Tausend Dank in hundert Namen und in meinem eignen! Sie rechter und einziger Wolthäter und nicht Wolthuer! Sie sind mein Repräsentant Gesandter der Menschenliebe; und daher brauchten5 oft die andern Menschen, da diese Tugend schon von ihrem Ge- sandten vorgestellt wurde, sie nicht gegen Sie zu zeigen.
171. An Perthes.
[Kopie]
[Bayreuth, 3. Dez. 1805]
-- Archenholz nur zuweilen vom 7jährigen Kriege geblendet,10 so wie von der Elbsperre überreitzt. -- Hamburg etc. sind noch die Arterien des deutschen Reichskörpers, weiter herein gibts nur Venen und lymph[atische] Gefässe. Oe[sterreich] verdient keine Erhaltung, da es seine Unterthanen mit einem ewigen geistigen Krieg überzieht und belagert, und aus Mangel an Köpfen gehen ihm nun die Arme15 verloren. Aber das übrige Deutsch[land] hat noch beides. Ich finde in der alten Geschichte, daß Cäsar zwar Gallien besiegte, aber nicht Deutschland. In deutschen Regierungsformen ist doch deutscher Geist nicht nothwendig eingescheidet. Schon unsere deutsche gelehrte Republik und Kosmopolitie wird ihm und seinen Flammen Ort und20 Nahrung und Thron verleihen. -- Bei den Alten waren die Dichter Geschöpfe der Regierungsform, jetzt sollen sie Schöpfer derselben sein? Sie werfen [ihnen mit] Unrecht vor, daß sie über Einkleiden Verkörpern vergessen. Jede Kunst, das Handeln etc. fodert ein ganzes Leben, und hier ist weiter keine Frage als alles oder nichts.25 Demosthenes war auf der Rednerbühne tapferer als auf der Schlacht- bühne, und dort ein siegendes Heer, da ein fliehender Mann. Ein Dichter als solcher wirkt auf den Weltkreis, sein Mensch auf den Familienkreis. Wahrlich in dieser tiefer einsinkenden Zeit, über diesem Morast voll Nebel halten beinahe nur noch die Schriften das30 Große, Gute, Wahre, Schöne wie mit Flammen und im Aether aufrecht und emporgehoben und in Bibliotheken wird einst die Auf- erstehung der geistig Todten sein und ein 1000jähriges Reich an- fangen hinter dem deutschen. -- Übrigens theil' ich alle Ihre patrio- tische Gluth und knirsche so oft mit den Zähnen als irgend ein35 Deutscher. Alle meine Werke sind wie mein Leben Freigeborne, keine
5*
170. An Emanuel.
[Bayreuth, 3. Dez. 1805]
Tauſend Dank in hundert Namen und in meinem eignen! Sie rechter und einziger Wolthäter und nicht Wolthuer! Sie ſind mein Repräſentant 〈Geſandter〉 der Menſchenliebe; und daher brauchten5 oft die andern Menſchen, da dieſe Tugend ſchon von ihrem Ge- ſandten vorgeſtellt wurde, ſie nicht gegen Sie zu zeigen.
