Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954.d. 6ten Sept. [Montag] Heute hast du gewiß meinen Brief erhalten. Endlich muß ich, d. 6ten Sept. [Montag] Heute haſt du gewiß meinen Brief erhalten. Endlich muß ich, <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <pb facs="#f0309" n="299"/> <div n="2"> <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">d. 6<hi rendition="#sup">ten</hi> Sept.</hi> [Montag]</hi> </dateline><lb/> <p>Heute haſt du gewiß meinen Brief erhalten. Endlich muß ich,<lb/> ohne deinen zu erwarten, die Abreiſe feſtſtellen. Der Menſch braucht<lb/> nicht blos Luſtgetümmel, ſondern Herbſtruhe, Arbeit und die lieben<lb/> Seinigen. Thümmel wollte mich nach <hi rendition="#aq">Altenburg</hi> haben und mir<lb n="5"/> ſeine Pferde bis <hi rendition="#aq">Reichenbach</hi> leihen; aber nach der hieſigen Geſell-<lb/> ſchaft ſchmeckt mir keine neue, ſondern nur ihr. Miethe alſo meinen<lb/><hi rendition="#g">vorigen</hi> Höfer Kutſcher von Strobel (oder iſt der nicht zu haben,<lb/> den <hi rendition="#aq">Eisenhutischen</hi> mit ſeinen guten Pferden) ſo, daß ich nicht für<lb/> Razion und Porzion zu ſorgen habe, und daß er etwa den 10<hi rendition="#sup">ten</hi><lb n="10"/> (Freitags) abfährt. Könnt’ er nicht, ſo käm’ es auf Einen Tag<lb/> nicht an, nur aber nicht ſpäter. <hi rendition="#aq">Löbigau</hi> liegt 1 Stunde von <hi rendition="#aq">Ronne-<lb/> burg.</hi> Sag’ ihm, daß ich in dem nahen <hi rendition="#aq">Gera</hi> (weil ich erſt Nach-<lb/> mittags abfahre) übernachte. Und doch wär’ es möglich, daß ich<lb/> am Morgen abführe nach <hi rendition="#aq">Altenburg</hi> und da 1 Nacht bei <hi rendition="#aq">Th[ümmel]</hi><lb n="15"/> bliebe. Sage dem Kutſcher die verſchiednen Möglichkeiten, damit<lb/> er ſeine Preiſe berechnet. Erwarte alſo nicht ganz ſtrenge mich an<lb/> dem erſten möglichen Termin, ſondern am zweiten. — Das prophe-<lb/> zeiete ſchöne Herbſtwetter iſt eingetreten. Die Liebe aller gegen<lb/> mich dauert fort. Geſtern war ich in <hi rendition="#aq">Tannefeld</hi> bei den 3 Schweſtern.<lb n="20"/> Die Fürſtin von Hohenzollern kommt mit nach <hi rendition="#aq">Baireut.</hi> Welch’<lb/> ein Sonntag! Um 3¼ Uhr wurde ohne Frühſtück Einmal für den<lb/> ganzen Tag geſpeiſet. Keine Konzerte haben mir noch ſolche volle<lb/> Entzückungen gegeben als die köſtlichen Bruſtſtimmen der beiden<lb/> Fürſtinnen und noch einige Mädchenſtimmen; ſogar ein luſtiges Stu-<lb n="25"/> dentenlied wurde vom Chore geſungen; — der alte Feuerbach ſang<lb/> als ein Schneider mit trefflichſter Deklamazion ſeine Geſchichte und<lb/> Liebe ſeiner Schneiders Geliebten vor der Frau von d. Reck. Mit<lb/> dieſer muß ich oft eine Stunde Nachmittags ſpazieren. Nie dacht’ ich,<lb/> daß ich dieſe alte ehrwürdige Frau — die vielleicht einſt ſo ſchön wie<lb n="30"/> die Herzogin war — ſo lieben und ehren würde, was du aber nach-<lb/> thun wirſt, wenn du ihre Reiſe lieſeſt, die ſie mir ſchenkt. — Darauf<lb/> wurden drei Polonäſen mit Geſchmack getanzt. Meine erſte tanzt’<lb/> ich mit der Frau v. d. Reck — die zweite mit der Herzogin — und<lb/> die dritte mit der theuern Herzogin von Sagan (die leider in dieſer<lb n="35"/> Woche nach Schleſien abreiſet). Die Polonäſen hatten ihre ſchwie-<lb/> rigen Touren, man muß zuweilen eine Dame nach der andern faſſen;<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [299/0309]
