Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954.

Bild:
<< vorherige Seite

Leser schwer zu finden, hinzuwünschte, nämlich Kürze. Durch steil-
rechte Striche hab' ich am Rande die schönsten Stellen bezeichnet;
durch wagrechte im Text, kurz durch eine Verkürzung über die
Hälfte, die aber keine laesio u[ltra] d[imidium] sein würde, könnten
Sie viel nachhelfen ... Ferner sollten die Begebenheiten sich mehr5
aus als neben einander entwickeln. Wie eine Quelle wird die
Satire immer mächtiger, je länger sie geflossen. -- Einölen meines
körperlichen Räderwerks mit Wein. -- Ich wollte, ich könnte mir
einen Wein Champion Campio halten -- der Wein ist nur
meine 2te Dinte zum Eintunken.10

*511. An Heinrich Voß in Heidelberg.

Mein Heinrich! Unter 20 Briefen beantwort' ich gewöhnlich
10 nicht; dann kommen die andern 10, auf die ich noch die Antwort
schuldig bin, eine an Jakobi, an Thiersch, an Yelin für 2 physikalische15
Werkchen, an die deutsche Gesellschaft in Berlin wegen meines S-
Krieges, von dessen Rechtmäßigkeit und Siegausgange mich gerade
die Feinde am ersten überzeugen*), an Wangenheim, an den Dichter
Wetzel, an Franz Horn, an den Satiriker Friedrich ... Aber beim
Henker, an dich soll geschrieben werden und wär's auch noch so eilig20
und schlecht. Zuerst den größten Dank für euren Shakespeare.
Eure Tadler, die ihn im Deutschen fließend haben wollen, vergessen,
daß er ja selber im Englischen für die Britten ein Strom voll drän-
gendes Treibholz ist, besonders in den Versen, für welche die Kürze
deines Vaters eben recht paßt, wenn gleich zuweilen weniger für25
den flüchtigen Dialog.

Für die niedersächsischen und altdeutschen Kernwörter sollte man
euch danken, so wie jetzo S. 84 wieder Prahl-, S. 70 Zagwicht (Sinn-
reim), S. 80 ein Trübauge, S. 224 Abbefehl etc.etc.etc. In Wortspielen
gewinnst du gegen jeden Übersetzer das Spiel, wie z. B. S. 409 Eid30
ablegen, 431 gefaßt und los und gar in dem Teufels Hirschlein
S. 468; so auch dein Vater S. 87. -- Mehre Nachstellungen der
Substantive wollen meinem Ohre nicht ein, z. B. S. 18 ehe ich

*) Ich lasse aber künftig alles in einem besonderen Band auf einmal aus-
rücken.35

Leſer ſchwer zu finden, hinzuwünſchte, nämlich Kürze. Durch ſteil-
rechte Striche hab’ ich am Rande die ſchönſten Stellen bezeichnet;
durch wagrechte im Text, kurz durch eine Verkürzung über die
Hälfte, die aber keine laesio u[ltra] d[imidium] ſein würde, könnten
Sie viel nachhelfen ... Ferner ſollten die Begebenheiten ſich mehr5
aus als neben einander entwickeln. Wie eine Quelle wird die
Satire immer mächtiger, je länger ſie gefloſſen. — Einölen meines
körperlichen Räderwerks mit Wein. — Ich wollte, ich könnte mir
einen Wein Champion 〈Campio〉 halten — der Wein iſt nur
meine 2te Dinte zum Eintunken.10

*511. An Heinrich Voß in Heidelberg.

Mein Heinrich! Unter 20 Briefen beantwort’ ich gewöhnlich
10 nicht; dann kommen die andern 10, auf die ich noch die Antwort
ſchuldig bin, eine an Jakobi, an Thierſch, an Yelin für 2 phyſikaliſche15
Werkchen, an die deutſche Geſellſchaft in Berlin wegen meines S-
Krieges, von deſſen Rechtmäßigkeit und Siegausgange mich gerade
die Feinde am erſten überzeugen*), an Wangenheim, an den Dichter
Wetzel, an Franz Horn, an den Satiriker Friedrich ... Aber beim
Henker, an dich ſoll geſchrieben werden und wär’s auch noch ſo eilig20
und ſchlecht. Zuerſt den größten Dank für euren Shakespeare.
Eure Tadler, die ihn im Deutſchen fließend haben wollen, vergeſſen,
daß er ja ſelber im Engliſchen für die Britten ein Strom voll drän-
gendes Treibholz iſt, beſonders in den Verſen, für welche die Kürze
deines Vaters eben recht paßt, wenn gleich zuweilen weniger für25
den flüchtigen Dialog.

