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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954.

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Das Übersetzen muß ein Feen-Angebinde Ihrer Familie sein.
Daher freu' ich mich unbeschreiblich auf den Voßischen Aristo-
phanes.
Der von Welcker ist mir nicht nur lieber als der von
Wieland, sondern sogar als der von Wolf (drei W's, die ein V
oder von brauchen); denn Wolf vergaß, daß zum Übersetzen mehr5
als Eine Sprache gehöre, nämlich durchaus zwei Sprachen. Und
diese zweite, nämlich die deutsche, hat ihren Sprachschatz als Mitgift
dem Dichter ächtdeutscher Idyllen und dem Übersetzer des Homers
und Ovids gegeben. Er sei hier von mir gegrüßt, dieser sprachreiche
Übersetzer, welcher (zufolge einer Probe im Morgenblatte) anders10
und höher als Adelung und Campe den ganzen verzauberten deut-
schen Sprachschatz heben könnte. Möchte er wollen oder fortwollen!


Um Ihnen weiter zu antworten: Fouque (unsern Schlachten=
Ariost) brauch' und vermag ich nicht mehr zu rezensieren; die Welt15
und seine Werke thun es statt meiner, auch eine gewisse Einförmig-
keit in diesen. Dramatisch prägt er sich heller und glänzender aus,
nämlich kürzer, als episch. Eine Rezension kostet mir mehr Mühe
als manchem Autor sein dickes Buch, da sie kein Flugurtheil am
Theetisch sein soll, sondern eine ästhetische Ergründung und Dar-20
stellung des ganzen Menschen und Buchs zugleich. Als ich Md. Stael
rezensiert hatte, war mir ordentlich, als hätt' ich sie geheirathet, so
oft hatt' ich sie lesen müssen. -- Bitten Sie die Buchhandlung, mir
die Jahrbücher nicht mehr zu schenken, da ich sie ohnehin hier mehr-
mal zum Lesen vorfinde.25

Was mich an diesem Briefe am meisten erfreuet, ist die Anzeige,
daß ich im Frühling einen zweiten schreiben werde, um durch ihn mir
eine Monatwohnung in Heidelberg zu erbitten. Mein ganzes
Herz sehnt und drängt sich nach diesem Augen-Eden. Ich grüße hier
alle Ihrige und Schwarz und Fr. v. Ende, will aber im Frühlinge30
noch mehre grüßen, z. B. Helmine, die Topographin des Eden.

Ihr
Jean Paul Fr. Richter

Auch meine Frau grüßt die Fr. v. Ende. Mit einem Ablaß-
briefe werden Sie mir eine Freude machen.35

Das Überſetzen muß ein Feen-Angebinde Ihrer Familie ſein.
Daher freu’ ich mich unbeſchreiblich auf den Voßischen Aristo-
phanes.
Der von Welcker iſt mir nicht nur lieber als der von
Wieland, ſondern ſogar als der von Wolf (drei W’s, die ein V
oder von brauchen); denn Wolf vergaß, daß zum Überſetzen mehr5
als Eine Sprache gehöre, nämlich durchaus zwei Sprachen. Und
dieſe zweite, nämlich die deutſche, hat ihren Sprachſchatz als Mitgift
dem Dichter ächtdeutſcher Idyllen und dem Überſetzer des Homers
und Ovids gegeben. Er ſei hier von mir gegrüßt, dieſer ſprachreiche
Überſetzer, welcher (zufolge einer Probe im Morgenblatte) anders10
und höher als Adelung und Campe den ganzen verzauberten deut-
ſchen Sprachſchatz heben könnte. Möchte er wollen oder fortwollen!


