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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955.

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Ihr liebes, liebes Breslau liegt mir leider -- wenigstens für dieses
mit Donnerwettern gefüllte Jahr -- doch zu fern. Aber den herzlichsten
Dank für Ihre schöne freundliche Bewirthung sag' ich Ihnen doch,
und käm ich nie nach Breslau.

Ihr Wort über meine Vorreden und Rezensionen hab' ich mehr er-5
wogen. Da sie auf keine Weise in die Herbstblumine gehören: so
könnt' ich Ihnen doch sie gesammelt und mit neuen Rezensionen ver-
mehrt einmal geben; aber freilich nur jetzt, in diesem Jahre nicht. Recht
wohl ergeh' es Ihnen!

Nachschrift.10

Erfüllt der hoffnungvolle Primaner P[ohl] noch immer Hoffnungen?
-- So sei er recht gegrüßt von mir zum zweiten male.

368. An Königin Karoline von Bayern.
[Konzept für ?]
Allergnädigste Königin!
15

Dem helfenden Herzen Ihrer königlichen Majestät naht sich hier
ein Mann, der ohne Verschulden beinahe ein halbes Jahrhundert
lang unglücklich ist und welcher jetzo keinen andern Trost hat als den,
bald das schmerzlichste Lager mit dem sanftern in der Erde zu ver-
tauschen.20

Als Kind von 26 Wochen lähmte mir ein Schlagfluß die linke Seite;
das Sprechen wurde mir schwer, das Gehen ohne fremde Hülfe fast
unmöglich. Dieses nie geheilte Unglück der Kindheit entzog mich doch
nicht in spätern Jahren dem Studium der Theologie und der alten
Sprachen. Besonders aber den neuern, der englischen, der französischen,25
spanischen, italienischen widmete ich mich mit einem Eifer, daß ich
deren Professor geworden und in den Jahren 1801 bis 1803 und 1810
bis 1812 besuchte Schulen derselben halten konnte.

Aber seit zehn Monaten nehmen mir die Schmerzen eines Bein-
fraßes auch die letzte Quelle, zu leben durch Lehren, und meine vorige30
lebenslange Armuth steigt jetzt zu gänzlichem Untegrehen. Meine
Gattin und meine sieben unerzognen Kinder stehen schon vor meinem
Tode verarmt und verwaiset um mein Schmerzens Bett und nur ich
habe noch Eine Hoffnung, das Grab, sie aber haben keine.

Ihr liebes, liebes Breslau liegt mir leider — wenigſtens für dieſes
mit Donnerwettern gefüllte Jahr — doch zu fern. Aber den herzlichſten
Dank für Ihre ſchöne freundliche Bewirthung ſag’ ich Ihnen doch,
und käm ich nie nach Breslau.

Ihr Wort über meine Vorreden und Rezenſionen hab’ ich mehr er-5
wogen. Da ſie auf keine Weiſe in die Herbstblumine gehören: ſo
könnt’ ich Ihnen doch ſie geſammelt und mit neuen Rezenſionen ver-
mehrt einmal geben; aber freilich nur jetzt, in dieſem Jahre nicht. Recht
wohl ergeh’ es Ihnen!

Nachſchrift.10

Erfüllt der hoffnungvolle Primaner P[ohl] noch immer Hoffnungen?
— So ſei er recht gegrüßt von mir zum zweiten male.

368. An Königin Karoline von Bayern.
[Konzept für ?]
Allergnädigſte Königin!
15

Dem helfenden Herzen Ihrer königlichen Majeſtät naht ſich hier
ein Mann, der ohne Verſchulden beinahe ein halbes Jahrhundert
lang unglücklich iſt und welcher jetzo keinen andern Troſt hat als den,
bald das ſchmerzlichſte Lager mit dem ſanftern in der Erde zu ver-
tauſchen.20

Als Kind von 26 Wochen lähmte mir ein Schlagfluß die linke Seite;
das Sprechen wurde mir ſchwer, das Gehen ohne fremde Hülfe faſt
unmöglich. Dieſes nie geheilte Unglück der Kindheit entzog mich doch
nicht in ſpätern Jahren dem Studium der Theologie und der alten
Sprachen. Beſonders aber den neuern, der engliſchen, der franzöſiſchen,25
ſpaniſchen, italieniſchen widmete ich mich mit einem Eifer, daß ich
deren Profeſſor geworden und in den Jahren 1801 bis 1803 und 1810
bis 1812 beſuchte Schulen derſelben halten konnte.

Aber ſeit zehn Monaten nehmen mir die Schmerzen eines Bein-
fraßes auch die letzte Quelle, zu leben durch Lehren, und meine vorige30
lebenslange Armuth ſteigt jetzt zu gänzlichem Untegrehen. Meine
Gattin und meine ſieben unerzognen Kinder ſtehen ſchon vor meinem
Tode verarmt und verwaiſet um mein Schmerzens Bett und nur ich
habe noch Eine Hoffnung, das Grab, ſie aber haben keine.

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[220/0229] Ihr liebes, liebes Breslau liegt mir leider — wenigſtens für dieſes mit Donnerwettern gefüllte Jahr — doch zu fern. Aber den herzlichſten Dank für Ihre ſchöne freundliche Bewirthung ſag’ ich Ihnen doch, und käm ich nie nach Breslau. Ihr Wort über meine Vorreden und Rezenſionen hab’ ich mehr er- 5 wogen. Da ſie auf keine Weiſe in die Herbstblumine gehören: ſo könnt’ ich Ihnen doch ſie geſammelt und mit neuen Rezenſionen ver- mehrt einmal geben; aber freilich nur jetzt, in dieſem Jahre nicht. Recht wohl ergeh’ es Ihnen! Nachſchrift. 10 Erfüllt der hoffnungvolle Primaner P[ohl] noch immer Hoffnungen? — So ſei er recht gegrüßt von mir zum zweiten male. 368. An Königin Karoline von Bayern. [Bayreuth, Anfang April 1823?] Allergnädigſte Königin! 15 Dem helfenden Herzen Ihrer königlichen Majeſtät naht ſich hier ein Mann, der ohne Verſchulden beinahe ein halbes Jahrhundert lang unglücklich iſt und welcher jetzo keinen andern Troſt hat als den, bald das ſchmerzlichſte Lager mit dem ſanftern in der Erde zu ver- tauſchen. 20 Als Kind von 26 Wochen lähmte mir ein Schlagfluß die linke Seite; das Sprechen wurde mir ſchwer, das Gehen ohne fremde Hülfe faſt unmöglich. Dieſes nie geheilte Unglück der Kindheit entzog mich doch nicht in ſpätern Jahren dem Studium der Theologie und der alten Sprachen. Beſonders aber den neuern, der engliſchen, der franzöſiſchen, 25 ſpaniſchen, italieniſchen widmete ich mich mit einem Eifer, daß ich deren Profeſſor geworden und in den Jahren 1801 bis 1803 und 1810 bis 1812 beſuchte Schulen derſelben halten konnte. Aber ſeit zehn Monaten nehmen mir die Schmerzen eines Bein- fraßes auch die letzte Quelle, zu leben durch Lehren, und meine vorige 30 lebenslange Armuth ſteigt jetzt zu gänzlichem Untegrehen. Meine Gattin und meine ſieben unerzognen Kinder ſtehen ſchon vor meinem Tode verarmt und verwaiſet um mein Schmerzens Bett und nur ich habe noch Eine Hoffnung, das Grab, ſie aber haben keine.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:22:18Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:22:18Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/229>, abgerufen am 23.11.2024.