Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955.

Bild:
<< vorherige Seite

oberwärts zu lassen. -- Deine Rothhammeliana hab' ich vor Lust 3 mal
gelesen; und auch die Meinigen haben lachen müssen. Übersetze doch
einmal dich selber aus dem Englischen und Griechischen ins Deutsche
und -- schreibe dich.

-- Lebe wohl, mein Heinrich! Und gegrüßt seien die Deinigen alle!5

R.
177. An Hofschauspieler Fischer in Darmstadt.
[Konzept]

Göthe, dessen Handschrift Sie haben, sammelt selber wieder Hand-
schriften. -- Wenn Lavater aus dem Daumen den Charakter abschatten10
will: so ich aus dem Schreibdaumen und seinen zwei Schreib-Ad-
junkten. -- Die Verschiedenheit der Handschriften [ist] der beste Beweis
für ihre Bedeutsamkeit. -- Diese Sätze hab' ich nur hingeschrieben,
um meine Schriftstellerhandschrift zu zeigen. Meine Briefsteller-
handschrift ist viel schöner, wie Sie aus der Versicherung sehen, daß15
ich gern Ihren so unschuldigen Wunsch erfüllt.

178. An Max Richter in Heidelberg.

Mein geliebter Sohn! Dein Brief hat mich innigst bewegt und dein
Schmerz, der von einer falschen Auslegung des meinigen entstand, thut20
mir sehr wehe. Ich tadelte eigentlich die Unvollständigkeit deiner Rech-
nungen -- denn bei dieser weiß man nie, wann und wie viel man
schicken soll, und was du hast und schuldig bist -- und das Wegleihen.
Um Gottes Willen schränke dein Essen nicht ein; aber wol dein über-
mäßiges Arbeiten. Das Übermaß in Lesen und Hören bindet und25
hemmt die Freiheit des eignen Entwickelns und Beschauens. -- Am
meisten schmerzt mich deine schwärmerische Melancholie (zumal im
letzten Briefe), worin du von dir, blos wegen des Glanzes des Ideal-
ziels, zu kleinmüthig denkst. Mein guter Max, in jedem Brief erscheinst
du mir besser und reifer und strebender. Glaube hierin mehr mir als dir.30
Mit Entzücken werd ich dich in Heidelberg ans Herz drücken, -- wenn
ich nur erst hinkönnte. Aber das jetzige entzündliche Wetter martert und
überfüllt meinen Kopf, der eine Reihe von Freudentagen jetzo durchaus
nicht aushält; wozu noch die Unsicherheit des Wetters kommt, das nicht

8*

oberwärts zu laſſen. — Deine Rothhammeliana hab’ ich vor Luſt 3 mal
geleſen; und auch die Meinigen haben lachen müſſen. Überſetze doch
einmal dich ſelber aus dem Engliſchen und Griechiſchen ins Deutſche
und — ſchreibe dich.

— Lebe wohl, mein Heinrich! Und gegrüßt ſeien die Deinigen alle!5

R.
177. An Hofſchauſpieler Fiſcher in Darmſtadt.
[Konzept]

Göthe, deſſen Handſchrift Sie haben, ſammelt ſelber wieder Hand-
ſchriften. — Wenn Lavater aus dem Daumen den Charakter abſchatten10
will: ſo ich aus dem Schreibdaumen und ſeinen zwei Schreib-Ad-
junkten. — Die Verſchiedenheit der Handſchriften [iſt] der beſte Beweis
für ihre Bedeutſamkeit. — Dieſe Sätze hab’ ich nur hingeſchrieben,
um meine Schriftſtellerhandſchrift zu zeigen. Meine Briefſteller-
handſchrift iſt viel ſchöner, wie Sie aus der Verſicherung ſehen, daß15
ich gern Ihren ſo unſchuldigen Wunſch erfüllt.

