Guten Morgen, lieber Otto! Hier wieder ein Paar liebe Briefe bis auf Morgen! -- Du kannst mich belehren, ob Fürsten zu ihren In- kognito-Titeln blos die Namen ausgestorbner oder die noch lebender5 Adelfamilien oder willkürlich jede wählen können. Ich wollte, der erste Fall wäre.
98. An Emanuel.
[Bayreuth, 22. Sept. 1820]
Mein guter Emanuel! Schon seit 3 Monaten sitz' ich an meinem10 Schreibtische ohne einen Bissen Bernecker Pfefferkuchen; denn eine Maus in meinem Koffer hatte allen Vorrath, um ihn gut auszukernen, fein zersiebt. Ihnen vertrau' ich nun nicht gern auf Ihrer Reise durch Berneck Geld für Pfefferkuchen an, weil ich befürchte, daß Sie es dort unterschlagen und mir wieder bringen. Meinen Max aber vertrau' ich15 Ihnen lieber an, der morgen mit Ihnen bis Berneck fahren und dann mit vollen Taschen zu Fuße wieder hieher gehen könnte. Glückliche Wiederkunft, Guter!
99. An Heinrich Voß in Kreuznach.
[Kopie][Bayreuth, ab den 26. Sept. 1820]20
Daß du blos eine Tagreise weiter von mir lebst, dieß gibt mir ordent- lich das Gefühl als wärst du hier gewesen und dann abgereiset .... Aber sieh, wie ich dich mit meinen Kindern plage. Thu' ichs nicht mehr mit geistigen: so schick' ich leibliche und statt des Schwanzsterns meinen Max ... Deine herzige Mutter, die keinen Schritt mehr thun sollte als25 zu Blumen jeder Art -- Wollte Gott, ich könnte dazu setzen, einst wird ein anderer dasselbe an deinen Kindern thun! Und mehr als einer thät' es auch, wenn du nur erst die Anstalten dazu gemacht hättest. Die Kinder deines Bruders -- bei welchem dich dieser Brief antrifft und den und sogar dessen Gattin du in meine Seele hinein umarmen sollst --30 sollten die Heidenbekehrer deines Cölibates werden. Gewisse Familien, z. B. deine, haben das Glück kräftiger Abkömmlinge; aber dann ists Sünde, wenn einer in der Familie ein solches Glück nicht verewigt. Ein- samkeit -- laß mich gar ausreden -- fühlst du freilich jetzo nicht neben
97. An Otto.
[Bayreuth, Sept. 1820?]
Guten Morgen, lieber Otto! Hier wieder ein Paar liebe Briefe bis auf Morgen! — Du kannſt mich belehren, ob Fürſten zu ihren In- kognito-Titeln blos die Namen ausgeſtorbner oder die noch lebender5 Adelfamilien oder willkürlich jede wählen können. Ich wollte, der erſte Fall wäre.
98. An Emanuel.
[Bayreuth, 22. Sept. 1820]
Mein guter Emanuel! Schon ſeit 3 Monaten ſitz’ ich an meinem10 Schreibtiſche ohne einen Biſſen Bernecker Pfefferkuchen; denn eine Maus in meinem Koffer hatte allen Vorrath, um ihn gut auszukernen, fein zerſiebt. Ihnen vertrau’ ich nun nicht gern auf Ihrer Reiſe durch Berneck Geld für Pfefferkuchen an, weil ich befürchte, daß Sie es dort unterſchlagen und mir wieder bringen. Meinen Max aber vertrau’ ich15 Ihnen lieber an, der morgen mit Ihnen bis Berneck fahren und dann mit vollen Taſchen zu Fuße wieder hieher gehen könnte. Glückliche Wiederkunft, Guter!