Für die niederſächſiſchen und altdeutſchen Kernwörter ſollte man
euch danken, ſo wie jetzo S. 84 wieder Prahl-, S. 70 Zagwicht (Sinn-
reim), S. 80 ein Trübauge, S. 224 Abbefehl ꝛc.ꝛc.ꝛc. In Wortſpielen
gewinnſt du gegen jeden Überſetzer das Spiel, wie z. B. S. 409 Eid30
ablegen, 431 gefaßt und los und gar in dem Teufels Hirſchlein
S. 468; ſo auch dein Vater S. 87. — Mehre Nachſtellungen der
Subſtantive wollen meinem Ohre nicht ein, z. B. S. 18 ehe ich

*) Ich laſſe aber künftig alles in einem beſonderen Band auf einmal aus-
rücken.35
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0263" n="256"/>
Le&#x017F;er &#x017F;chwer zu finden, hinzuwün&#x017F;chte, nämlich Kürze. Durch &#x017F;teil-<lb/>
rechte Striche hab&#x2019; ich am Rande die &#x017F;chön&#x017F;ten Stellen bezeichnet;<lb/>
durch wagrechte im Text, kurz durch eine Verkürzung über die<lb/>
Hälfte, die aber keine <hi rendition="#aq">laesio u[ltra] d[imidium]</hi> &#x017F;ein würde, könnten<lb/>
Sie viel nachhelfen ... Ferner &#x017F;ollten die Begebenheiten &#x017F;ich mehr<lb n="5"/> <hi rendition="#g">aus</hi> als <hi rendition="#g">neben</hi> einander entwickeln. Wie eine Quelle wird die<lb/>
Satire immer mächtiger, je länger &#x017F;ie geflo&#x017F;&#x017F;en. &#x2014; Einölen meines<lb/>
körperlichen Räderwerks mit Wein. &#x2014; Ich wollte, ich könnte mir<lb/>
einen Wein <hi rendition="#aq">Champion &#x2329;Campio&#x232A;</hi> halten &#x2014; der Wein i&#x017F;t nur<lb/>
meine 2<hi rendition="#sup">te</hi> Dinte zum Eintunken.<lb n="10"/>
</p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>*511. An <hi rendition="#g">Heinrich Voß in Heidelberg.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Baireut</hi> d. 10<hi rendition="#sup">ten</hi> März 1819</hi> </dateline><lb/>
        <p>Mein Heinrich! Unter 20 Briefen beantwort&#x2019; ich gewöhnlich<lb/>
10 nicht; dann kommen die andern 10, auf die ich noch die Antwort<lb/>
&#x017F;chuldig bin, eine an Jakobi, an Thier&#x017F;ch, an Yelin für 2 phy&#x017F;ikali&#x017F;che<lb n="15"/>
Werkchen, an die deut&#x017F;che Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft in Berlin wegen meines S-<lb/>
Krieges, von de&#x017F;&#x017F;en Rechtmäßigkeit und Siegausgange mich gerade<lb/>
die Feinde am er&#x017F;ten überzeugen<note place="foot" n="*)">Ich la&#x017F;&#x017F;e aber künftig alles in einem be&#x017F;onderen Band auf einmal aus-<lb/>
rücken.<lb n="35"/>
</note>, an Wangenheim, an den Dichter<lb/>
Wetzel, an Franz Horn, an den Satiriker Friedrich ... Aber beim<lb/>
Henker, an dich &#x017F;oll ge&#x017F;chrieben werden und wär&#x2019;s auch noch &#x017F;o eilig<lb n="20"/>
und &#x017F;chlecht. Zuer&#x017F;t den größten Dank für euren <hi rendition="#aq">Shakespeare.</hi><lb/>
Eure Tadler, die ihn im Deut&#x017F;chen fließend haben wollen, verge&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
daß er ja &#x017F;elber im Engli&#x017F;chen für die Britten ein Strom voll drän-<lb/>
gendes Treibholz i&#x017F;t, be&#x017F;onders in den Ver&#x017F;en, für welche die Kürze<lb/>
deines Vaters eben recht paßt, wenn gleich zuweilen weniger für<lb n="25"/>