178. An Max Richter in Heidelberg.

Mein geliebter Sohn! Dein Brief hat mich innigſt bewegt und dein
Schmerz, der von einer falſchen Auslegung des meinigen entſtand, thut20
mir ſehr wehe. Ich tadelte eigentlich die Unvollſtändigkeit deiner Rech-
nungen — denn bei dieſer weiß man nie, wann und wie viel man
ſchicken ſoll, und was du haſt und ſchuldig biſt — und das Wegleihen.
Um Gottes Willen ſchränke dein Eſſen nicht ein; aber wol dein über-
mäßiges Arbeiten. Das Übermaß in Leſen und Hören bindet und25
hemmt die Freiheit des eignen Entwickelns und Beſchauens. — Am
meiſten ſchmerzt mich deine ſchwärmeriſche Melancholie (zumal im
letzten Briefe), worin du von dir, blos wegen des Glanzes des Ideal-
ziels, zu kleinmüthig denkſt. Mein guter Max, in jedem Brief erſcheinſt
du mir beſſer und reifer und ſtrebender. Glaube hierin mehr mir als dir.30
Mit Entzücken werd ich dich in Heidelberg ans Herz drücken, — wenn
ich nur erſt hinkönnte. Aber das jetzige entzündliche Wetter martert und
überfüllt meinen Kopf, der eine Reihe von Freudentagen jetzo durchaus
nicht aushält; wozu noch die Unſicherheit des Wetters kommt, das nicht