171. An Perthes.
[Kopie]
[Bayreuth, 3. Dez. 1805]
— Archenholz nur zuweilen vom 7jährigen Kriege geblendet,10 ſo wie von der Elbſperre überreitzt. — Hamburg ꝛc. ſind noch die Arterien des deutſchen Reichskörpers, weiter herein gibts nur Venen und lymph[atiſche] Gefäſſe. Oe[ſterreich] verdient keine Erhaltung, da es ſeine Unterthanen mit einem ewigen geiſtigen Krieg überzieht und belagert, und aus Mangel an Köpfen gehen ihm nun die Arme15 verloren. Aber das übrige Deutſch[land] hat noch beides. Ich finde in der alten Geſchichte, daß Cäſar zwar Gallien beſiegte, aber nicht Deutſchland. In deutſchen Regierungsformen iſt doch deutſcher Geiſt nicht nothwendig eingeſcheidet. Schon unſere deutſche gelehrte Republik und Kosmopolitie wird ihm und ſeinen Flammen Ort und20 Nahrung und Thron verleihen. — Bei den Alten waren die Dichter Geſchöpfe der Regierungsform, jetzt ſollen ſie Schöpfer derſelben ſein? Sie werfen [ihnen mit] Unrecht vor, daß ſie über Einkleiden Verkörpern vergeſſen. Jede Kunſt, das Handeln ꝛc. fodert ein ganzes Leben, und hier iſt weiter keine Frage als alles oder nichts.25 Demoſthenes war auf der Rednerbühne tapferer als auf der Schlacht- bühne, und dort ein ſiegendes Heer, da ein fliehender Mann. Ein Dichter als ſolcher wirkt auf den Weltkreis, ſein Menſch auf den Familienkreis. Wahrlich in dieſer tiefer einſinkenden Zeit, über dieſem Moraſt voll Nebel halten beinahe nur noch die Schriften das30 Große, Gute, Wahre, Schöne wie mit Flammen und im Aether aufrecht und emporgehoben und in Bibliotheken wird einſt die Auf- erſtehung der geiſtig Todten ſein und ein 1000jähriges Reich an- fangen hinter dem deutſchen. — Übrigens theil’ ich alle Ihre patrio- tiſche Gluth und knirſche ſo oft mit den Zähnen als irgend ein35 Deutſcher. Alle meine Werke ſind wie mein Leben Freigeborne, keine
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170. An Emanuel.
[Bayreuth, 3. Dez. 1805]
Tauſend Dank in hundert Namen und in meinem eignen! Sie
rechter und einziger Wolthäter und nicht Wolthuer! Sie ſind mein
Repräſentant 〈Geſandter〉 der Menſchenliebe; und daher brauchten 5
oft die andern Menſchen, da dieſe Tugend ſchon von ihrem Ge-
ſandten vorgeſtellt wurde, ſie nicht gegen Sie zu zeigen.
171. An Perthes.
[Kopie][Bayreuth, 3. Dez. 1805]
— Archenholz nur zuweilen vom 7jährigen Kriege geblendet, 10
ſo wie von der Elbſperre überreitzt. — Hamburg ꝛc. ſind noch die
Arterien des deutſchen Reichskörpers, weiter herein gibts nur Venen
und lymph[atiſche] Gefäſſe. Oe[ſterreich] verdient keine Erhaltung,
da es ſeine Unterthanen mit einem ewigen geiſtigen Krieg überzieht
und belagert, und aus Mangel an Köpfen gehen ihm nun die Arme 15
verloren. Aber das übrige Deutſch[land] hat noch beides. Ich finde
in der alten Geſchichte, daß Cäſar zwar Gallien beſiegte, aber nicht
Deutſchland. In deutſchen Regierungsformen iſt doch deutſcher Geiſt
nicht nothwendig eingeſcheidet. Schon unſere deutſche gelehrte
Republik und Kosmopolitie wird ihm und ſeinen Flammen Ort und 20
Nahrung und Thron verleihen. — Bei den Alten waren die Dichter
Geſchöpfe der Regierungsform, jetzt ſollen ſie Schöpfer derſelben
ſein? Sie werfen [ihnen mit] Unrecht vor, daß ſie über Einkleiden
Verkörpern vergeſſen. Jede Kunſt, das Handeln ꝛc. fodert ein
ganzes Leben, und hier iſt weiter keine Frage als alles oder nichts. 25
Demoſthenes war auf der Rednerbühne tapferer als auf der Schlacht-
bühne, und dort ein ſiegendes Heer, da ein fliehender Mann. Ein
Dichter als ſolcher wirkt auf den Weltkreis, ſein Menſch auf den
Familienkreis. Wahrlich in dieſer tiefer einſinkenden Zeit, über
dieſem Moraſt voll Nebel halten beinahe nur noch die Schriften das 30
Große, Gute, Wahre, Schöne wie mit Flammen und im Aether
aufrecht und emporgehoben und in Bibliotheken wird einſt die Auf-
erſtehung der geiſtig Todten ſein und ein 1000jähriges Reich an-
fangen hinter dem deutſchen. — Übrigens theil’ ich alle Ihre patrio-
tiſche Gluth und knirſche ſo oft mit den Zähnen als irgend ein 35
Deutſcher. Alle meine Werke ſind wie mein Leben Freigeborne, keine
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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:13:57Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:13:57Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe05_1961/82>, abgerufen am 16.02.2025.
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