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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961.

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einzelne Punkte, z. B. des Humors etc., eingelassen. Beide Männer
aber und ihre Urtheile halt' ich für subjektiv-unparteiisch; mich
aber auch. -- Gott schenke mir nur einen mündlichen Nachmittag
mit dir; dann nehm' ich das corpus delicti (die Vorschule) als ein
spiritus rector in die Hand und entschuldige mich über 10,000 Sachen.5
Denn ich bleibe dabei, daß, wie es 4 letzte, so 4 erste Dinge gebe:
Schönheit (Kunst), Wahrheit, Sittlichkeit, Seeligkeit, und daß die
Synthese davon nicht nur nothwendig, sondern auch schon gegeben
sei, nur aber (und darum ists eben eine) in untheilbarer unfaßbarer
geistig-organischer Einheit, -- eine Heilands-Einheit, ohne welche10
wir an diesen 4 Evangelisten oder Welttheilen gar kein Ver-
ständniß und keinen Uebergang finden könnten. -- Danke Gott, daß
ich nicht für den Druck schreibe -- zu welchen metaphorischen
arithmetischen Ausspinnungen müßt' ich dieses Tetragrammaton --
Tetrachord -- etc. führen! -- Dieß ist eben die ewige Entzweiung15
Endlichkeit in uns, daß wir ein ewiges Eins suchen, und dann doch
wieder die Zwei und darin das Eins u. s.

Gott gebe, daß ich heute meinen Brief schließe, damit er nur geht.
Seit der Gewißheit deines Anblicks wird mir jede Briefzeile sauer
wegen größerer Hoffnungen. "Wozu Post, Postpapier, Dinte20
"und Briefstil, wenn man für den Frühling ein Kanapee vor der
"Nase hat, nämlich deine neben seiner?" -- so denkt man.

Beim Himmel, ich wollte dir die tiefsinnigsten Sachen noch
schreiben -- denn ich hatte mir die Zeichen dazu in meine Kladde
gemacht --; z. B. auch über Schleiermachers herrlichen III. Band25
des Platon -- deßgleichen über meine Erziehungslehre, die vom
Allgemeinsten bis ins Bestimmteste sich herab einkörpert --; aber
wie gesagt, München und du, die ich beide noch nicht gesehen, halten
mich durchs Hoffen ab. -- Aus Furcht, einen neuen Halbbogen und
Datum anzufügen, schließ' ich lieber früher, als ich etwas gesagt.30
Ich grüße innig dich und Deinige. Meine 3 Kinder und Mutter und
Vater blühen herrlich, doch jene am üppigsten.

Dein alter
J. P. Fr. Richter

N. S. Mache doch einmal das cito citissime zur Aufschrift35
deines Briefes nicht sowol als zur Inschrift.

einzelne Punkte, z. B. des Humors ꝛc., eingelaſſen. Beide Männer
aber und ihre Urtheile halt’ ich für ſubjektiv-unparteiiſch; mich
aber auch. — Gott ſchenke mir nur einen mündlichen Nachmittag
mit dir; dann nehm’ ich das corpus delicti (die Vorſchule) als ein
spiritus rector in die Hand und entſchuldige mich über 10,000 Sachen.5
Denn ich bleibe dabei, daß, wie es 4 letzte, ſo 4 erſte Dinge gebe:
Schönheit (Kunſt), Wahrheit, Sittlichkeit, Seeligkeit, und daß die
Syntheſe davon nicht nur nothwendig, ſondern auch ſchon gegeben
ſei, nur aber (und darum iſts eben eine) in untheilbarer unfaßbarer
geiſtig-organiſcher Einheit, — eine Heilands-Einheit, ohne welche10
wir an dieſen 4 Evangeliſten oder Welttheilen gar kein Ver-
ſtändniß und keinen Uebergang finden könnten. — Danke Gott, daß
ich nicht für den Druck ſchreibe — zu welchen metaphoriſchen
arithmetiſchen Ausſpinnungen müßt’ ich dieſes Tetragrammaton —
Tetrachord — ꝛc. führen! — Dieß iſt eben die ewige Entzweiung15
〈Endlichkeit〉 in uns, daß wir ein ewiges Eins ſuchen, und dann doch
wieder die Zwei und darin das Eins u. ſ.

