängigkeit von ſich ver- ſetzte und keinen andern Gedanken in mir aufkommen ließ.
Zu ſpät bereute ich es, mich mit ihm eingelaſſen zu haben, er hatte bald zu viel Gewalt über mich bekommen, als daß ich ihm noch hätte entrinnen können; das einzige Mittel, mich von
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[[V]/0011]
Vorrede.
Mit dem Werk, von dem ich hiermit den erſten Theil
publicire, iſt es mir eigenthümlich gegangen. Seit 11 bis 12
Jahren beſchäftige ich mich mit demſelben, und bereits 1843
beabſichtigte ich, öffentliche Vorleſungen über den Gegenſtand
dieſer Schrift, mit denen ich damals in Berlin als Privatdocent
aufgetreten war, drucken zu laſſen. Puchta, dem ich von meinem
Plan geſprochen hatte, rieth mir davon ab; er hielt es für be-
denklich ſich mit einem ſo allgemeinen Thema beim Publikum
einzuführen.
Ich wünſchte faſt, daß ich dieſem wohlgemeinten Rath kein
Gehör gegeben hätte, denn obgleich der lange Zeitraum, der
ſeitdem verfloſſen, für mein Werk nicht ohne Nutzen geweſen iſt,
ſo ſteht doch der Gewinn in keinem Verhältniß zu dem Preiſe,
den er mich gekoſtet hat. Der Geiſt des römiſchen Rechts, den
ich im jugendlichen Uebermuth citirt hatte, ward für mich bald
zum Quälgeiſt, der mich in abſolute Abhängigkeit von ſich ver-
ſetzte und keinen andern Gedanken in mir aufkommen ließ.
Zu ſpät bereute ich es, mich mit ihm eingelaſſen zu haben,
er hatte bald zu viel Gewalt über mich bekommen, als daß ich
ihm noch hätte entrinnen können; das einzige Mittel, mich von
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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852, S. [V]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht01_1852/11>, abgerufen am 24.11.2024.
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