Um Ihnen weiter zu antworten: Fouqué (unſern Schlachten=
Arioſt) brauch’ und vermag ich nicht mehr zu rezenſieren; die Welt15
und ſeine Werke thun es ſtatt meiner, auch eine gewiſſe Einförmig-
keit in dieſen. Dramatiſch prägt er ſich heller und glänzender aus,
nämlich kürzer, als epiſch. Eine Rezenſion koſtet mir mehr Mühe
als manchem Autor ſein dickes Buch, da ſie kein Flugurtheil am
Theetiſch ſein ſoll, ſondern eine äſthetiſche Ergründung und Dar-20
ſtellung des ganzen Menſchen und Buchs zugleich. Als ich Md. Stael
rezenſiert hatte, war mir ordentlich, als hätt’ ich ſie geheirathet, ſo
oft hatt’ ich ſie leſen müſſen. — Bitten Sie die Buchhandlung, mir
die Jahrbücher nicht mehr zu ſchenken, da ich ſie ohnehin hier mehr-
mal zum Leſen vorfinde.25

Was mich an dieſem Briefe am meiſten erfreuet, iſt die Anzeige,
daß ich im Frühling einen zweiten ſchreiben werde, um durch ihn mir
eine Monatwohnung in Heidelberg zu erbitten. Mein ganzes
Herz ſehnt und drängt ſich nach dieſem Augen-Eden. Ich grüße hier
alle Ihrige und Schwarz und Fr. v. Ende, will aber im Frühlinge30
noch mehre grüßen, z. B. Helmine, die Topographin des Eden.

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Jean Paul Fr. Richter

Auch meine Frau grüßt die Fr. v. Ende. Mit einem Ablaß-
briefe werden Sie mir eine Freude machen.35

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[93/0098] Das Überſetzen muß ein Feen-Angebinde Ihrer Familie ſein. Daher freu’ ich mich unbeſchreiblich auf den Voßischen Aristo- phanes. Der von Welcker iſt mir nicht nur lieber als der von Wieland, ſondern ſogar als der von Wolf (drei W’s, die ein V oder von brauchen); denn Wolf vergaß, daß zum Überſetzen mehr 5 als Eine Sprache gehöre, nämlich durchaus zwei Sprachen. Und dieſe zweite, nämlich die deutſche, hat ihren Sprachſchatz als Mitgift dem Dichter ächtdeutſcher Idyllen und dem Überſetzer des Homers und Ovids gegeben. Er ſei hier von mir gegrüßt, dieſer ſprachreiche Überſetzer, welcher (zufolge einer Probe im Morgenblatte) anders 10 und höher als Adelung und Campe den ganzen verzauberten deut- ſchen Sprachſchatz heben könnte. Möchte er wollen oder fortwollen! d. 23ten Nov. Um Ihnen weiter zu antworten: Fouqué (unſern Schlachten= Arioſt) brauch’ und vermag ich nicht mehr zu rezenſieren; die Welt 15 und ſeine Werke thun es ſtatt meiner, auch eine gewiſſe Einförmig- keit in dieſen. Dramatiſch prägt er ſich heller und glänzender aus, nämlich kürzer, als epiſch. Eine Rezenſion koſtet mir mehr Mühe als manchem Autor ſein dickes Buch, da ſie kein Flugurtheil am Theetiſch ſein ſoll, ſondern eine äſthetiſche Ergründung und Dar- 20 ſtellung des ganzen Menſchen und Buchs zugleich. Als ich Md. Stael rezenſiert hatte, war mir ordentlich, als hätt’ ich ſie geheirathet, ſo oft hatt’ ich ſie leſen müſſen. — Bitten Sie die Buchhandlung, mir die Jahrbücher nicht mehr zu ſchenken, da ich ſie ohnehin hier mehr- mal zum Leſen vorfinde. 25 Was mich an dieſem Briefe am meiſten erfreuet, iſt die Anzeige, daß ich im Frühling einen zweiten ſchreiben werde, um durch ihn mir eine Monatwohnung in Heidelberg zu erbitten. Mein ganzes Herz ſehnt und drängt ſich nach dieſem Augen-Eden. Ich grüße hier alle Ihrige und Schwarz und Fr. v. Ende, will aber im Frühlinge 30 noch mehre grüßen, z. B. Helmine, die Topographin des Eden. Ihr Jean Paul Fr. Richter Auch meine Frau grüßt die Fr. v. Ende. Mit einem Ablaß- briefe werden Sie mir eine Freude machen. 35

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:19:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:19:52Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/98>, abgerufen am 28.04.2024.