Gott gebe, daß ich heute meinen Brief ſchließe, damit er nur geht.
Seit der Gewißheit deines Anblicks wird mir jede Briefzeile ſauer
wegen größerer Hoffnungen. „Wozu Poſt, Poſtpapier, Dinte20
„und Briefſtil, wenn man für den Frühling ein Kanapee vor der
„Naſe hat, nämlich deine neben ſeiner?“ — ſo denkt man.

Beim Himmel, ich wollte dir die tiefſinnigſten Sachen noch
ſchreiben — denn ich hatte mir die Zeichen dazu in meine Kladde
gemacht —; z. B. auch über Schleiermachers herrlichen III. Band25
des Platon — deßgleichen über meine Erziehungslehre, die vom
Allgemeinſten bis ins Beſtimmteſte ſich herab einkörpert —; aber
wie geſagt, München und du, die ich beide noch nicht geſehen, halten
mich durchs Hoffen ab. — Aus Furcht, einen neuen Halbbogen und
Datum anzufügen, ſchließ’ ich lieber früher, als ich etwas geſagt.30
Ich grüße innig dich und Deinige. Meine 3 Kinder und Mutter und
Vater blühen herrlich, doch jene am üppigſten.

Dein alter
J. P. Fr. Richter

N. S. Mache doch einmal das cito citissime zur Aufſchrift35
deines Briefes nicht ſowol als zur Inſchrift.

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[82/0097] einzelne Punkte, z. B. des Humors ꝛc., eingelaſſen. Beide Männer aber und ihre Urtheile halt’ ich für ſubjektiv-unparteiiſch; mich aber auch. — Gott ſchenke mir nur einen mündlichen Nachmittag mit dir; dann nehm’ ich das corpus delicti (die Vorſchule) als ein spiritus rector in die Hand und entſchuldige mich über 10,000 Sachen. 5 Denn ich bleibe dabei, daß, wie es 4 letzte, ſo 4 erſte Dinge gebe: Schönheit (Kunſt), Wahrheit, Sittlichkeit, Seeligkeit, und daß die Syntheſe davon nicht nur nothwendig, ſondern auch ſchon gegeben ſei, nur aber (und darum iſts eben eine) in untheilbarer unfaßbarer geiſtig-organiſcher Einheit, — eine Heilands-Einheit, ohne welche 10 wir an dieſen 4 Evangeliſten oder Welttheilen gar kein Ver- ſtändniß und keinen Uebergang finden könnten. — Danke Gott, daß ich nicht für den Druck ſchreibe — zu welchen metaphoriſchen arithmetiſchen Ausſpinnungen müßt’ ich dieſes Tetragrammaton — Tetrachord — ꝛc. führen! — Dieß iſt eben die ewige Entzweiung 15 〈Endlichkeit〉 in uns, daß wir ein ewiges Eins ſuchen, und dann doch wieder die Zwei und darin das Eins u. ſ. Gott gebe, daß ich heute meinen Brief ſchließe, damit er nur geht. Seit der Gewißheit deines Anblicks wird mir jede Briefzeile ſauer wegen größerer Hoffnungen. „Wozu Poſt, Poſtpapier, Dinte 20 „und Briefſtil, wenn man für den Frühling ein Kanapee vor der „Naſe hat, nämlich deine neben ſeiner?“ — ſo denkt man. Beim Himmel, ich wollte dir die tiefſinnigſten Sachen noch ſchreiben — denn ich hatte mir die Zeichen dazu in meine Kladde gemacht —; z. B. auch über Schleiermachers herrlichen III. Band 25 des Platon — deßgleichen über meine Erziehungslehre, die vom Allgemeinſten bis ins Beſtimmteſte ſich herab einkörpert —; aber wie geſagt, München und du, die ich beide noch nicht geſehen, halten mich durchs Hoffen ab. — Aus Furcht, einen neuen Halbbogen und Datum anzufügen, ſchließ’ ich lieber früher, als ich etwas geſagt. 30 Ich grüße innig dich und Deinige. Meine 3 Kinder und Mutter und Vater blühen herrlich, doch jene am üppigſten. Dein alter J. P. Fr. Richter N. S. Mache doch einmal das cito citissime zur Aufſchrift 35 deines Briefes nicht ſowol als zur Inſchrift.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:13:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:13:57Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe05_1961/97>, abgerufen am 25.11.2024.