den flüchtigen Dialog.</p><lb/>
        <p>Für die nieder&#x017F;äch&#x017F;i&#x017F;chen und altdeut&#x017F;chen Kernwörter &#x017F;ollte man<lb/>
euch danken, &#x017F;o wie jetzo S. 84 wieder Prahl-, S. 70 Zagwicht (Sinn-<lb/>
reim), S. 80 ein Trübauge, S. 224 Abbefehl &#xA75B;c.&#xA75B;c.&#xA75B;c. In Wort&#x017F;pielen<lb/>
gewinn&#x017F;t du gegen jeden Über&#x017F;etzer das Spiel, wie z. B. S. 409 Eid<lb n="30"/>
ablegen, 431 gefaßt und los und gar in dem Teufels Hir&#x017F;chlein<lb/>
S. 468; &#x017F;o auch dein Vater S. 87. &#x2014; Mehre Nach&#x017F;tellungen der<lb/>
Sub&#x017F;tantive wollen meinem Ohre nicht ein, z. B. S. 18 ehe ich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[256/0263] Leſer ſchwer zu finden, hinzuwünſchte, nämlich Kürze. Durch ſteil- rechte Striche hab’ ich am Rande die ſchönſten Stellen bezeichnet; durch wagrechte im Text, kurz durch eine Verkürzung über die Hälfte, die aber keine laesio u[ltra] d[imidium] ſein würde, könnten Sie viel nachhelfen ... Ferner ſollten die Begebenheiten ſich mehr 5 aus als neben einander entwickeln. Wie eine Quelle wird die Satire immer mächtiger, je länger ſie gefloſſen. — Einölen meines körperlichen Räderwerks mit Wein. — Ich wollte, ich könnte mir einen Wein Champion 〈Campio〉 halten — der Wein iſt nur meine 2te Dinte zum Eintunken. 10 *511. An Heinrich Voß in Heidelberg. Baireut d. 10ten März 1819 Mein Heinrich! Unter 20 Briefen beantwort’ ich gewöhnlich 10 nicht; dann kommen die andern 10, auf die ich noch die Antwort ſchuldig bin, eine an Jakobi, an Thierſch, an Yelin für 2 phyſikaliſche 15 Werkchen, an die deutſche Geſellſchaft in Berlin wegen meines S- Krieges, von deſſen Rechtmäßigkeit und Siegausgange mich gerade die Feinde am erſten überzeugen *), an Wangenheim, an den Dichter Wetzel, an Franz Horn, an den Satiriker Friedrich ... Aber beim Henker, an dich ſoll geſchrieben werden und wär’s auch noch ſo eilig 20 und ſchlecht. Zuerſt den größten Dank für euren Shakespeare. Eure Tadler, die ihn im Deutſchen fließend haben wollen, vergeſſen, daß er ja ſelber im Engliſchen für die Britten ein Strom voll drän- gendes Treibholz iſt, beſonders in den Verſen, für welche die Kürze deines Vaters eben recht paßt, wenn gleich zuweilen weniger für 25 den flüchtigen Dialog. Für die niederſächſiſchen und altdeutſchen Kernwörter ſollte man euch danken, ſo wie jetzo S. 84 wieder Prahl-, S. 70 Zagwicht (Sinn- reim), S. 80 ein Trübauge, S. 224 Abbefehl ꝛc.ꝛc.ꝛc. In Wortſpielen gewinnſt du gegen jeden Überſetzer das Spiel, wie z. B. S. 409 Eid 30 ablegen, 431 gefaßt und los und gar in dem Teufels Hirſchlein S. 468; ſo auch dein Vater S. 87. — Mehre Nachſtellungen der Subſtantive wollen meinem Ohre nicht ein, z. B. S. 18 ehe ich *) Ich laſſe aber künftig alles in einem beſonderen Band auf einmal aus- rücken. 35

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:19:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:19:52Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/263
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/263>, abgerufen am 11.05.2024.