Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954.

Bild:
<< vorherige Seite
423. An Karoline Richter.

Meine geliebte Karoline! Dein Brief an deinem lieben Geburt-
tage hat mich unter allen deinen Briefen am meisten erfreuet. Hier
siehst du, wie ich immer an Baireut denke und schreibe, und sogar5
Vormittags, weil mir selten ein Nachmittag gelassen wird. -- Immer
ketten mich, wenn ich [mich] auch auf Abreise vorbereite, neue Ein-
ladungen wieder an, so z. B. die Eßladung des baierschen Gesandten.
-- Ich kann dir nicht sagen, wie ich mich wieder nach Hause sehne.
-- Der Hofrath Jung, dein Liebhaber, ist hier. Das beiliegende10
Gedicht, wovon ich noch 12 Exemplare habe, wurde in einem Eß-
kongreß von 80 Menschen mit vorgesungen. Das Mehre sieh in
Emanuels Brief. -- Meine Pension ist bezahlt worden. Hast du
sie von Münch bekommen? Er muß dir aber gerade 250 fl. geben,
denn die Provision (1 rtl.) hatt' er schon neulich abgezogen. -- Sage15
mir doch, welche Musikalien ich der Emma kaufen soll -- dann was
Odilien -- dann was dem Max -- ja was der Magd. Sitzt diese
noch auf ihrem alten moralischen Dienst-Thron? -- Das Trankgeld
hab ich dem Fuhrmann geben lassen. Aber das Fuhrlohn von 18 fl.
schicke lieber zu Schaller, mit welchem ich ja eigentlich kontrahiert20
habe. -- Bei der Verrückung des Repositoriums bringt ja mein
Wetterglas an einen sichern Ort. -- Nie hab' ich einen so reizenden
Junius erlebt. Aber so geschmückt die Gegend ist, kann ich alles
doch nicht so wie in Baireut genießen, aus Mangel eines Garten
am Morgen. -- Den Brief an Welden gib meinem Bruder. --25
Odilie ist doch wieder hergestellt? Die ungewöhnliche Witterung
brütet Krankheiten aus, z. B. in Heidelberg bösartige Masern.
Im Falle jeder nur halb bedenklichen Krankheit rufe den Doktor,
weil ich fehle. -- Meinen dicken Brief mit dem Wasserfeste hast du
doch erhalten? -- Du kannst dir denken, liebes Weib, wie meinem30
Herzen und Auge mitten in der großen Gesellschaft bei der 7ten
Strophe des Jungischen Liedes war; und doch mußt' ich Herr über
die stärksten Gefühle und Erinnerungen bleiben. --

[Schluß fehlt]35

N. S. Odilie soll mir über die Vögel schreiben.

423. An Karoline Richter.

Meine geliebte Karoline! Dein Brief an deinem lieben Geburt-
tage hat mich unter allen deinen Briefen am meiſten erfreuet. Hier
ſiehſt du, wie ich immer an Baireut denke und ſchreibe, und ſogar5
Vormittags, weil mir ſelten ein Nachmittag gelaſſen wird. — Immer
ketten mich, wenn ich [mich] auch auf Abreiſe vorbereite, neue Ein-
ladungen wieder an, ſo z. B. die Eßladung des baierſchen Geſandten.
— Ich kann dir nicht ſagen, wie ich mich wieder nach Hauſe ſehne.
— Der Hofrath Jung, dein Liebhaber, iſt hier. Das beiliegende10
Gedicht, wovon ich noch 12 Exemplare habe, wurde in einem Eß-
kongreß von 80 Menſchen mit vorgeſungen. Das Mehre ſieh in
Emanuels Brief. — Meine Penſion iſt bezahlt worden. Haſt du
ſie von Münch bekommen? Er muß dir aber gerade 250 fl. geben,
denn die Proviſion (1 rtl.) hatt’ er ſchon neulich abgezogen. — Sage15
mir doch, welche Muſikalien ich der Emma kaufen ſoll — dann was
Odilien — dann was dem Max — ja was der Magd. Sitzt dieſe
noch auf ihrem alten moraliſchen Dienſt-Thron? — Das Trankgeld
hab ich dem Fuhrmann geben laſſen. Aber das Fuhrlohn von 18 fl.
ſchicke lieber zu Schaller, mit welchem ich ja eigentlich kontrahiert20
habe. — Bei der Verrückung des Repoſitoriums bringt ja mein
Wetterglas an einen ſichern Ort. — Nie hab’ ich einen ſo reizenden
Junius erlebt. Aber ſo geſchmückt die Gegend iſt, kann ich alles
doch nicht ſo wie in Baireut genießen, aus Mangel eines Garten
am Morgen. — Den Brief an Welden gib meinem Bruder. —25
Odilie iſt doch wieder hergeſtellt? Die ungewöhnliche Witterung
brütet Krankheiten aus, z. B. in Heidelberg bösartige Maſern.
Im Falle jeder nur halb bedenklichen Krankheit rufe den Doktor,
weil ich fehle. — Meinen dicken Brief mit dem Waſſerfeſte haſt du
doch erhalten? — Du kannſt dir denken, liebes Weib, wie meinem30
Herzen und Auge mitten in der großen Geſellſchaft bei der 7ten
Strophe des Jungiſchen Liedes war; und doch mußt’ ich Herr über
die ſtärkſten Gefühle und Erinnerungen bleiben. —