d. 6ten Sept. [Montag]
Heute haſt du gewiß meinen Brief erhalten. Endlich muß ich,
ohne deinen zu erwarten, die Abreiſe feſtſtellen. Der Menſch braucht
nicht blos Luſtgetümmel, ſondern Herbſtruhe, Arbeit und die lieben
Seinigen. Thümmel wollte mich nach Altenburg haben und mir 5
ſeine Pferde bis Reichenbach leihen; aber nach der hieſigen Geſell-
ſchaft ſchmeckt mir keine neue, ſondern nur ihr. Miethe alſo meinen
vorigen Höfer Kutſcher von Strobel (oder iſt der nicht zu haben,
den Eisenhutischen mit ſeinen guten Pferden) ſo, daß ich nicht für
Razion und Porzion zu ſorgen habe, und daß er etwa den 10ten 10
(Freitags) abfährt. Könnt’ er nicht, ſo käm’ es auf Einen Tag
nicht an, nur aber nicht ſpäter. Löbigau liegt 1 Stunde von Ronne-
burg. Sag’ ihm, daß ich in dem nahen Gera (weil ich erſt Nach-
mittags abfahre) übernachte. Und doch wär’ es möglich, daß ich
am Morgen abführe nach Altenburg und da 1 Nacht bei Th[ümmel] 15
bliebe. Sage dem Kutſcher die verſchiednen Möglichkeiten, damit
er ſeine Preiſe berechnet. Erwarte alſo nicht ganz ſtrenge mich an
dem erſten möglichen Termin, ſondern am zweiten. — Das prophe-
zeiete ſchöne Herbſtwetter iſt eingetreten. Die Liebe aller gegen
mich dauert fort. Geſtern war ich in Tannefeld bei den 3 Schweſtern. 20
Die Fürſtin von Hohenzollern kommt mit nach Baireut. Welch’
ein Sonntag! Um 3¼ Uhr wurde ohne Frühſtück Einmal für den
ganzen Tag geſpeiſet. Keine Konzerte haben mir noch ſolche volle
Entzückungen gegeben als die köſtlichen Bruſtſtimmen der beiden
Fürſtinnen und noch einige Mädchenſtimmen; ſogar ein luſtiges Stu- 25
dentenlied wurde vom Chore geſungen; — der alte Feuerbach ſang
als ein Schneider mit trefflichſter Deklamazion ſeine Geſchichte und
Liebe ſeiner Schneiders Geliebten vor der Frau von d. Reck. Mit
dieſer muß ich oft eine Stunde Nachmittags ſpazieren. Nie dacht’ ich,
daß ich dieſe alte ehrwürdige Frau — die vielleicht einſt ſo ſchön wie 30
die Herzogin war — ſo lieben und ehren würde, was du aber nach-
thun wirſt, wenn du ihre Reiſe lieſeſt, die ſie mir ſchenkt. — Darauf
wurden drei Polonäſen mit Geſchmack getanzt. Meine erſte tanzt’
ich mit der Frau v. d. Reck — die zweite mit der Herzogin — und
die dritte mit der theuern Herzogin von Sagan (die leider in dieſer 35
Woche nach Schleſien abreiſet). Die Polonäſen hatten ihre ſchwie-
rigen Touren, man muß zuweilen eine Dame nach der andern faſſen;
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Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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