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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954.

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-- Ob ich nach Frankfurt gehe, ist mir der Kosten wegen noch unent-
schieden; und doch reizen mich dazu die Bergstrasse und dein Wunsch,
Dimity und Garn einzukaufen. -- Da ich der Magd etwas mitzu-
bringen habe: könnten es nicht die 2 gestohlnen Schnupftücher sein?
Und wie heissen sie? -- Bezahle den Hauszins. -- Sei du in keiner5
Angst über das Haus; ich bin in keiner; bleibt doch der reiche
Emanuel Wochenlang aus. Mache mir ja die Freude und mache
dir mehr Freude, damit ich nicht allein genieße. --


Reimer aus Berlin (Apropos! Emanuel hat doch auch sein10
Exemplar von den Fastenpredigten erhalten?) besuchte und gewann
mich; sein redliches Gesicht ist das Siegel seines Werths. -- Grüße
die lieben Kinderlein. Emma hat mir die schöne Freude über ihren
schönen Brief doch durch die Buchstaben ein Bischen beschnitten.
Sieh zuweilen ihrem Abschreiben nach, damit mein künftiges Nach-15
sehen mir nicht zu sauer wird. -- Und du, lieber Max, wirst doch
gegen deine Mutter wieder wie in den heiligen Tagen deines Abend-
mals sein und mich nicht in der Ferne betrüben, da ich so gern an dich
denke; und es wäre hart, wenn ich bei meiner Ankunft dich nicht
freudig umfassen könnte wie die andern.20

Ich denke recht oft an dich, Theuere, und in den Nachmittagen
oft mit schneidender Sehnsucht, nach welcher ich indeß doch nichts
fragen darf, da ich einmal eine so lange, nie wiederkommende Reise
gemacht. -- Wie würdest du hier von der Schwarz, der Hegel, der
Paulus und vielen ganz anders geliebt werden als in Baireut, wo25
man dich noch mehr verkennt als mich selber. -- Schreibe mir alles
Vorfallende, z. B. über die Said. -- Fodere doch dem unhöflichen
Reizenstein den 3ten Theil des Hesperus ab, den er außer Baireut
verliehen. -- Die Pension ist doch angekommen? -- Und so lebe denn
wol, geliebtes Herz, und mache dir nie einen Kummer über mich,30
auch bei dem längsten Schweigen unter so vielen empfangnen und
gegebnen Besuchen!

R.

Montags den 21. Jul. schick' ich diese Briefe ab aus dem
Edenstübchen bei Schwarz.35

— Ob ich nach Frankfurt gehe, iſt mir der Koſten wegen noch unent-
ſchieden; und doch reizen mich dazu die Bergſtraſſe und dein Wunſch,
Dimity und Garn einzukaufen. — Da ich der Magd etwas mitzu-
bringen habe: könnten es nicht die 2 geſtohlnen Schnupftücher ſein?
Und wie heiſſen ſie? — Bezahle den Hauszins. — Sei du in keiner5
Angſt über das Haus; ich bin in keiner; bleibt doch der reiche
Emanuel Wochenlang aus. Mache mir ja die Freude und mache
dir mehr Freude, damit ich nicht allein genieße. —


Reimer aus Berlin (Apropos! Emanuel hat doch auch ſein10
Exemplar von den Faſtenpredigten erhalten?) beſuchte und gewann
mich; ſein redliches Geſicht iſt das Siegel ſeines Werths. — Grüße
die lieben Kinderlein. Emma hat mir die ſchöne Freude über ihren
ſchönen Brief doch durch die Buchſtaben ein Bischen beſchnitten.
Sieh zuweilen ihrem Abſchreiben nach, damit mein künftiges Nach-15
ſehen mir nicht zu ſauer wird. — Und du, lieber Max, wirſt doch
gegen deine Mutter wieder wie in den heiligen Tagen deines Abend-
mals ſein und mich nicht in der Ferne betrüben, da ich ſo gern an dich
denke; und es wäre hart, wenn ich bei meiner Ankunft dich nicht
freudig umfaſſen könnte wie die andern.20

