Sonst übrigens stell' ich es als feste Regel auf, nicht nur Monat-, auch Jahrzahl vor Briefe zu schreiben, -- unähnlich den Brief- stellerinnen; -- nach vier Wochen oder Jahren entsinnt sich kein Mensch mehr des Datum, so sehr auch jeder im Augenblicke des Schreibens und Lesens kein Vergessen sich denklich denkt.5
Mein guter alter Thieriot! Ihre Schreibgüte überwältigt meine briefliche Faulthierheit. So oft fuhr ich mich an -- denn oft ärgert man sich, daß man nicht zwei mal als Doublette da ist, um mit dem einen Exemplare Ich das andere Dito Ich zu prügeln -- daß ich auf Ihre mir so lieben, so reichen Briefe so10 lange geschwiegen; und mein Schweigen auf hundert andere Briefe war keine Entschuldigung bei Ihren, zumal da Sie immer mit 2 Herzen und Köpfen auf einmal an mich schreiben durch Ihre treffliche Eva, die Äpfel von einem Baume des Erkenntnis reicht, auf welchem keine Schlange sitzt. Und ich will denn bei dieser15 Gelegenheit auch nicht versäumet haben, meinen Glückwunsch zu Ihrer nun vollstreckten Vermählung beider abzustatten und dabei zu wünschen, daß sie und Sie nicht nur dieses Jahr, sondern auch noch viele andere in vollem u. s. w.
Wahrlich, ich bin Ihrer Gattin herzlich gut, erstlich als einer20 solchen Frau und zweitens als einer solchen Dichterin und endlich als allem was sie ist. Wenn ich sie nur einmal gesehen hätte! Wir beide würden schon alte Freunde an der Thüre, blos wenn sie mir nur zuriefe: herein! -- Ihre Exzerpten aus ihr gefallen mir un- endlich und Sie sollten die Gute nur ganz abschreiben. Ich meines25 Orts nähme in solchem Falle eine kurze Bleistiftfeder mit ins Ehe- bette und trüge an der Wand, was sie etwan darin sagte, heimlich nach für den Tag. So aber geht für den Tertium Wichtigstes verloren.
d. 5. Jul.30
Ich danke Ihnen, daß Sie mir immer Briefpost und fahrende Post zugleich zuschicken, nämlich mit Ihren Briefen immer Menschen wie Ackermann, Graff, Patzig. -- Sie thäten mir einen Gefallen, wenn Sie die Ihnen so nah' seßhafte Harms (Berlepsch) be- suchten und ihr meinen Gruß und die wahrhafte Versicherung35 brächten, wie warm sie in meinem Andenken lebe, da sie von hier
Sonſt übrigens ſtell’ ich es als feſte Regel auf, nicht nur Monat-, auch Jahrzahl vor Briefe zu ſchreiben, — unähnlich den Brief- ſtellerinnen; — nach vier Wochen oder Jahren entſinnt ſich kein Menſch mehr des Datum, ſo ſehr auch jeder im Augenblicke des Schreibens und Leſens kein Vergeſſen ſich denklich denkt.5
Mein guter alter Thieriot! Ihre Schreibgüte überwältigt meine briefliche Faulthierheit. So oft fuhr ich mich an — denn oft ärgert man ſich, daß man nicht zwei mal 〈als Doublette〉 da iſt, um mit dem einen Exemplare 〈Ich〉 das andere 〈Dito Ich〉 zu prügeln — daß ich auf Ihre mir ſo lieben, ſo reichen Briefe ſo10 lange geſchwiegen; und mein Schweigen auf hundert andere Briefe war keine Entſchuldigung bei Ihren, zumal da Sie immer mit 2 Herzen und Köpfen auf einmal an mich ſchreiben durch Ihre treffliche Eva, die Äpfel von einem Baume des Erkenntnis reicht, auf welchem keine Schlange ſitzt. Und ich will denn bei dieſer15 Gelegenheit auch nicht verſäumet haben, meinen Glückwunſch zu Ihrer nun vollſtreckten Vermählung beider abzuſtatten und dabei zu wünſchen, daß ſie und Sie nicht nur dieſes Jahr, ſondern auch noch viele andere in vollem u. ſ. w.
