fluß muß es im Mspt heißen. Wie gefällt dir der Traum über das All? -- Den Damenkalender auf 1820 solltest du doch lesen. -- Von Byron hab' ich nur den Mazeppa und noch ein Gedicht gelesen, wo er freilich nur als ein fliegender Engel, nicht als ein gefallner schreibt. -- Ich sah das glänzende Frohnleichnamfest; aber der Grimm über den5 Pfaffenunsinn erstickt den ästhetischen und empfindsamen Genuß. Es ist schön, einen König zum ersten male blos auf den Knieen zu sehen; ein knieender König predigt feuriger als ein knieender Priester.
Deine trübe Nachricht über die mir unvergeßliche Koch hat mich im frohesten Briefe trüb gestimmt; wie sehr hat mich daher die frohere in10 deinem letzten erquickt. Grüße sie und die herrliche Bürgermeisterin; in ganz München findest du von ihnen nicht einmal einen löschpapiernen Nachdruck. -- Grüße die sämmtlichen Paulus -- und Schwarz -- und Creuzer -- und deine Kusine und um recht zu schließen, Vater und Mutter und dich.15
Schreibe bald!
Dein J. P. F. Richter
57. An Auguste von Schlichtegroll in München.
[Kopie][München, 9. Juni 1820]
Max sagt mir, kein runder Hut gelte am Hofe, sondern ein eckiger, ob20 man gleich sonst alles Eckige dort wegzuschleifen sucht. Kann mir unser Schlichtegroll sein Dreieck leihen, damit ich nicht anstoße? Unter Einen Hut werden wol leicht unsere 2 Köpfe zu bringen sein.
58. An Karoline Richter.
München d. 13ten Jun. Dienstags 182025
Meine Karoline! Heute erst erhielt ich deinen so lange und sehnlich erwarteten Brief vom Freitage. Schicke nie an Tagen, die ich auf der Postkarte ausgestrichen, Briefe ab, weil da blos die fahrende Post sie mitnimmt. -- Im ganzen Jahre hab' ich nicht so verdrießliche Tage gehabt als die Mehrzahl meiner hiesigen gewesen. Den blauen Himmel30 ersetzt mir keine Stubendecke. Rundum gäb' es schöne Dörfer und Plätze, wenn man hinkönnte. Außerdem vergällt der Regen das Ausgehen; -- und das Staatsvolk oder Münchnervolk ist, wie ich vorausgesagt, kein
fluß muß es im Mſpt heißen. Wie gefällt dir der Traum über das All? — Den Damenkalender auf 1820 ſollteſt du doch leſen. — Von Byron hab’ ich nur den Mazeppa und noch ein Gedicht geleſen, wo er freilich nur als ein fliegender Engel, nicht als ein gefallner ſchreibt. — Ich ſah das glänzende Frohnleichnamfeſt; aber der Grimm über den5 Pfaffenunſinn erſtickt den äſthetiſchen und empfindſamen Genuß. Es iſt ſchön, einen König zum erſten male blos auf den Knieen zu ſehen; ein knieender König predigt feuriger als ein knieender Prieſter.
Deine trübe Nachricht über die mir unvergeßliche Koch hat mich im froheſten Briefe trüb geſtimmt; wie ſehr hat mich daher die frohere in10 deinem letzten erquickt. Grüße ſie und die herrliche Bürgermeiſterin; in ganz München findeſt du von ihnen nicht einmal einen löſchpapiernen Nachdruck. — Grüße die ſämmtlichen Paulus — und Schwarz — und Creuzer — und deine Kuſine und um recht zu ſchließen, Vater und Mutter und dich.15
Schreibe bald!
Dein J. P. F. Richter
57. An Auguſte von Schlichtegroll in München.
[Kopie][München, 9. Juni 1820]
Max ſagt mir, kein runder Hut gelte am Hofe, ſondern ein eckiger, ob20 man gleich ſonſt alles Eckige dort wegzuſchleifen ſucht. Kann mir unſer Schlichtegroll ſein Dreieck leihen, damit ich nicht anſtoße? Unter Einen Hut werden wol leicht unſere 2 Köpfe zu bringen ſein.
58. An Karoline Richter.
München d. 13ten Jun. 〈Dienſtags〉 182025
Meine Karoline! Heute erſt erhielt ich deinen ſo lange und ſehnlich erwarteten Brief vom Freitage. Schicke nie an Tagen, die ich auf der Poſtkarte ausgeſtrichen, Briefe ab, weil da blos die fahrende Poſt ſie mitnimmt. — Im ganzen Jahre hab’ ich nicht ſo verdrießliche Tage gehabt als die Mehrzahl meiner hieſigen geweſen. Den blauen Himmel30 erſetzt mir keine Stubendecke. Rundum gäb’ es ſchöne Dörfer und Plätze, wenn man hinkönnte. Außerdem vergällt der Regen das Ausgehen; — und das Staatsvolk oder Münchnervolk iſt, wie ich vorausgeſagt, kein
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fluß muß es im Mſpt heißen. Wie gefällt dir der Traum über das All? —
Den Damenkalender auf 1820 ſollteſt du doch leſen. — Von Byron
hab’ ich nur den Mazeppa und noch ein Gedicht geleſen, wo er freilich
nur als ein fliegender Engel, nicht als ein gefallner ſchreibt. — Ich
ſah das glänzende Frohnleichnamfeſt; aber der Grimm über den 5
Pfaffenunſinn erſtickt den äſthetiſchen und empfindſamen Genuß. Es iſt
ſchön, einen König zum erſten male blos auf den Knieen zu ſehen; ein
knieender König predigt feuriger als ein knieender Prieſter.
Deine trübe Nachricht über die mir unvergeßliche Koch hat mich im
froheſten Briefe trüb geſtimmt; wie ſehr hat mich daher die frohere in 10
deinem letzten erquickt. Grüße ſie und die herrliche Bürgermeiſterin;
in ganz München findeſt du von ihnen nicht einmal einen löſchpapiernen
Nachdruck. — Grüße die ſämmtlichen Paulus — und Schwarz —
und Creuzer — und deine Kuſine und um recht zu ſchließen, Vater und
Mutter und dich. 15
Schreibe bald!
Dein
J. P. F. Richter
57. An Auguſte von Schlichtegroll in München.
[München, 9. Juni 1820]
Max ſagt mir, kein runder Hut gelte am Hofe, ſondern ein eckiger, ob 20
man gleich ſonſt alles Eckige dort wegzuſchleifen ſucht. Kann mir unſer
Schlichtegroll ſein Dreieck leihen, damit ich nicht anſtoße? Unter Einen
Hut werden wol leicht unſere 2 Köpfe zu bringen ſein.
58. An Karoline Richter.
München d. 13ten Jun. 〈Dienſtags〉 1820 25
Meine Karoline! Heute erſt erhielt ich deinen ſo lange und ſehnlich
erwarteten Brief vom Freitage. Schicke nie an Tagen, die ich auf der
Poſtkarte ausgeſtrichen, Briefe ab, weil da blos die fahrende Poſt ſie
mitnimmt. — Im ganzen Jahre hab’ ich nicht ſo verdrießliche Tage
gehabt als die Mehrzahl meiner hieſigen geweſen. Den blauen Himmel 30
erſetzt mir keine Stubendecke. Rundum gäb’ es ſchöne Dörfer und Plätze,
wenn man hinkönnte. Außerdem vergällt der Regen das Ausgehen; —
und das Staatsvolk oder Münchnervolk iſt, wie ich vorausgeſagt, kein
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/43>, abgerufen am 16.07.2024.
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