99. An Heinrich Voß in Kreuznach.
[Kopie][Bayreuth, ab den 26. Sept. 1820]20
Daß du blos eine Tagreiſe weiter von mir lebſt, dieß gibt mir ordent- lich das Gefühl als wärſt du hier geweſen und dann abgereiſet .... Aber ſieh, wie ich dich mit meinen Kindern plage. Thu’ ichs nicht mehr mit geiſtigen: ſo ſchick’ ich leibliche und ſtatt des Schwanzſterns meinen Max ... Deine herzige Mutter, die keinen Schritt mehr thun ſollte als25 zu Blumen jeder Art — Wollte Gott, ich könnte dazu ſetzen, einſt wird ein anderer daſſelbe an deinen Kindern thun! Und mehr als einer thät’ es auch, wenn du nur erſt die Anſtalten dazu gemacht hätteſt. Die Kinder deines Bruders — bei welchem dich dieſer Brief antrifft und den und ſogar deſſen Gattin du in meine Seele hinein umarmen ſollſt —30 ſollten die Heidenbekehrer deines Cölibates werden. Gewiſſe Familien, z. B. deine, haben das Glück kräftiger Abkömmlinge; aber dann iſts Sünde, wenn einer in der Familie ein ſolches Glück nicht verewigt. Ein- ſamkeit — laß mich gar ausreden — fühlſt du freilich jetzo nicht neben
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97. An Otto.
[Bayreuth, Sept. 1820?]
Guten Morgen, lieber Otto! Hier wieder ein Paar liebe Briefe bis
auf Morgen! — Du kannſt mich belehren, ob Fürſten zu ihren In-
kognito-Titeln blos die Namen ausgeſtorbner oder die noch lebender 5
Adelfamilien oder willkürlich jede wählen können. Ich wollte, der erſte
Fall wäre.
98. An Emanuel.
[Bayreuth, 22. Sept. 1820]
Mein guter Emanuel! Schon ſeit 3 Monaten ſitz’ ich an meinem 10
Schreibtiſche ohne einen Biſſen Bernecker Pfefferkuchen; denn eine
Maus in meinem Koffer hatte allen Vorrath, um ihn gut auszukernen,
fein zerſiebt. Ihnen vertrau’ ich nun nicht gern auf Ihrer Reiſe durch
Berneck Geld für Pfefferkuchen an, weil ich befürchte, daß Sie es dort
unterſchlagen und mir wieder bringen. Meinen Max aber vertrau’ ich 15
Ihnen lieber an, der morgen mit Ihnen bis Berneck fahren und dann
mit vollen Taſchen zu Fuße wieder hieher gehen könnte. Glückliche
Wiederkunft, Guter!
99. An Heinrich Voß in Kreuznach.
[Bayreuth, ab den 26. Sept. 1820] 20
Daß du blos eine Tagreiſe weiter von mir lebſt, dieß gibt mir ordent-
lich das Gefühl als wärſt du hier geweſen und dann abgereiſet ....
Aber ſieh, wie ich dich mit meinen Kindern plage. Thu’ ichs nicht mehr
mit geiſtigen: ſo ſchick’ ich leibliche und ſtatt des Schwanzſterns meinen
Max ... Deine herzige Mutter, die keinen Schritt mehr thun ſollte als 25
zu Blumen jeder Art — Wollte Gott, ich könnte dazu ſetzen, einſt wird
ein anderer daſſelbe an deinen Kindern thun! Und mehr als einer thät’
es auch, wenn du nur erſt die Anſtalten dazu gemacht hätteſt. Die
Kinder deines Bruders — bei welchem dich dieſer Brief antrifft und
den und ſogar deſſen Gattin du in meine Seele hinein umarmen ſollſt — 30
ſollten die Heidenbekehrer deines Cölibates werden. Gewiſſe Familien,
z. B. deine, haben das Glück kräftiger Abkömmlinge; aber dann iſts
Sünde, wenn einer in der Familie ein ſolches Glück nicht verewigt. Ein-
ſamkeit — laß mich gar ausreden — fühlſt du freilich jetzo nicht neben
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/75>, abgerufen am 18.07.2024.
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