[Schluß fehlt]35

N. S. Odilie ſoll mir über die Vögel ſchreiben.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0210" n="203"/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>423. An <hi rendition="#g">Karoline Richter.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Frankfurt d. 12. Jun.</hi> 1818</hi> </dateline><lb/>
        <p>Meine geliebte Karoline! Dein Brief an deinem lieben Geburt-<lb/>
tage hat mich unter allen deinen Briefen am mei&#x017F;ten erfreuet. Hier<lb/>
&#x017F;ieh&#x017F;t du, wie ich immer an Baireut denke und &#x017F;chreibe, und &#x017F;ogar<lb n="5"/>
Vormittags, weil mir &#x017F;elten ein Nachmittag gela&#x017F;&#x017F;en wird. &#x2014; Immer<lb/>
ketten mich, wenn ich [mich] auch auf Abrei&#x017F;e vorbereite, neue Ein-<lb/>
ladungen wieder an, &#x017F;o z. B. die Eßladung des baier&#x017F;chen Ge&#x017F;andten.<lb/>
&#x2014; Ich kann dir nicht &#x017F;agen, wie ich mich wieder nach Hau&#x017F;e &#x017F;ehne.<lb/>
&#x2014; Der Hofrath Jung, dein Liebhaber, i&#x017F;t hier. Das beiliegende<lb n="10"/>
Gedicht, wovon ich noch 12 Exemplare habe, wurde in einem Eß-<lb/>
kongreß von 80 Men&#x017F;chen mit vorge&#x017F;ungen. Das Mehre &#x017F;ieh in<lb/><hi rendition="#aq">Emanuels</hi> Brief. &#x2014; Meine Pen&#x017F;ion i&#x017F;t bezahlt worden. Ha&#x017F;t du<lb/>
&#x017F;ie von <hi rendition="#aq">Münch</hi> bekommen? Er muß dir aber gerade 250 fl. geben,<lb/>
denn die Provi&#x017F;ion (1 rtl.) hatt&#x2019; er &#x017F;chon neulich abgezogen. &#x2014; Sage<lb n="15"/>
mir doch, welche Mu&#x017F;ikalien ich der <hi rendition="#aq">Emma</hi> kaufen &#x017F;oll &#x2014; dann was<lb/><hi rendition="#aq">Odilien</hi> &#x2014; dann was dem <hi rendition="#aq">Max</hi> &#x2014; ja was der Magd. Sitzt die&#x017F;e<lb/>
noch auf ihrem alten morali&#x017F;chen Dien&#x017F;t-Thron? &#x2014; Das Trankgeld<lb/>
hab ich dem Fuhrmann geben la&#x017F;&#x017F;en. Aber das Fuhrlohn von 18 fl.<lb/>
&#x017F;chicke lieber zu <hi rendition="#aq">Schaller,</hi> mit welchem ich ja eigentlich kontrahiert<lb n="20"/>
habe. &#x2014; Bei der Verrückung des Repo&#x017F;itoriums bringt ja mein<lb/>
Wetterglas an einen &#x017F;ichern Ort. &#x2014; Nie hab&#x2019; ich einen &#x017F;o reizenden<lb/>
Junius erlebt. Aber &#x017F;o ge&#x017F;chmückt die Gegend i&#x017F;t, kann ich alles<lb/>
doch nicht &#x017F;o wie in <hi rendition="#aq">Baireut</hi> genießen, aus Mangel eines Garten<lb/>
am Morgen. &#x2014; Den Brief an <hi rendition="#aq">Welden</hi> gib meinem Bruder. &#x2014;<lb n="25"/> <hi rendition="#aq">Odilie</hi> i&#x017F;t doch wieder herge&#x017F;tellt? Die ungewöhnliche Witterung<lb/>
brütet Krankheiten aus, z. B. in <hi rendition="#aq">Heidelberg</hi> bösartige Ma&#x017F;ern.<lb/>
Im Falle jeder nur halb bedenklichen Krankheit rufe den Doktor,<lb/>
weil ich fehle. &#x2014; Meinen dicken Brief mit dem Wa&#x017F;&#x017F;erfe&#x017F;te ha&#x017F;t du<lb/>
doch erhalten? &#x2014; Du kann&#x017F;t dir denken, liebes Weib, wie meinem<lb n="30"/>