Ich denke recht oft an dich, Theuere, und in den Nachmittagen
oft mit ſchneidender Sehnſucht, nach welcher ich indeß doch nichts
fragen darf, da ich einmal eine ſo lange, nie wiederkommende Reiſe
gemacht. — Wie würdeſt du hier von der Schwarz, der Hegel, der
Paulus und vielen ganz anders geliebt werden als in Baireut, wo25
man dich noch mehr verkennt als mich ſelber. — Schreibe mir alles
Vorfallende, z. B. über die Said. — Fodere doch dem unhöflichen
Reizenſtein den 3ten Theil des Hesperus ab, den er außer Baireut
verliehen. — Die Penſion iſt doch angekommen? — Und ſo lebe denn
wol, geliebtes Herz, und mache dir nie einen Kummer über mich,30
auch bei dem längſten Schweigen unter ſo vielen empfangnen und
gegebnen Beſuchen!

R.

Montags den 21. Jul. ſchick’ ich dieſe Briefe ab aus dem
Edenſtübchen bei Schwarz.35

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[124/0131] — Ob ich nach Frankfurt gehe, iſt mir der Koſten wegen noch unent- ſchieden; und doch reizen mich dazu die Bergſtraſſe und dein Wunſch, Dimity und Garn einzukaufen. — Da ich der Magd etwas mitzu- bringen habe: könnten es nicht die 2 geſtohlnen Schnupftücher ſein? Und wie heiſſen ſie? — Bezahle den Hauszins. — Sei du in keiner 5 Angſt über das Haus; ich bin in keiner; bleibt doch der reiche Emanuel Wochenlang aus. Mache mir ja die Freude und mache dir mehr Freude, damit ich nicht allein genieße. — den 20ten Jul. Reimer aus Berlin (Apropos! Emanuel hat doch auch ſein 10 Exemplar von den Faſtenpredigten erhalten?) beſuchte und gewann mich; ſein redliches Geſicht iſt das Siegel ſeines Werths. — Grüße die lieben Kinderlein. Emma hat mir die ſchöne Freude über ihren ſchönen Brief doch durch die Buchſtaben ein Bischen beſchnitten. Sieh zuweilen ihrem Abſchreiben nach, damit mein künftiges Nach- 15 ſehen mir nicht zu ſauer wird. — Und du, lieber Max, wirſt doch gegen deine Mutter wieder wie in den heiligen Tagen deines Abend- mals ſein und mich nicht in der Ferne betrüben, da ich ſo gern an dich denke; und es wäre hart, wenn ich bei meiner Ankunft dich nicht freudig umfaſſen könnte wie die andern. 20 Ich denke recht oft an dich, Theuere, und in den Nachmittagen oft mit ſchneidender Sehnſucht, nach welcher ich indeß doch nichts fragen darf, da ich einmal eine ſo lange, nie wiederkommende Reiſe gemacht. — Wie würdeſt du hier von der Schwarz, der Hegel, der Paulus und vielen ganz anders geliebt werden als in Baireut, wo 25 man dich noch mehr verkennt als mich ſelber. — Schreibe mir alles Vorfallende, z. B. über die Said. — Fodere doch dem unhöflichen Reizenſtein den 3ten Theil des Hesperus ab, den er außer Baireut verliehen. — Die Penſion iſt doch angekommen? — Und ſo lebe denn wol, geliebtes Herz, und mache dir nie einen Kummer über mich, 30 auch bei dem längſten Schweigen unter ſo vielen empfangnen und gegebnen Beſuchen! R. Montags den 21. Jul. ſchick’ ich dieſe Briefe ab aus dem Edenſtübchen bei Schwarz. 35

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:19:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:19:52Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/131>, abgerufen am 02.05.2024.