Wahrlich, ich bin Ihrer Gattin herzlich gut, erſtlich als einer20 ſolchen Frau und zweitens als einer ſolchen Dichterin und endlich als allem was ſie iſt. Wenn ich ſie nur einmal geſehen hätte! Wir beide würden ſchon alte Freunde an der Thüre, blos wenn ſie mir nur zuriefe: herein! — Ihre Exzerpten aus ihr gefallen mir un- endlich und Sie ſollten die Gute nur ganz abſchreiben. Ich meines25 Orts nähme in ſolchem Falle eine kurze Bleiſtiftfeder mit ins Ehe- bette und trüge an der Wand, was ſie etwan darin ſagte, heimlich nach für den Tag. So aber geht für den Tertium Wichtigſtes verloren.
d. 5. Jul.30
Ich danke Ihnen, daß Sie mir immer Briefpoſt und fahrende Poſt zugleich zuſchicken, nämlich mit Ihren Briefen immer Menſchen wie Ackermann, Graff, Patzig. — Sie thäten mir einen Gefallen, wenn Sie die Ihnen ſo nah’ ſeßhafte Harms (Berlepsch) be- ſuchten und ihr meinen Gruß und die wahrhafte Verſicherung35 brächten, wie warm ſie in meinem Andenken lebe, da ſie von hier
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[333/0349]
Sonſt übrigens ſtell’ ich es als feſte Regel auf, nicht nur Monat-,
auch Jahrzahl vor Briefe zu ſchreiben, — unähnlich den Brief-
ſtellerinnen; — nach vier Wochen oder Jahren entſinnt ſich kein
Menſch mehr des Datum, ſo ſehr auch jeder im Augenblicke des
Schreibens und Leſens kein Vergeſſen ſich denklich denkt. 5
Mein guter alter Thieriot! Ihre Schreibgüte überwältigt
meine briefliche Faulthierheit. So oft fuhr ich mich an — denn
oft ärgert man ſich, daß man nicht zwei mal 〈als Doublette〉 da
iſt, um mit dem einen Exemplare 〈Ich〉 das andere 〈Dito Ich〉 zu
prügeln — daß ich auf Ihre mir ſo lieben, ſo reichen Briefe ſo 10
lange geſchwiegen; und mein Schweigen auf hundert andere Briefe
war keine Entſchuldigung bei Ihren, zumal da Sie immer mit
2 Herzen und Köpfen auf einmal an mich ſchreiben durch Ihre
treffliche Eva, die Äpfel von einem Baume des Erkenntnis reicht,
auf welchem keine Schlange ſitzt. Und ich will denn bei dieſer 15
Gelegenheit auch nicht verſäumet haben, meinen Glückwunſch zu
Ihrer nun vollſtreckten Vermählung beider abzuſtatten und dabei
zu wünſchen, daß ſie und Sie nicht nur dieſes Jahr, ſondern auch
noch viele andere in vollem u. ſ. w.
Wahrlich, ich bin Ihrer Gattin herzlich gut, erſtlich als einer 20
ſolchen Frau und zweitens als einer ſolchen Dichterin und endlich
als allem was ſie iſt. Wenn ich ſie nur einmal geſehen hätte! Wir
beide würden ſchon alte Freunde an der Thüre, blos wenn ſie mir
nur zuriefe: herein! — Ihre Exzerpten aus ihr gefallen mir un-
endlich und Sie ſollten die Gute nur ganz abſchreiben. Ich meines 25
Orts nähme in ſolchem Falle eine kurze Bleiſtiftfeder mit ins Ehe-
bette und trüge an der Wand, was ſie etwan darin ſagte, heimlich
nach für den Tag. So aber geht für den Tertium Wichtigſtes
verloren.
d. 5. Jul. 30
Ich danke Ihnen, daß Sie mir immer Briefpoſt und fahrende Poſt
zugleich zuſchicken, nämlich mit Ihren Briefen immer Menſchen
wie Ackermann, Graff, Patzig. — Sie thäten mir einen Gefallen,
wenn Sie die Ihnen ſo nah’ ſeßhafte Harms (Berlepsch) be-
ſuchten und ihr meinen Gruß und die wahrhafte Verſicherung 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/349>, abgerufen am 25.11.2024.
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