Herzen und Auge mitten in der großen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft bei der 7<hi rendition="#sup">ten</hi><lb/>
Strophe des Jungi&#x017F;chen Liedes war; und doch mußt&#x2019; ich Herr über<lb/>
die &#x017F;tärk&#x017F;ten Gefühle und Erinnerungen bleiben. &#x2014;</p><lb/>
        <note type="editorial"> <hi rendition="#c">[<hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Schluß fehlt</hi></hi>]</hi> </note>
        <lb n="35"/>
        <p>N. S. <hi rendition="#aq">Odilie</hi> &#x017F;oll mir über die Vögel &#x017F;chreiben.</p>
      </div><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[203/0210] 423. An Karoline Richter. Frankfurt d. 12. Jun. 1818 Meine geliebte Karoline! Dein Brief an deinem lieben Geburt- tage hat mich unter allen deinen Briefen am meiſten erfreuet. Hier ſiehſt du, wie ich immer an Baireut denke und ſchreibe, und ſogar 5 Vormittags, weil mir ſelten ein Nachmittag gelaſſen wird. — Immer ketten mich, wenn ich [mich] auch auf Abreiſe vorbereite, neue Ein- ladungen wieder an, ſo z. B. die Eßladung des baierſchen Geſandten. — Ich kann dir nicht ſagen, wie ich mich wieder nach Hauſe ſehne. — Der Hofrath Jung, dein Liebhaber, iſt hier. Das beiliegende 10 Gedicht, wovon ich noch 12 Exemplare habe, wurde in einem Eß- kongreß von 80 Menſchen mit vorgeſungen. Das Mehre ſieh in Emanuels Brief. — Meine Penſion iſt bezahlt worden. Haſt du ſie von Münch bekommen? Er muß dir aber gerade 250 fl. geben, denn die Proviſion (1 rtl.) hatt’ er ſchon neulich abgezogen. — Sage 15 mir doch, welche Muſikalien ich der Emma kaufen ſoll — dann was Odilien — dann was dem Max — ja was der Magd. Sitzt dieſe noch auf ihrem alten moraliſchen Dienſt-Thron? — Das Trankgeld hab ich dem Fuhrmann geben laſſen. Aber das Fuhrlohn von 18 fl. ſchicke lieber zu Schaller, mit welchem ich ja eigentlich kontrahiert 20 habe. — Bei der Verrückung des Repoſitoriums bringt ja mein Wetterglas an einen ſichern Ort. — Nie hab’ ich einen ſo reizenden Junius erlebt. Aber ſo geſchmückt die Gegend iſt, kann ich alles doch nicht ſo wie in Baireut genießen, aus Mangel eines Garten am Morgen. — Den Brief an Welden gib meinem Bruder. — 25 Odilie iſt doch wieder hergeſtellt? Die ungewöhnliche Witterung brütet Krankheiten aus, z. B. in Heidelberg bösartige Maſern. Im Falle jeder nur halb bedenklichen Krankheit rufe den Doktor, weil ich fehle. — Meinen dicken Brief mit dem Waſſerfeſte haſt du doch erhalten? — Du kannſt dir denken, liebes Weib, wie meinem 30 Herzen und Auge mitten in der großen Geſellſchaft bei der 7ten Strophe des Jungiſchen Liedes war; und doch mußt’ ich Herr über die ſtärkſten Gefühle und Erinnerungen bleiben. — 35 N. S. Odilie ſoll mir über die Vögel ſchreiben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:19:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:19:52Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/210
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/210>, abgerufen am 05.05.2024.