8*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0121" n="115"/>
oberwärts zu la&#x017F;&#x017F;en. &#x2014; Deine <hi rendition="#aq">Rothhammeliana</hi> hab&#x2019; ich vor Lu&#x017F;t 3 mal<lb/>
gele&#x017F;en; und auch die Meinigen haben lachen mü&#x017F;&#x017F;en. Über&#x017F;etze doch<lb/>
einmal dich &#x017F;elber aus dem Engli&#x017F;chen und Griechi&#x017F;chen ins Deut&#x017F;che<lb/>
und &#x2014; &#x017F;chreibe dich.</p><lb/>
        <p>&#x2014; Lebe wohl, mein <hi rendition="#aq">Heinrich!</hi> Und gegrüßt &#x017F;eien die Deinigen alle!<lb n="5"/>
</p>
        <closer>
          <salute> <hi rendition="#right">R.</hi> </salute>
        </closer>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>177. An <hi rendition="#g">Hof&#x017F;chau&#x017F;pieler Fi&#x017F;cher in Darm&#x017F;tadt.</hi></head><lb/>
        <note type="editorial">[Konzept]</note>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Bayreuth, Mai 1821]</hi> </dateline><lb/>
        <p>Göthe, de&#x017F;&#x017F;en Hand&#x017F;chrift Sie haben, &#x017F;ammelt &#x017F;elber wieder Hand-<lb/>
&#x017F;chriften. &#x2014; Wenn Lavater aus dem Daumen den Charakter ab&#x017F;chatten<lb n="10"/>
will: &#x017F;o ich aus dem Schreibdaumen und &#x017F;einen zwei Schreib-Ad-<lb/>
junkten. &#x2014; Die Ver&#x017F;chiedenheit der Hand&#x017F;chriften [i&#x017F;t] der be&#x017F;te Beweis<lb/>
für ihre Bedeut&#x017F;amkeit. &#x2014; Die&#x017F;e Sätze hab&#x2019; ich nur hinge&#x017F;chrieben,<lb/>
um meine Schrift&#x017F;tellerhand&#x017F;chrift zu zeigen. Meine Brief&#x017F;teller-<lb/>
hand&#x017F;chrift i&#x017F;t viel &#x017F;chöner, wie Sie aus der Ver&#x017F;icherung &#x017F;ehen, daß<lb n="15"/>
ich gern Ihren &#x017F;o un&#x017F;chuldigen Wun&#x017F;ch erfüllt.</p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>178. An <hi rendition="#g">Max Richter in Heidelberg.</hi></head><lb/>
        <byline>Eilig.</byline>
        <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">B[aireut]</hi> d. 20<hi rendition="#sup">ten</hi> Mai [1821]</hi> </dateline><lb/>
        <p>Mein geliebter Sohn! Dein Brief hat mich innig&#x017F;t bewegt und dein<lb/>
Schmerz, der von einer fal&#x017F;chen Auslegung des meinigen ent&#x017F;tand, thut<lb n="20"/>
mir &#x017F;ehr wehe. Ich tadelte eigentlich die Unvoll&#x017F;tändigkeit deiner Rech-<lb/>
nungen &#x2014; denn bei die&#x017F;er weiß man nie, <hi rendition="#g">wann</hi> und wie <hi rendition="#g">viel</hi> man<lb/>
&#x017F;chicken &#x017F;oll, und was du ha&#x017F;t und &#x017F;chuldig bi&#x017F;t &#x2014; und das Wegleihen.<lb/>
Um Gottes Willen &#x017F;chränke dein E&#x017F;&#x017F;en nicht ein; aber wol dein über-<lb/>
mäßiges Arbeiten. Das Übermaß in Le&#x017F;en und Hören bindet und<lb n="25"/>
hemmt die Freiheit des eignen Entwickelns und Be&#x017F;chauens. &#x2014; Am<lb/>
mei&#x017F;ten &#x017F;chmerzt mich deine &#x017F;chwärmeri&#x017F;che Melancholie (zumal im<lb/>
letzten Briefe), worin du von dir, blos wegen des Glanzes des Ideal-<lb/>
ziels, zu kleinmüthig denk&#x017F;t. Mein guter Max, in jedem Brief er&#x017F;chein&#x017F;t<lb/>
du mir be&#x017F;&#x017F;er und reifer und &#x017F;trebender. Glaube hierin mehr mir als dir.<lb n="30"/>
Mit Entzücken werd ich dich in <hi rendition="#aq">Heidelberg</hi> ans Herz drücken, &#x2014; wenn<lb/>
ich nur er&#x017F;t hinkönnte. Aber das jetzige entzündliche Wetter martert und<lb/>
überfüllt meinen Kopf, der eine Reihe von Freudentagen jetzo durchaus<lb/>
nicht aushält; wozu noch die Un&#x017F;icherheit des Wetters kommt, das nicht<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">8*</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[115/0121] oberwärts zu laſſen. — Deine Rothhammeliana hab’ ich vor Luſt 3 mal geleſen; und auch die Meinigen haben lachen müſſen. Überſetze doch einmal dich ſelber aus dem Engliſchen und Griechiſchen ins Deutſche und — ſchreibe dich. — Lebe wohl, mein Heinrich! Und gegrüßt ſeien die Deinigen alle! 5 R. 177. An Hofſchauſpieler Fiſcher in Darmſtadt. [Bayreuth, Mai 1821] Göthe, deſſen Handſchrift Sie haben, ſammelt ſelber wieder Hand- ſchriften. — Wenn Lavater aus dem Daumen den Charakter abſchatten 10 will: ſo ich aus dem Schreibdaumen und ſeinen zwei Schreib-Ad- junkten. — Die Verſchiedenheit der Handſchriften [iſt] der beſte Beweis für ihre Bedeutſamkeit. — Dieſe Sätze hab’ ich nur hingeſchrieben, um meine Schriftſtellerhandſchrift zu zeigen. Meine Briefſteller- handſchrift iſt viel ſchöner, wie Sie aus der Verſicherung ſehen, daß 15 ich gern Ihren ſo unſchuldigen Wunſch erfüllt. 178. An Max Richter in Heidelberg. Eilig.B[aireut] d. 20ten Mai [1821] Mein geliebter Sohn! Dein Brief hat mich innigſt bewegt und dein Schmerz, der von einer falſchen Auslegung des meinigen entſtand, thut 20 mir ſehr wehe. Ich tadelte eigentlich die Unvollſtändigkeit deiner Rech- nungen — denn bei dieſer weiß man nie, wann und wie viel man ſchicken ſoll, und was du haſt und ſchuldig biſt — und das Wegleihen. Um Gottes Willen ſchränke dein Eſſen nicht ein; aber wol dein über- mäßiges Arbeiten. Das Übermaß in Leſen und Hören bindet und 25 hemmt die Freiheit des eignen Entwickelns und Beſchauens. — Am meiſten ſchmerzt mich deine ſchwärmeriſche Melancholie (zumal im letzten Briefe), worin du von dir, blos wegen des Glanzes des Ideal- ziels, zu kleinmüthig denkſt. Mein guter Max, in jedem Brief erſcheinſt du mir beſſer und reifer und ſtrebender. Glaube hierin mehr mir als dir. 30 Mit Entzücken werd ich dich in Heidelberg ans Herz drücken, — wenn ich nur erſt hinkönnte. Aber das jetzige entzündliche Wetter martert und überfüllt meinen Kopf, der eine Reihe von Freudentagen jetzo durchaus nicht aushält; wozu noch die Unſicherheit des Wetters kommt, das nicht 8*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:22:18Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:22:18Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/121
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/121>, abgerufen am 04.05.2024.